DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

14-02-2021 12:01

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 14.02.2021 um 10.30 UTC



Wechselhafter Beginn, dann stabiler und milder.
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Synoptische Entwicklung bis zum Sonntag, den 21.02.2021


Die Mittelfrist beginn labil und endet stabiler, von Winterkälte fehlt tagsüber
jede Spur.

Der Polarwirbel in der Stratosphäre (SPW) erholt sich dank nur schwacher
Wärmeflüsse weiterhin beständig. Das äußert sich in 10 hPa durch die
Verschiebung des Wirbelzentrums in die Nähe des Nordpols sowie durch einen Abbau
der Antizyklone über dem ostasiatischen Sektor. Ähnlich sieht es in 50 hPa aus,
wobei sich das Zentrum unter Intensivierung sukzessive in Richtung
kanadisch-arktisches Archipel verlagert. Zum Ende der Mittelfrist etablieren
sich zudem Tröge über dem ostasiatischen sowie eurasischen Sektor mit einer
kräftigen Keilaufwölbung über West- und Mitteleuropa.
Das ist deshalb von Interesse, weil sich entgegen der allgemeinen
Restrukturierung des SPWs der Übergangsbereich zwischen SPW und dem Polarwirbel
in der Troposphäre (TPW) vorerst nur geringfügig erholt. Dabei bildet sich zum
Ende dieser Mittelfrist neben dem dominanten kanadischen Zentrum des TPW erneut
ein zweiter Wirbel über Sibirien aus. Diese Entwicklung wird forciert durch
Geopotenzialanstieg sowohl vom nordpazifischen als auch vom europäischen Sektor.
Da diese Entwicklung nicht aus der Höhe gestützt wird (Intensivierung des SPW),
erscheint sie insgesamt (zeitlich) instabil. Aber sie reicht aus, um ggf. eine
cross-polare Strömung in Gang zu setzen, sodass der asiatische Kältepool erneut
nach Südwesten gedrückt wird und sich Europa nähert. Doch wie sieht es denn auf
dem Nordatlantik aus?

Die Kombination aus dem dominanten Part des TPWs über Kanada sowie einer stark
negativen AO (und einer somit weit im Norden ansetzenden Blockierung)
ermöglichen die Kurz- und Mittelfrist über eine südlich ansetzende
Trog-Keilstruktur über Nordamerika und dem westlichen Nordatlantik sowie einer
anormalen Temperaturentwicklung (aktuell wird vor Schnee bis zur mexikanischen
Grenze und bis zum Golf von Mexiko gewarnt). Per "downstream development" soll
sich dabei über dem östlichen Nordatlantik ein weiterer mächtiger Langwellentrog
etablieren und bis zu den Kapverdischen Inseln ausgreifen - keine Frage, dass
dies die Skalen der Anomalien für Temperatur (850 hPa) und Geopotenzial (500
hPa) nahezu ausreizt. Interessant ist, dass sich diese Geopotenzialanomalie bis
in die untere Stratosphäre aus- bzw. aufbaut (z.B. 50 hPa).
Folgen wir der Strömung nach Osten, so baut sich über Europa ein kräftiger
Höhenkeil auf, der an seiner Ostflanke über Osteuropa/Russland wiederum von
einem weiteren Langwellentrog flankiert wird.

In der Folge (Wochenbeginn) und somit bereits zum Beginn der erweiterten
Mittelfrist zeigt sich jedoch, dass der Keil über Europa zwar mächtig aussieht,
jedoch nicht von der kräftigsten Sorte ist und eher durch kräftige WLA in der
Höhe gestützt wird (während das Bodenhoch KLA gestützt zügig am Ostrand des
Keils nach Südosten in Richtung Ost-/Südosteuropa wandert). Zudem wird die
Verwellung im unteren Bereich des SPW rasch ausgebügelt (Folge der allgemeinen
Intensivierung des SPW), sodass der Keil unter Amplitudenverlust etwas nach
Osten wandert. Fazit: Es bleiben Unsicherheiten, wie stabil dieser Abschnitt
wird, besonders über Norddeutschland.

