Thema des Tages

11-05-2021 07:50

Heftige Niederschläge vom Zentralmassiv bis in die Lombardei

Die Kaltfront des Tiefs HUBURTUS kommt nur zögernd voran und bringt
vor allem Ostfrankreich und Norditalien kräftige Niederschläge. Warum
das so ist und wie schlimm es kommt, erfahren Sie hier.

Was hat sich die Natur gefreut. Immerhin fielen in den vergangenen 24
Stunden (Montagfrüh bis Dienstagfrüh) in einem Streifen vom
Pfälzerwald über Nordhessen bis nach Ostholstein 10 bis 20 Liter
Regen pro Quadratmeter, zwischen Bremen und Hannover lokal sogar bis
35 l/qm - alles in allem der Marke Landregen und somit ein Segen. Wer
weiß, die nächste längere Trockenperiode kommt bestimmt. Und keine
Sorge: Der bisher ausgesparte Osten bekommt bis kommende Nacht und
auch in den kommenden Tagen ebenfalls Regenfälle ab, teils sogar
gewittrigen Starkregen mit Größenordnungen von 30 l/qm binnen weniger
Stunden.

Etwas zu viel des Guten ist es momentan allerdings in Ostfrankreich.
Dort fielen in den vergangenen 24 Stunden großräumig mehr als 100
Liter auf den Quadratmeter - beispielsweise in Lyon. Besonders
betroffen war die Ostflanke des Zentralmassivs, das sich zwischen der
Rhone und dem Quellgebiet der Loire auf teilweise über 1000 Meter
auftürmt. Dort fielen punktuell sogar 268 l/qm wie in Barnas - einer
kleinen Gemeinde in der Region Auvergne-Rhone-Alpes. Das entspricht
in etwa dem im klimatologischen Mittel zu erwartenden Niederschlag
eines kompletten Sommers (Juni, Juli, August) in Hamburg.

Geschuldet sind die kräftigen Niederschläge einer markanten
Luftmassengrenze, die sich längs über Mitteleuropa erstreckt und
kühle Meeresluft im Westen mit Tageshöchstwerten um 15 Grad von
warmer Suptropikluft im Osten mit sommerlichen Maxima um die 30 Grad
trennt. Aktuell befindet sich diese "Trennlinie" auch quer über
Deutschland. So stehen die 15 Grad heute exemplarisch für
Kaiserslautern und 30 Grad für Cottbus. Nun kommt aber hinzu, dass
die Winde am Boden nur schwach ausgeprägt sind und in der Höhe aus
südlichen Richtungen kommen. Das hat zur Folge, dass die
Luftmassengrenze kaum ostwärts vorankommt und so auch die
Niederschläge immer wieder über dieselben Regionen hinwegziehen.
Dabei gerät nun am heutigen Dienstag zunehmend die Alpensüdseite in
den Fokus.

Feucht-warme Mittelmeerluft wird nun permanent gegen die Gebirgskette
gedrückt und dadurch zum Aufstieg gezwungen. Die gehobene Luft gerät
dabei unter einen geringeren Außendruck in höheren Luftschichten,
dehnt sich aus und kühlt sich dadurch ab. Der in ihr vorhandene
Wasserdampf kondensiert und fällt schließlich als Regen zu Boden.

Während derartige Wetterlagen in den Wintermonaten der klassische
Schneebringer in Südtirol und Co sind und eine erhöhte Gefahr von
Lawinenabgängen, Schneebruch und Schneelast ausgeht, besteht das
Hauptrisiko zu der fortgeschrittenen Jahreszeit nun eher in
Überschwemmungen, Schlammlawinen und Murenabgängen. Schaut man sich
die aktuellen Berechnungen der Wettermodelle an, so muss vor allem im
Nordteil der Lombardei bis zum morgigen Mittwochmorgen doch von 100
bis 200 l/qm, lokal bis zu 250 l/qm ausgegangen werden (siehe
Grafik), was dann einer ähnlichen Größenordnung der Niederschläge im
Zentralmassiv entspricht. So ganz unter den Tisch kehren kann man den
Schneefall dabei auch nicht, denn immerhin fällt die Schneefallgrenze
von anfänglich über 2000 Meter doch auf etwa 1700 Meter ab. Für die
Gletscher eine wichtige (exponiert meterhohe) Auffrischung vor den
zehrenden Sommermonaten. Das Schweizer Institut für Schnee- und
Lawinenforschung (SFL) hat für die Gebiete südlich das
Alpenhauptkammes sogar die zweithöchste Lawinenwarnstufe 4
herausgegeben. Bleibt zu hoffen, dass sich die Auswirkungen infolge
der heftigen Regenfälle in den tieferen Lagen in Grenzen halten.

Dipl.-Met. Robert Hausen
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 11.05.2021

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