Thema des Tages

09-02-2021 10:20

Grenzwertiger Positionskampf

Mit einer synoptischen Analyse sollen kurz die Randbedingungen
erläutert werden, die uns letztendlich das derzeitige Winterwetter
beschert haben. Dazu lohnt ein Rückblick auf Ende letzter Woche.

Im Verlauf der letzten Woche wurde ja nicht nur unter Meteorologen
recht viel über die Wetterlage diskutiert, die da am Wochenende auf
Mitteleuropa zurollte. Dabei war lange Zeit nicht klar, wie und vor
allem wie weit nach Süden die arktische Kaltluft im Verlauf gelangen
würde.

Die Vorhersageunsicherheiten resultierten in diesem Fall auch von der
recht ungewöhnlichen Konstellation der verschiedenen Druckgebilde
gerade in der mittleren Troposphäre (hier in etwa 5 bis 6 km Höhe).
Gemäß beigefügter Grafik sieht man im europäisch-atlantischen Raum
sehr schön zumindest vier synoptische Player in etwa 5,5 km Höhe
(Temperatur und Geopotenzial auf dem Druckniveau 500 hPa, siehe
https://www.dwd.de/DE/service/lexikon/Functions/glossar.html). Die
Druckverhältnisse vor allem in mittleren und höheren Schichten der
Troposphäre werden in der Meteorologie durch das Geopotenzial
ausgedrückt.

Über dem Nordmeer sieht man auf der Grafik hohen Luftdruck in der
Höhe, dagegen über Nordosteuropa tiefen Luftdruck. Auf der Südseite
stehen diesen Druckgebilden einerseits eine langgestreckte
Tiefdruckzone von den Britischen Inseln bis ins westliche Nordafrika
sowie andererseits ein breiter Höhenrücken, der von Nordafrika bis
ins zentrale Mittelmeer reicht, gegenüber. Das bildet den in der
Meteorologie verwendeten Begriff des so genannten Viererdruckfeldes
ab, Erläuterungen dazu siehe Thema des Tages vom 09.05.2020:
https://www.dwd.de/DE/wetter/thema_des_tages/2020/5/9.html.

Diese Konstellation führt oft zu Deformationen zwischen den
Druckgebilden und die normalerweise strömungsparallelen Winde in der
Höhe sind nicht immer gewährleistet. Damit sind dann auch Bewegungen
der Druckgebilde möglich, die von den Vorhersagemodellen nicht exakt
prognostiziert werden. Diesen Umstand konnte man bei den
Modellprognosen in der letzten Woche gut verfolgen, da u.a. auch
verschiedene Modelllösungen mit leichten Verschiebungen der
synoptischen Lage angeboten wurden.

In der Grafik sieht man zudem (auch an der farblichen Darstellung der
Temperatur), welche Luftmassen dort aufeinandertrafen: subtropische
Luft aus Nordafrika begegnete arktischer Polarluft über Mitteleuropa.
Ein frappierendes Ergebnis konnte man im Süden teils bis in die Mitte
Deutschlands spüren. Saharastaub wurde aus dem Regen gewaschen bzw.
hat den Himmel milchig verfärbt.

Warum hat sich nun trotz tagelanger Grenzwetterlage die kalte Luft
trotz anderer Optionen letztendlich durchgesetzt?

In Nordeuropa herrschte eine massive nördliche Strömung zwischen den
beiden Druckgebilden über dem Nordmeer und Nordosteuropa in der Höhe
(gemäß Grafik). Im Verlauf etablierte sich dann auch eine Zone hohen
Luftdrucks am Boden, die sich vom Nordmeer bis nach Skandinavien
ausdehnte. Damit wird einerseits klar, dass der Kaltluftkörper über
Nordeuropa forciert und andererseits sich über Mitteleuropa eine
östliche bis nordöstliche Bodenströmung eingestellt hat, mit der die
arktischen Luftmassen so allmählich weiter nach Süden einsickerten.
Ungewöhnlich, allerdings aufgrund des beschriebenen Kräftemessens
auch plausibel, ist der lange Zeitraum dieser Grenzwetterlage,
gespickt mit allen meteorologischen Facetten rund um die teils
stationäre Luftmassengrenze.

Dipl.-Met. Dr. Jens Bonewitz
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 09.02.2021

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