Die AO deutet zwar mit leicht positiven Werten während der Mittelfrist an, dass
sich der Polarwirbel sukzessive erholt, jedoch gehen die Ensemblemitglieder zum
Ende der Mittelfrist bereits wieder in den negativen Bereich zurück. Das
reflektiert wohl die beiden, bereits angesprochenen Keilaufwölbungen. Eine sehr
ähnliche Entwicklung ist bei der NAO auszumachen und liegt auch in der
Zeitspanne, die man nach einer MJO in Phase 6/7 erwarten würde (wobei sich die
MJO die Mittelfrist über zügig abschwächt).
Das Zeit-Höhendiagramm der NAM deutet zwar ein Abflauen der Kopplung
Stratosphäre/Troposphäre an, allerdings wird diese Entwicklung aktuell von Lauf
zu Lauf zeitlich entschärft und könnte noch bis Ende Februar/Anfang März
andauern.

Zusammengefasst intensiviert sich der SPW, allerdings kommt es noch einmal zu
einer Störung des TPW durch zwei Keilaufwölbungen. Durch massive Verwellung der
Strömung von Nordamerika bis nach Eurasien kommt es zu teils stark anormalen
Temperatur- und Geopotenzialentwicklungen mit entsprechend auffälligen
Begleiterscheinungen (zu kalt/zu warm/beständig nass/trocken).


Doch wie wirkt sich diese Entwicklung nun auf die Mittelfrist aus (Mittwoch bis
Sonntag, oder 17. bis 21. Februar 2021)?

Der Beginn ist alles andere als stabil. Am Mittwoch erfolgt über
Nord-/Ostdeutschland eine Kurzwellenpassage (schaueranfälliger Tag), bevor sich
der Höhenkeil und ein Bodenhoch in der Nacht zum Donnerstag von Südwesten/Süden
neu nach Deutschland ausweiten. Allerdings wird der Prozess der Keilaufwölbung
von einer Warmfrontpassage und leichten Niederschlägen über Nordwest- und
Norddeutschland begleitet. Ob dabei in Richtung Oder noch das eine oder andere
feste Aggregat zu finden ist bleibt abzuwarten, der Modelltendenz folgend eher
nicht mehr.

Am Donnerstag und in der Nacht zum Freitag nähert sich von Westen bereits der
nächste Trog, der unter Auffüllung (aber tendenziell von Lauf zu Lauf markanter
gerechnet) Deutschland überquert und dabei eine Okklusion nach Osten drückt.
Somit breiten sich tagsüber Regenfälle von Südwest nach Nordost aus, die in der
Nacht auch den Südosten und Osten erfassen (lokal gefrierender Niederschlag in
resistenten Kältelöchern nicht ausgeschlossen). Bei rasch steigendem
Geopotenzial von Westen und einhergehender Subsidenz könnte es aus heutiger
Sicht pünktlich ausgangs der Nacht im Westen aufreißen und die Lufttemperatur
regional gen 0 Grad drücken (Glätte).

Von Freitag bis Sonntag steht dann aber eindeutig der mächtige Keil im
Blickpunk, der sich von Südwesteuropa aufmacht und sich sukzessive bis nach
Mitteleuropa ausdehnt. Zum Sonntag liegt die Keilachse dabei direkt über
Deutschland.
Bis einschließlich Samstag würde noch viel WLA-Gewölk besonders die Mitte
nordwärts über den Himmel ziehen, im Umfeld der Deutschen Bucht sind gar
einzelne Tropfen einer Warmfrontpassage nicht ausgeschlossen. Zum Sonntag aber
sorgt die Keilachse für kräftiges Absinken und das deutschlandweit, sodass nur
noch ausgedehnte Cirrenfelder den Norden tangieren. Abgesehen von etwas Nebel in
der Nacht, Nachtfrost und Sturmböen auf dem Brocken wäre nicht viel zu warnen.
Allerdings sei schon mal darauf hingewiesen, dass die Numerik bezüglich der Lage
der Keilachse inkl. einer Kurzwellenpassage im Norden noch so ihre Probleme hat,
was sich natürlich auch auf Temperatur und Bewölkung auswirkt.

Bleiben wir doch gleich einmal bei der Temperatur und folgen dem det. Lauf. Am
Mittwoch erinnern nur noch +3 oder +4 Grad im Oderumfeld an den Winter, sonst
fließt aus Südwesten bereits eine mit 5 bis 12 Grad deutlich mildere Luftmasse
nach Deutschland. Nachdem die Höchstwerte am Donnerstag ähnliche Werte aufweisen
und am Freitag etwas zurückgehen geht es am Wochenende nur noch in eine
Richtung: Samstag auf 12 bis 17 Grad im gesamten Westen und am Sonntag gar noch
1 bis 2 Grad höher. Nach Osten bleibt es mit 7 bis 12 Grad etwas verhaltener.
Dabei sprechen wir bei der 2m Temperatur im Westen von positiven Abweichungen
von 8-10 Kelvin oder mit den Augen vom EFI von Werten zwischen 0.8 bis 1, wobei
die CDF jedoch noch keine Spitzenwerte andeutet. Aber erneute Achtung: diese
Werte werden nur erreicht, wenn alles genau passt und keine Kurzwelle einen
Strich durch die Rechnung macht (oder aber Saharastaub).

