Thema des Tages
18-08-2025 13:50
Wetter aktuell
Hurrikan ERIN und dessen Einfluss auf das Wettergeschehen in Europa
Der starke Hurrikan ERIN befindet sich aktuell nördlich der
Dominikanischen Republik und wird voraussichtlich Anfang kommender
Woche den Nordteil des Nordatlantiks erreichen und sich in Richtung
Europa verlagern. Welche Auswirkungen hat dies auf unser
Wettergeschehen?
ERIN hatte sich am Samstagabend zwischenzeitlich zu einem Hurrikan
der höchsten Kategorie 5 entwickelt (siehe Thema des Tages vom
17.08.2025). Der Hurrikan befindet sich in leicht abgeschwächter Form
aktuell mit seinem Zentrum nördlich der Dominikanischen Republik und
wird in den kommenden Tagen zunächst seinen nordwestlichen bis
nördlichen Kurs beibehalten. Dabei bleibt seine Intensität zunächst
nahezu unverändert. Glücklicherweise wird er aber über dem Meer
bleiben und dabei nur einzelne Inselgruppen am Rande beeinflussen.
Südöstlich von Neufundland wird ERIN voraussichtlich zu Beginn des
kommenden Wochenendes die Transformation von einem tropischen
Wirbelsturm in eine extratropische Zyklone vollziehen.
Grund dafür sind vor allem die deutlich geringeren Wassertemperaturen
des nördlichen Nordatlantiks. Während die
Meeresoberflächentemperaturen im tropischen Nordatlantik teils bei
über 28 Grad liegen, sind es auf dem nördlichen Nordatlantik
südöstlich von Neufundland lediglich noch um oder knapp über 20 Grad.
Damit wird dem Hurrikan die Hauptenergiequelle mehr und mehr
entzogen. Gleichzeitig gelangt der Sturm in eine Umgebung mit einer
erhöhten vertikalen Windscherung. Dies zerstört die symmetrische
Struktur des Wirbelsturms und führt zu einer Kappung der
Energieflüsse vom Ozean. Dadurch wird sich Erin zum kommenden
Wochenende hin nicht nur abschwächen, sondern er wird auch sein
Aussehen auf dem Satellitenbild deutlich verändern.
Erreicht der Hurrikan den nördlichen Nordatlantik wird er in die
Westwindzone integriert. Dabei findet eine Interaktion mit dem
Jetstream statt. In einem Wirbelsturm werden große Mengen an latenter
Wärme freigesetzt. Diese Wärmeenergie kann östlich des ehemaligen
Hurrikans die großräumige Strömungskonfiguration beeinflussen und
gegebenenfalls über Europa einen Höhenrücken verstärken. Damit wird
ERIN auch Einfluss auf unser Wettergeschehen nehmen. Allerdings sind
die Wechselwirkungen wissenschaftlich noch nicht vollständig
verstanden, sodass sich die Wettervorhersage für den mittelfristigen
Zeitraum als sehr schwierig gestaltet.
Außerdem könnte sich Ex Hurrikan ERIN nach einer kurzen Abschwächung
und der Aufnahme in die Westwindzone wieder intensivieren und als
außertropisches Sturmtief oder gar Orkantief Westeuropa beeinflussen.
Dabei müsste ERIN in eine günstige Position auf die Vorderseite eines
Höhentroges gelangen. Da allerdings auch die Zugbahn von tropischen
Wirbelstürmen mit Unsicherheiten verbunden ist, kann das aus heutiger
Sicht noch nicht vorhergesagt werden. Es ist aber durchaus möglich,
dass sich ERIN als Ex-Hurrikan zu Beginn der kommenden Woche in
Westeuropa durch Sturm und kräftige Regenfälle bemerkbar macht.
Gerade das Potenzial für kräftige Regenfälle ist in einem ehemaligen
Hurrikan kurz nach der Transformation zu einem außertropischen Tief
aufgrund seiner immer noch vorhandenen Luftmasse tropischen Ursprungs
im Vergleich zu normalen winterlichen Sturmtiefs erhöht.
Dieser mögliche Ex-Hurrikan ist allerdings nicht mehr vergleichbar
mit einem ausgewachsenen starken Hurrikan. Ex Hurrikan ERIN wäre
durch deutlich geringe Windgeschwindigkeiten gekennzeichnet. Außerdem
hätte er im Vergleich zu einem durchschnittlichen Hurrikan eine
deutlich größere Ausdehnung und würde klar definierte Frontensysteme
aufweisen.
Zudem wäre es ebenfalls möglich, dass ERIN bei seiner Transformation
zu einem außertropischen Tief durch den Übertrag von Wärme- und
Bewegungsenergie stromabwärts Rossbywellen nicht nur modifizieren,
sondern diese auch brechen kann. Dies könnte über Europa
blockierenden Wetterlagen führen.
Die mittelfristige Wetterentwicklung auf dem europäischen Kontinent
gestaltet also äußerst spannend. Die zunehmende Unsicherheit der
Modellwelt zeigt sich auch in der mittelfristigen Ensemblevorhersage
des ECMWF. Während die Vorhersage bis einschließlich des kommenden
Wochenendes recht sicher ist, divergieren zu Beginn der kommenden
Woche die einzelnen Modellösungen stark. Somit ist die wechselhafte
und zum Wochenende auch deutlich kühlere Wetterphase so gut wie
eingetütet, während die Vorhersage ab der kommenden Woche noch sehr
unsicher ist!
M.Sc.-Met. Nico Bauer
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 18.08.2025
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