DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

10-03-2021 11:01

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 10.03.2021 um 10.30 UTC



Am Samstag nochmals stürmisch und recht mild, danach nasskalt, zu Wochenbeginn
auch in den Niederungen einzelne Schneeschauer möglich, im Stau der Alpen
markanter Schneefall.
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Synoptische Entwicklung bis zum Mittwoch, den 17.03.2021


Der am Samstag beginnende Mittelfristzeitraum markiert den Übergang von einer
zyklonalen Westlage hin zu einer meist zyklonal konturierten Nord- bis
Nordwestlage, wobei der Winter vor allem in den Mittelgebirgen und an den Alpen
noch einmal sein Stelldichein gibt, aber auch in den Niederungen wohl das ein
oder andere "Stundenmatschereignis" ins Haus steht.

Doch der Reihe nach:
Bereits am Samstag beginnt die Frontalzone über dem mittleren Nordatlantik bzw.
Westeuropa allmählich zu mäandrieren. Dabei greift von den Britischen Inseln her
bis zur Nacht zum Sonntag ein breit angelegter und mit mehreren kurzwelligen
Anteilen ausgestatteter Langwellentrog auf Mitteleuropa über. Vorderseitig zieht
ein Sturmtief von der mittleren Nordsee bis Sonntagfrüh nach Südschweden. An
dessen Südflanke stellt sich am Samstag erneut eine Sturmlage ein. Anders als am
Donnerstag ist nun auch die Südhälfte betroffen (stürmische Böen und Sturmböen,
vereinzelt auch schwere Sturmböen, auf den Bergen Orkanböen). Der Höhepunkt der
Sturmentwicklung ist wohl mit Kaltfrontpassage zu erwarten, die das
Vorhersagegebiet mit "Schmackes" (kräftige Schauer und auch Graupelgewitter) im
Laufe des Samstags von Nordwesten her überquert und in der Nacht zum Sonntag die
Alpen erreicht.
Rückseitig gehen die Schauer bei Zustrom erwärmter maritimer Polarluft (T850 hPa
-3 bis -5 Grad) zumindest im Bergland in Schnee über, an den Küsten bleibt es
nahe des Tiefkerns stürmisch, während sich im Binnenland bzw. im Tiefland der
Wind frontrückseitig abschwächt.
Am Sonntag folgt ein der Südwestflanke des sich über Skandinavien etablierenden
Langwellentroges eine weitere kurzwellige Randtrogpassage von Nordwesten her, so
dass es weitere Schauer und auch kurze Graupelgewitter gibt. Dabei bleibt es
windig mit stürmischen Böen in Gewitternähe und teils schweren Sturmböen auf den
Berggipfeln. In den Mittelgebirgen und an den Alpen fallen die Schauer ab etwa
300 bis 700 m Höhe als Schnee.
Am Montag weitet sich der Höhentrog von Südskandinavien Richtung Nordsee aus und
greift von Norden her in der Nacht zum Dienstag auf das Vorhersagegebiet über.
Vorlaufend überquert im Laufe des Montags ein Bodentrog samt eingelagerten
Frontensystems Deutschland südostwärts. Dabei gibt es schauerartige
Niederschläge, die im Bergland meist als Schnee, in den Niederungen aber noch
überwiegend als Regen fallen. Rückseitig dreht die Strömung mehr auf Nord, womit
die Polarluft über das Nordmeer bzw. Skandinavien auf direkterem Wege nach
Mitteleuropa strömen kann. Es gibt noch einzelne Schauer, die in der Nacht zum
Dienstag bei 850 hPa-Temperaturen unter -5 Grad auch in tiefen Lagen mehr und
mehr als Schnee fallen. Im Nordstau der Mittelgebirge kann es längere Zeit
schneien, am Alpenrand ab Montagabend in Staulagen auch ergiebig mit markanten
Neuschneemengen.
Am Dienstag weitet sich der Höhentrog über und östlich des Vorhersagegebietes
nach Süden, bis in den zentralen Mittelmeerraum, aus. Gleichzeitig stößt über
dem Ostatlantik ein breit angelegter und markanter Höhenrücken weit nach Norden,
bis nach Island und Südgrönland, vor, wobei ein Höhenkeil von der Norwegischen
See in der Nacht zum Mittwoch zur Nordsee zieht. Daraus resultiert über dem
Vorhersagegebiet eine nördliche Höhenströmung, die in der Nacht zum Mittwoch
allmählich antizyklonale Konturen annimmt. Der Bodentrog verlagert sich bis zur
Nacht zum Mittwoch ins östliche Mitteleuropa und ein mit dem Höhenrücken
korrespondierendes Bodenhoch kann sich über den Britischen Inseln deutlich
verstärken (auf 1040 hPa Kerndruck). Davon ausgehend, weitet sich allmählich ein
Keil bis ins Vorhersagegebiet aus, wobei die Grundströmung mehr und mehr auf
Nord bis Nordost dreht und allmählich noch kältere Luftmassen aus dem Baltikum
ins Vorhersagegebiet advehiert werden. In der Nacht zum Mittwoch sinkt die 850
hPa-Temperatur auf -6 Grad im Nordwesten bis -10 Grad in Ostvorpommern.
Am Dienstag tagsüber gibt es - außer im Nordwesten - noch weitere Schauer, meist
als Schnee oder Graupel, die meisten am Nordrand der Mittelgebirge. An den Alpen
schneit es noch länger anhaltend. In der Nacht zum Mittwoch klingen die Schauer
ab, lediglich am Erzgebirgsnordrand schneit es noch längere Zeit, an den Alpen
weiterhin anhaltend. Dazu gibt es verbreitet Frost.
Am Mittwoch schwenkt der nur noch flache Höhenkeil rasch über Westdeutschland
hinweg südwärts, gefolgt von weiteren, in die nördliche Höhenströmung
eingebetteten kurzwelligen Troganteilen am Mittwochnachmittag bzw. -abend und ab
Donnerstagfrüh.
Damit gibt es im Tagesverlauf von Norden her erneut einzelne, aber meist
unergiebige Schauer, die auch in tiefen Lagen überwiegend als Schnee oder
Graupel fallen. Nennenswerte Schneemengen kommen aber wohl nur in den
Mittelgebirgen (vor allem an deren Nordrändern) und im Stau der Alpen zusammen.
An den Temperaturen ändert sich nur wenig, oberhalb von etwa 400 bis 700 m gibt
es oft leichten Dauerfrost.