Besonders im Süden und äußersten Osten ist anfangs noch mit leichtem Luftfrost
in den Nächten zu rechnen, doch auch dieser schwächt sich am Wochenende ab.

Nachdem der Westwind am Mittwoch über der Mitte etwas frischer, im Bergland
stürmisch weht, ist in der Folge überwiegend mit einer schwachen Südwestströmung
zu rechnen. Davon ausgenommen die Deutsche Bucht (zeitweise Windböen Bft 7 aus
Süd bis Südwest) und der besagte Brocken.

Tauwetter ist zwar zu erwähnen, sollte aber dank des fehlenden signifikanten
Niederschlaginputs bzw. dem bereits stattfindenden Tauen während der Kurzfrist
die Mittelfrist über keine markante Rolle spielen. Auswirkungen auf die Flüsse
wird es aber geben, wobei die aktuellen Vorhersagen (soweit vorhanden)
überschaubar bleiben.

In der erweiterten Mittelfrist bleibt es bis zur Wochenmitte dann erst einmal
sehr mild und trocken. Freunde des Winters müssen jedoch noch nicht aufgeben,
denn dank der stark wellenden Strömung und den Vorgängen in der oberen
Troposphäre/unteren Stratosphäre etabliert sich eine markante Luftmassengrenze
über Nordosteuropa und auf deren kalten Seite lauert noch die arktische
Kaltluft. Wiederholt deuten Einzelmember das Anzapfen dieser Luftmasse an, es
muss halt synoptisch vieles passen.

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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Die Mittelfrist beginnt unter einem Keil, dessen Position beständig über
Mitteleuropa berechnet wird. In der Nacht zum Freitag nähert sich von Westen ein
Trog, wobei der jüngste Lauf nun bezüglich der Ostverlagerung einen Mittelweg zu
den beiden Vorläufen beschreitet (schneller als der Lauf von vor 24h, aber
langsamer als der von vor 12h). Zudem erfolgt die Passage des Troges nach dem
jüngsten Lauf markanter als bei den Vorläufen. Bezüglich der Niederschläge
zeichnet sich mit Blick auf die Vorläufe ein zeitlich leicht verzögertes
Übergreifen auf Deutschland ab (rund 6h).
Nachfolgend baut sich über Mitteleuropa ein mächtiger Keil auf. Dabei wird das
Zentrum der Antizyklone kontinuierlich nach Osten korrigiert und liegt am
Sonntag nun über dem Alpenraum (anstatt über Frankreich, wie vor 24h gezeigt).
Das vermindert auch das Übergreifen einer Kurzwelle auf den Nordosten am Sonntag
deutlich. Daher sieht es aktuell deutschlandweit nach einem ruhigen
Wetterabschnitt aus.
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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Die anderen Globalmodelle sehen die Entwicklung recht ähnlich zum IFS. GFS ist
mit der Kurzwellenpassage in der Nacht zum Freitag forscher als ICON, wobei IFS
an letzter Position steht (daher auch der Einholprozess intern beim IFS).
Ab Freitag erfolgt die Keilaufwölbung, wo IFS nun wieder Boden gutmachen möchte
und diese Aufwölbung am kräftigsten und schnellsten zeigt. ICON und GEM gehen
noch einen ähnlichen Weg, doch GFS sieht am Sonntag eine markante Trogpassage
über Norddeutschland, bevor sich nachfolgend der Keil erneut aufwölbt. GFS zeigt
diesen Trog beständig, IFS hatte ihn mal vor 1-2 Tagen ebenfalls drin, will
davon nun aber seit 2 Läufen nichts mehr wissen (wenigstens der det. Lauf). Da
auch GEM eine abnehmende Tendenz aufweist gewichten wir aktuell das IFS etwas
mehr, wollen jedoch mit Blick auf die Ensemblevorhersage die Möglichkeit einer
Kurzwellenpassage im Norden weiterhin hervorheben. Zwischen GFS und IFS liegen
beim Blick auf die 850 hPa Temperatur im Nordwesten am Montag 00Z rund "14"
Kelvin Differenz, was die Bandbreite der Entwicklungsmöglichkeiten darstellt.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Die Mittelfrist beginnt mit 6 Clustern (NAO negativ), wobei der Kontrolllauf im
ersten und der det. Lauf im 4. Cluster zu finden sind. Deutschland liegt dabei
an der Bruchstelle einer positiven Anomalieschleppe, die sich vom südlichen
Arktischen Ozean bis zum Mittelmeer erstreckt, jedoch Kurzwellen den Weg nach
Mitteleuropa ermöglicht.

