DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist
08-12-2020 11:30
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 08.12.2020 um 10.30 UTC
Weiterhin wechselhaft mit Niederschlägen mehr in der Westhälfte, zu Wochenbeginn
von Westen zögerlich etwas milder.
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Synoptische Entwicklung bis zum Dienstag, den 15.12.2020
Die Muster der nordhemisphärischen Zirkulation sind weiterhin sehr eingefahren.
Derzeit erstreckt sich eine Zone tiefen Geopotenzials bzw. Luftdrucks vom
Atlantik bis in den zentralen Mittelmeerraum. Demgegenüber steht persistent
hoher Luftdruck bzw. hohes Geopotenzial über Russland (Uralblocking), dass sich
im Verlauf der Woche zonal bis zum Ostatlantik (sogar Geopotenzialbrücke bis zum
östlichen Nordpazifik möglich) ausdehnt. Damit werden im Verlauf der Mittelfrist
NAO und auch AO zunehmend negativ.
In Bezug auf den Stratosphärischen Polarwirbel (SPV, mittlere und obere
Stratosphäre) bewirken derartige Blockierungen mit jeweils vorderseitig der
positiven Geopotentialanomalien ansetzenden verstärkten meridionalen und
vertikalen Wärmeflüssen sukzessive Abschwächung. In der Tat sind diese Einflüsse
zur Monatsmitte deutlich sichtbar (zonal gemittelter zonaler Wind in 10 hPa und
60 Grad Nord nimmt allmählich ab, die Temperatur über dem Nordpol (90 Grad Nord)
in 10 hPa steigt gleichzeitig stetig an).
Unabhängig davon bleibt abzuwarten, ob mit dieser großräumigen Entwicklung im
weiteren Verlauf kältere arktische Luftmassen bis nach Mitteleuropa ausfließen
können (z.B. Blocking nördlicher Ostatlantik oder Skandinavien). Die Art der
sich aufbauenden teils zonal ausgerichteten Blockierungen über den hohen Breiten
spräche derzeit eher dagegen.
Kommen wir nun zur aktuellen Mittelfrist:
Am Freitag gelangt Mitteleuropa zusehends auf die Vorderseite eines neuen
Tiefdruckkomplexes bei den Britischen Inseln. Gleichzeitig etabliert sich von
Russland bis nach Grönland zusehends die weiter oben angesprochene zonal
ausgerichtete Brücke hohen Geopotenzials. Damit stellt sich großräumig eine so
genannte High-over-Low-Situation über dem atlantisch-europäischen Raum ein.
Für Deutschland bedeutet das Winddrehung auf mehr südliche Richtung und von
Südwest nach Nordost einen allmählichen Anstieg der 850hPa-Temperatur bis
Samstagfrüh auf +2 Grad im Westen und Südwesten bis rund -3 Grad im Osten und
Nordosten. Der südöstliche Wind frischt mit einer möglichen Bodentiefentwicklung
im Bereich des Ärmelkanals vor allem an der Nordsee und einigen
Mittelgebirgslagen stark bis stürmisch auf, an den Alpen stellt sich erneut Föhn
mit zumindest Sturmböen auf den Gipfeln und Windböen, vereinzelt auch
stürmischen Böen in den Föhntälern ein. Zudem kommen in der Südwesthälfte
Niederschläge auf, die bevorzugt im höheren Bergland und in Richtung Mitte des
Landes zunächst meist als Schnee fallen dürften. Damit besteht erhöhte
Glättegefahr, teils durch Schnee oder Schneematsch, teils durch Regen mit
Glatteisbildung.
Am Samstag und Sonntag ändert sich kaum etwas an der synoptischen
Ausgangsposition für Mitteleuropa. Der wetterbestimmende Tiefdruckkomplex bzw.
Langwellentrog verlagert sich langsam südostwärts und erreicht mit seinem
Schwerpunkt nebst korrespondierendem Bodentief am Sonntag Süditalien. Vom
Atlantik nähert sich ein weiterer Langwellentrog, der allerdings zum Montag
bereits von Norden stark abgeschnürt ist, da die zonale Geopotenzialbrücke von
Grönland nach Russland nicht nur Bestand hat, sondern sich ebenso bis zum
Nordpazifik erstrecken kann. Zu erwähnen sei noch, dass die Niederschläge
voraussichtlich nur in stark abgeschwächter Form auch die Osthälfte erreichen
(Wirkung der Blockierung über Osteuropa). Die Temperaturen (850hPa und Boden)
steigen von Westen her zögerlich noch etwas an. Nachts bleibt Glätte durch
Schnee und/oder Gefrieren von Nässe bei auftretenden Niederschlägen weitehrin
ein Thema.
Am Montag schiebt sich vorderseitig des weiter nach Süden austrogenden
Langwellentroges über dem Atlantik in Richtung Mitteleuropa ein Hochkeil bzw.