In der erweiterten Mittelfrist verlagert der Höhentrog seinen Schwerpunkt von
Nord- nach Osteuropa, gleichzeitig weitet sich der Höhenrücken über dem nahen
Ostatlantik und dem Nordmeer nach Norwegen aus. Daraus resultiert eine zunächst
noch zyklonal konturierte Nordostlage im Vorhersagegebiet, mit der vor allem am
Donnerstag feuchtkalte Luftmassen aus dem nordosteuropäischen Raum advehiert
werden, wobei es vielerorts leichte, im Bergland auch mäßige Schneefälle geben
kann und auch in den Niederungen die Höchstwerte die Nullgradmarke nur noch
knapp überschreiten. Danach kommt der Höhenrücken über Nordeuropa allmählich
nach Süden voran, im Bodenfeld weitet sich eine Hochdruckzone über die Nordsee
bis zur südlichen Ostsee aus und kommt nach Norddeutschland voran. Von Osten her
gelangt somit kontinentale Polarluft (in der Nacht zum Samstag mit 850
hPa-Temperaturen zwischen -7 Grad über der Nordsee bzw. im äußersten Südwesten
und -12 Grad in der östlichen Mitte) ins Vorhersagegebiet, womit es noch etwas
kälter mit teils mäßigen, über Schnee in einigen Mittelgebirgstälern strengen
Nachtfrösten wird, es aber keine nennenswerten Schneefälle mehr gibt.
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Dem aktuellen IFS-Lauf kann eine gute Konsistenz zu seinen beiden Vorgängern
bescheinigt werden.
Die erneute Sturmlage am Samstag und den Übergang zu einer zyklonalen Nord- bis
Nordwestlage danach haben die beiden Vorläufe ebenfalls auf der Agenda. Kleinere
Differenzen betreffen lediglich die Passagen der kurzwelligen Troganteile zu
Wochenbeginn, die vor allem der gestrige 00 UTC-Lauf etwas weniger markant auf
der Agenda hat. Entsprechend simuliert der Lauf am Dienstag auch höhere 850
hPa-Temperaturen (-3 bis -6 Grad) und weniger intensive Schneefälle in den
Nordstaulagen der Mittelgebirge.
Erst zu Wochenmitte, also etwa 12 bis 24 Stunden später, kann auch nach Lesart
des gestrigen 00 UTC-Laufes sehr kalte Luft aus Nordosteuropa nach Deutschland
vordringen.
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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Die Sturmtiefentwicklung am Samstag/Nacht zum Sonntag hat das ICON etwas
markanter als das IFS auf der Agenda, was vor allem auf die simulierten
Windgeschwindigkeiten an der Südflanke des Tiefs an den Küsten (der "Trogsturm")
Auswirkungen hat (etwa 1 Bft mehr in der Nacht zum Sonntag). Die
Kaltfrontpassage von Samstagvormittag bis zur Nacht zum Sonntag wird dagegen von
allen vorliegenden Modellen sehr ähnlich simuliert.
Mit (allerdings nicht "kriegsentscheidenden) kleineren Differenzen behaftet ist
das Übergreifen des Höhentroges am Montag bzw. der Nacht zum Dienstag von der
Nordsee her auf Norddeutschland. Den vorlaufenden Bodentrog simuliert ICON etwas
progressiver als das IFS, wohingegen GFS diesen über Südwestdeutschland mehr
oder weniger auflösen lässt. Dafür dringt der Höhentrog selbst nach Lesart des
GFS etwa 6 bis 12 Stunden eher nach Norddeutschland vor als nach IFS und ICON,
insgesamt ist er auch etwas markanter ausgeprägt und weitet sich weiter nach
Westen aus. Die Folge sind wohl etwas häufigere und kräftigere Schauer auch im
Südwesten des Landes, so dass auch der Schwarzwald am Dienstag von etwas
ergiebigeren Schneefällen betroffen sein könnte.
Ab Mittwoch werden die Differenzen allmählich größer: Während sich nach Lesart
des ICON der Höhenrücken, statt nach Nordnordost, Richtung Nordmeer, eher
Richtung Südwesteuropa ausweitet, woraus eine nordwestliche Höhenströmung
resultiert, mit der wieder etwas mildere Luftmassen nach Deutschland vordringen
können, fahren IFS und GFS bis in die zweite Hälfte der kommenden Woche mit der
zunächst zyklonalen Nordostlage (später eher Hoch Nordmeer-Fennoskandien) eine
ähnliche Variante.