In der Folge (Donnerstag bis Samstag) schrumpft die Clusterzahl auf 3 mit dem
Kontroll- und dem det. Lauf jeweils im zweiten Cluster. Alle Cluster zeigen den
sich entwickelnden markanten Wellenzug mit einem umfangreichen Trog über dem
Nordostatlantik und einem sich zügig intensivierenden Keil über West- und
Mitteleuropa. Dabei zeigen der zweite und dritte Cluster jeweils eine kräftige
Brückenbildung zwischen einer positiven Geopotenzialanomalie über der
Grönlandsee und Südeuropa, was im ersten Cluster nicht gestützt wird. Dieser
zeigt den Schwerpunkt des Keils über Südeuropa, sodass Deutschland (besonders
Norddeutschland) eher peripher gelegen und somit etwas anfälliger für die
mögliche Kurzwellenpassage ist. Das kliamt. Regime bleibt noch überwiegend bei
NAO negativ.

Zum Ende der Mittelfrist ergeben sich dann 4 Cluster mit einem Überhang des
klimat. Regimes "Blockade". Alle Cluster zeigen die positiven
Geopotenzialanomalien in der Nähe zum Nordpol und besonders über Südeuropa.
Interessant bleibt der Sonntag, wo 29 der 51 Member (Cluster 2 und 3) das
Szenario einer Kurzwellenpassage über Dänemark/Norddeutschland stützen, während
die restlichen 22 Member die Blockade zeigen. Somit steht die stabil
erscheinende det. Lösung (im ersten Cluster mit kräftiger Blockierung) doch noch
auf etwas wackeligen Beinen und daher sollte und darf man GFS weiterhin nicht
ignorieren. Zum Montag/Dienstag überwiegt dann jedoch in allen Clustern über
Mitteleuropa die positive Geopotenzialanomalie.

Ein Blick noch weiter in die Zukunft (Ende Februar) zeigt, dass die Unsicherheit
rasch zunimmt, welche positive Geopotenzialanomalie nun die dominante sein soll.
Es ergeben sich zahlreiche, variable Vorschläge. Entsprechend unsicher ist auch
die Entwicklung, die von kalter Nordostströmung bis milder West- bis
Südwestströmung alles in petto hat.

Die Meteogramme zeigen einen eng gebündelten Anstieg des Temperaturniveaus mit
Spitzenwerten um 15 Grad am Wochenende im Westen. Dabei nimmt allerdings auch
die Amplitude zu, denn nachts kühlt die Luftmasse weiterhin in den tiefen
einstelligen Bereich ab. Niederschläge klingen zum Beginn des Wochenendes
überall ab (ausgenommen der äußerste Nordwesten) und nachfolgend bleibt es bis
zur Wochenmitte trocken. Die Rauchfahnen der Temperatur in 850 hPa sowie des
Geopotenzials tragen diese Entwicklung mit recht enger Bündelung gut mit.

Zum GEFS gibt es besonders am Wochenende größere Diskrepanzen, was aber auf die
synoptische Entwicklung zurückzuführen ist (wie weiter oben besprochen). Die
Kurzwellenpassage am Sonntag wird von der Mehrheit der Member getragen.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


WIND:
Auf dem Brocken treten wiederholt Sturmböen aus Südwest auf.

TAUWETTER:
Die Milderung setzt sich fort, geht jedoch mit keinen signifikanten
Niederschlägen einher, sodass das Erreichen der markanten Tauwetterschwelle als
eher unwahrscheinlich gilt. Dennoch hat der Schmelzwassereintrag Auswirkungen
auf die Flüsse (siehe Berichte der jeweiligen Hochwasserzentralen).
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Basis für Mittelfristvorhersage
IFS, IFS-EPS und MOSMIX (mit Anpassungen bei Max/Min)
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Helge Tuschy