Höhenrücken, der tagsüber für meist trockene Verhältnisse sorgen wird. Am
Alpenrand (bei leichtem Föhn) und nördlich der Mittelgebirge sind bei südlicher
Anströmung auch ein paar Sonnenstunden drin. Die Maxima der Temperatur steigt
vor allem in der Westhälfte noch etwas an (bei 4 bis 6 Grad in 850 hPa). In der
Nacht zum Dienstag nähert sich dann das okkludierte Frontensystem eines Tiefs
über dem Nordmeer Deutschland an und sorgt im Nordwesten und Westen für etwas
Regen. Der Südost- bis Südwind frischt an der Nordsee und auf einigen Gipfeln
der Mittelgebirge teils stürmisch auf. Nach Osten und Süden ist bei noch teils
klaren Verhältnissen örtlich mit Nebel zu rechnen.
Am Dienstag verlagert sich der Hochkeil bzw. Höhenrücken kaum ostwärts. Im
Gegenteil, dieser könnte Tuchfühlung aufnehmen mit der zonal ausgerichteten
Geopotenzialbrücke in den hohen Breiten. Damit kommt auch die okkludierte Front
des nach Skandinavien ziehenden Bodentiefs nur schleppend nach Osten voran.
Zudem besteht auch die Chance des Abtropfens des Haupttroges über der Biskaya.
Dadurch würde sich der Wettercharakter in Deutschland gegenüber dem Vortag nur
unwesentlich ändern - schwache Niederschläge in der Westhälfte, im Süden und
Osten vor allem nördlich der Berge teils heiter (unter andauerndem
Hochdruckeinfluss). Der Wind ist an der Nordsee sowie auf den Alpengipfeln
(Föhn) und einigen Gipfeln der Mittelgebirge weiterhin ein Thema. In der Nacht
sollte im Osten und Südosten Frost auftreten, sonst bleibt es unter Wolken
frostfrei.
Auch in den Folgetagen könnte die Zweiteilung zwischen West- und Osthälfte in
beschriebener Lesart erhalten bleiben. Entsprechende Clusterlösungen des IFS-EPS
belegen das.
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs
Die Konsistenz des IFS-Modells, einschließlich seiner Vorläufe ist bis
einschließlich Dienstag als recht gut einzuschätzen. Ausdruck dafür ist die eher
ungewöhnlich hohe Einigkeit bei den Ensemble-Membern von IFS. Gibt es doch bis
einschl. Dienstag lediglich eine Clusterlösung (gruppierte Ensemble-Member des
IFS).
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Vergleich mit anderen globalen Modellen
Die mittelfristige Entwicklung wird auch von anderen Globalmodellen wie GFS oder
ICON recht ähnlich gesehen. Unterschiede ergeben sich zum Ende der Mittelfrist
am Dienstag (Austrogung bzw. Amplifizierung und späteres Abtropfen LW-Trog
Atlantik von GFS weiter südlich, dadurch stärkeres Aufsteilen der Strömung
vorderseitig. ICON dagegen sieht die zonale Geopotenzialbrücke in hohen Breiten
deutlich schwächer aufgestellt, z.B. mit einem Tiefdruckkomplex, von Island bis
nach Grönland reichend).
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Bewertung der Ensemblevorhersagen
Bis Dienstag gibt es bei IFS-EPS nur ein Cluster mit der beschriebenen
Geopotenzialverteilung. Von Mittwoch bis Freitag (192+t+240 h) existieren
derweil 4 gruppierte Cluster, deren Unsicherheiten im Text weiter oben skizziert
wurden. Es kristallisiert sich für Mitteleuropa die 'bewährte' Zweiteilung
aufgrund beschriebener Blockierungen als wahrscheinlicher heraus gegenüber
anderen Clusterlösungen.
Bezüglich der Rauchfahnen repräsentativer Städte in Deutschland lässt sich
Folgendes festhalten:
Die Werte der 850hPa-Temperatur bleiben bis Sonntag auf ähnlichem Niveau und
steigen dann leicht an, und das mit nicht allzu großer Streuung. Auch die Werte
des Geopotenzials in 500 hPa steigen ab Montag zunächst an, nach Wochenmitte
nimmt aber die Streuung deutlich zu. Trotzdem verbleiben die Werte in der
Mehrzahl auf höherem Niveau (angedeutete Blocking-Tendenz).
In Bezug auf die Niederschläge ist das angesprochene Ost-West-Gefälle deutlich
erkennbar, einschließlich der Unsicherheit des Auftretens von Niederschlägen in
der Osthälfte (in der nächsten Woche).
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen
Warnwürdige Parameter sind aufgrund einer sich regenerierender Trogvorderseite
mit südlicher Anströmung zeitweise der Wind in den Alpen (Föhnböen - Gipfel Bft
8 bis 10, Täler Bft 7 bis 8 möglich) und bevorzugt an der Nordsee (Bft 7 bis 8,
vereinzelt 9). Im Bergland tritt zudem häufiger Glätte durch Schnee und
Gefrieren von Nässe auf. Vor allem in der Nacht zum Samstag besteht vom
Südwesten bis in Teile der Mitte die Gefahr von Regen mit Glatteisbildung.
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Basis für Mittelfristvorhersage
IFS-EPS, GFS, ICON, MOSMIX
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Dr. Jens Bonewitz