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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Im Detail, was die Abfolge kleiner kurzwelliger Troganteile ab Beginn kommender
Woche angeht, gibt es von Member zu Member kleinere Differenzen, die aber kaum
Auswirkungen auf das großräumigere Wettergeschehen im Vorhersagegebiet haben
dürften.
Somit hat auch die Clusteranalyse sowohl für den Zeitraum T+72 bis 96 Stunden
als auch für T+120 bis 168 Stunden lediglich einen Cluster auf der Agenda.
Dieser markiert erwartungsgemäß den Übergang von einer recht weit südlich
verlaufenden zyklonalen Westlage (NAO negativ) hin zu einer Ostatlantikblockade
und der daraus resultierenden Nordlage über Mitteleuropa.
Interessanter wird's erst in der erweiterten Mittelfrist (T+192 bis 240
Stunden): Für den Zeitraum ergeben sich 5 Cluster. Cluster 1 (17 Member,
inklusive Haupt- und Kontrolllauf) und Cluster 2 (12 Member) tendieren Richtung
Blockade West- bzw. Nordwesteuropa, wobei das Bodenhoch nach Lesart von Cluster
1 über die Nordsee bis nach Skandinavien bzw. Nordwestrussland reicht, woraus
eine kalte nordöstliche Bodenströmung resultiert. Cluster 2 hat den Schwerpunkt
des Hochs bei den Britischen Inseln auf der Agenda mit einem bis nach Frankreich
und dem Alpenraum reichenden Keil. Diese Konstellation entspricht eher der
ICON-Variante, mit einer leichten Milderung von Nordwesten her.
Cluster 3 und 4 zeigen einer eher retrograde Verlagerung des Höhenrückens über
dem Ostatlantik ("Atlantic ridge") und somit einen erneuten Trogvorstoß Richtung
Ost-(Cluster 3 mit 10 Membern) bzw. Mitteleuropa (Cluster 4 mit 7 Membern).
Cluster 5 (5 Member) lässt dagegen den Höhenrücken allmählich Richtung
Mitteleuropa vordringen, den Schwerpunkt des Bodenhochs über Mittel- nach
Osteuropa. Das entspricht in etwa der Großwetterlage "Hoch Mitteleuropa" mit
Tendenz zu zumindest tagsüber recht mildem Hochdruckwetter.
Die Einigkeit der Member spiegelt sich auch im Spread der Kurvenscharen der 850
hPa-Temperaturen der Rauchfahnen verschiedener Gitterpunkte im Vorhersagegebiet
wider, die bis Mitte kommender Woche in einem relativ engen Spread auf vor allem
ab Dienstag niedrigem Temperaturniveau verlaufen. Erst in der zweiten
Wochenhälfte nimmt die Streuung vor allem nach oben hin zu, während Haupt- und
Kontrolllauf sich überwiegend im unteren Temperaturbereich der Member aufhalten.


