Thema des Tages

18-08-2016 14:40

Der Wind aus meteorologischer Sicht - ein Konstrukt verschiedener
physikalischer Kräfte
-Erster Teil: Die Zutaten-

Das Studium der Luftströmungen in der Atmosphäre ist eine der
wesentlichen Aufgaben der Meteorologie. Durch den Begriff "Wind"
(griechisch anemos = Wind) wird ganz allgemein die Verlagerung von
Luftteilchen in Bezug auf deren Richtung und Geschwindigkeit
beschrieben. Meist wird unter dem Begriff "Wind" die horizontale
Luftströmung verstanden, doch gibt es auch Luftbewegungen in
vertikaler Richtung der Atmosphäre, die für gewisse atmosphärische
Prozesse wie z.B. der Wolkenbildung, der Wolkenauflösung oder dem
Niederschlag von grundlegender Bedeutung sind. In den weiteren
Abschnitten sollen aber überwiegend die horizontalen Strömungen der
Luft genauer betrachtet werden.

Ein bewegtes Luftelement wird grundsätzlich von seinen benachbarten
beeinflusst, sodass dessen Bewegung nicht unabhängig erfolgt. Auf der
Erde bzw. in der Erdatmosphäre wirken je nach Höhe und geographischer
Breite verschiedene physikalische Kräfte unterschiedlich stark auf
Flüssigkeiten und Gasen und somit auch auf die Luft ein. Die
wesentlichen Kräfte sind dabei die Druckgradientkraft, die
Corioliskraft und die Zentrifugalkraft. Bevor detailliert auf die
verschiedenen meteorlogischen Winde eingegangen wird, sollen zunächst
die wirkenden physikalischen Kräfte näher erläutert werden.

Die sogenannte Druckgradientkraft basiert dabei auf den
Luftdruckunterschieden in der Umgebung des Luftteilchens. Sie wirkt
auf die Luft entlang des Druckgefälles zwischen einem Hochdruckgebiet
und einem Tiefdruckgebiet und ist proportional zum Druckunterschied
und nicht zum absoluten Wert des Luftdruckes selbst. Nachfolgend
bilden sich Ausgleichströmungen, die immer vom hohen zum tiefen
Luftdruck gerichtet sind. Schematisch kann man sich die
Druckgradientkraft als eine schräge Fläche zwischen dem hohen und dem
tiefen Luftdruck vorstellen, auf der sich die Luft wie auf einer
Rutsche hinunter bewegt (vgl. auch http://bit.ly/2bmVWrm sowie
Abbildung 1.

Die sogenannte Corioliskraft ist dagegen eng mit der Erdrotation
verknüpft. Luftpartikel, die eine Bewegung relativ zur Erde
durchführen, nehmen gleichzeitig auch an der Erdrotation teil.
Betrachtet man die Partikelbewegung in einem mitrotierenden, also
erdfesten Koordinatensystem, resultiert daraus eine seitliche
Ablenkung der Teilchen und zwar auf der Nordhalbkugel nach rechts,
auf der Südhalbkugel nach links aus der ursprünglichen
Bewegungsrichtung heraus. Diese Ablenkung kann dabei auf das Wirken
einer Kraft zurückgeführt werden, die nach ihrem Entdecker (Gaspard
Gustave de Coriolis, 1835) benannt wurde. Die Corioliskraft ist
jedoch eine Schein- bzw. Trägheitskraft, da sie nur relativ zu einem
rotierenden Bezugssystems in Erscheinung tritt. Schematisch kann man
sich dies anhand einer Kugel auf einer Drehscheibe veranschaulichen.
Sitzt der Beobachter mit der Kugel auf der Drehscheibe, analog zum
Menschen auf der Erde, so beschreibt die Kugel auf ihrem Weg von
innen nach außen einen Bogen. Steht der Beobachter jedoch neben der
drehenden Scheibe, gleichzusetzen mit einem Astronaut im Weltall, so
nimmt die Kugel für diesen einen gradlinigen Weg von der Mitte zum
Rand der Drehscheibe (vgl. auch http://bit.ly/2bimeHW sowie Abbildung
2).

Die sogenannte Zentrifugalkraft wird aus dem Lateinischen abgeleitet
(centrum, Mitte und fugere, fliehen) und ist entsprechend auch als
Fliehkraft bekannt. Bei ihr handelt es sich ebenfalls um eine
Trägheitskraft, die bei Dreh- oder Kreisbewegungen auftritt und
radial von der Rotationsachse nach außen gerichtet ist. Die
Auswirkungen der Zentrifugalkraft lassen sich ebenfalls im täglichen
Leben beobachten. Als Beispiel kann hierbei ein Kettenkarussell
dienen, bei dem die Passagiere an den Ketten während der Drehbewegung
je nach Geschwindigkeit nahezu waagerecht zum Boden in der Luft
schweben können (vgl. auch http://bit.ly/2bxUb97 sowie Abbildung 3).


Eine weitere besondere Rolle bezüglich der horizontalen
Luftströmungen übernimmt die sogenannte Reibungskraft. In den unteren
1,5 bis 2 km der Erdatmosphäre wird der Wind durch die Bodenreibung
nachhaltig beeinflusst. Je nach Bewuchs oder Bebauung werden die
Luftteilchen mehr oder weniger stark abgebremst. Grundsätzlich ist
jedoch die Reibung zum Boden hin größer. Resultierend nimmt der Wind
mit der Höhe, also abnehmender Reibung zu. Etwa oberhalb von 2 km
kann der Wind schließlich ohne Einfluss der Reibung wehen.

Wie die Definitionen der Kräfte zeigen, können alle einen kleineren
oder größeren Einfluss auf sich bewegende Luftpartikel haben. Wie
sich nun die verschiedenen meteorologischen Winde zusammensetzen,
können sie in den weiteren Abschnitten im morgigen Thema des Tages
nachlesen.

Dipl.-Met. Lars Kirchhübel
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 18.08.2016

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