FAZIT:
Von aufkeimenden Frühlingsgefühlen sollte man im Laufe der Mittelfrist eher
Abstand nehmen. Das Groß der Modelle und Member deutet doch auf einen eher
unterkühlten und teils auch feuchten Witterungsabschnitt hin. Großartige
Niederschlagsmengen sind wohl eher nicht zu erwarten, dennoch könnte es
zumindest zu Beginn kommender Woche auch mal in tiefen Lagen schneien und mit
gar nicht so geringer Wahrscheinlichkeit könnte sich diese kalte
Witterungsperiode auch als recht hartnäckig erweisen.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


Im Fokus der signifikanten Wettererscheinungen steht zunächst einmal in erster
Linie natürlich der Wind. Zwar dürfte es nicht mehr so heftig werden, wie am
Donnerstag, dennoch steht am Samstag erneut verbreitet ein markantes
Sturmereignis ins Haus. Auf den Bergen kann es erneut schwere Sturm- bis
Orkanböen, aber auch in den Niederungen haben die probabilistischen
Modellverfahren, vor allem ECMWF-EPS, außer Richtung Oder und Neiße, hohe
Wahrscheinlichkeiten für Böen Bft 8 bis 9 auf der Agenda und auch EFI gibt
deutliche Hinweise auf ein markantes Ereignis. Zumeist treten die stärksten Böen
wohl in Verbindung mit Gewittern während der Kaltfrontpassage auf.
Am Sonntag und zu Beginn kommender Woche lässt der Wind zögernd nach, vor allem
am Sonntag kann es aber in Schauernähe nochmals stürmische Böen geben.
Zunächst fällt lediglich in höheren Lagen Schnee. Ab Montagabend sinkt die
Schneefallgrenze aber mit Zufuhr von Polarluft von Norden her meist bis in tiefe
Lagen. In den Niederungen reicht es aber lediglich gebietsweise für etwas
Neuschnee. In den Staulagen der Mittelgebirge, vor allem aber im Alpenstau kann
es von Montagabend an bis in den Mittwoch hinein durchaus markante
Neuschneemengen geben.
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Basis für Mittelfristvorhersage
IFS, IFS-EPS, MOSMIX
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Jens Winninghoff