DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist
23-11-2020 11:01
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Montag, den 23.11.2020 um 10.30 UTC
Überwiegend trocken mit viel Nebel und Hochnebel. Nachts Frost, regional auch
Dauerfrost.
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Synoptische Entwicklung bis zum Montag, den 30.11.2020
Die gesamte Mittelfrist (Donnerstag bis Montag, 26. bis 30.11.) wird geprägt
durch einen stratosphärischen Polarwirbel (SPW), der nur eines kennt:
Intensivierung. Fehlende Wärmeflüsse und keine nennenswerten Blockierungen der
Grundströmung puschen den Wirbel in den letzten IFS-Vorhersagen beständig und
deutlich über das 90-iger Perzentil des Modellklimas, wenn man sich den zonal
gemittelten Zonalwind in 10 hPa bei rund 60 Grad Nord betrachtet. Zudem
etablieren sich zum Ende der Mittelfrist in der Nähe des Nordpols auch im Niveau
der Troposphäre negative Geopotenzialanomalien, was die zunehmende Intensität
des SPW stützt. Allerdings deuten weder GEFS noch das GMAO der NASA eine
nachhaltige Kopplung des SPW mit dem Polarwirbel der Troposphäre (TPW) an. Die
allmähliche Intensivierung des TPW ist auch auf fehlende polwärts gerichteten
Flüsse innerhalb der Troposphäre zurückzuführen, die bis jetzt wenigstens
zeitweise auftraten.
Das Zentrum des SPW verlagert sich dabei von der Laptewsee/Ostsibirischen See
sukzessive zum Pol. Der TPW weist eine amöbenartige bzw. Dipolstruktur auf mit
einem vorherrschenden und dominanten Zentrum über den Königin-Elisabeth-Inseln
(im Kanadisch-Arktischen Archipel) und auch hier verlagert sich das Zentrum bis
zum Ende der Mittelfrist in die Nähe des Nordpols, um in der Folge zusammen mit
dem SPW in Richtung Ostsibirische See abzudriften.
Die bereits vor einer Woche angesprochene Geopotenzialerhöhung in der
Stratosphäre über dem asiatischen Sektor wird weiterhin gerechnet, wobei sich
diese Anomalie sukzessive über den pazifischen Sektor nach Westen verlagern
soll. Damit verbunden ist auch eine beträchtliche Intensivierung des
Polarfrontjets in diesem Bereich. Hinzu kommt ein anormal kräftiges
Hochdruckgebiet über der Mongolei (gestützt durch beständige und kräftige KLA),
dessen Bodendruck zentrumsnah mit rund 1040-1055 hPa verbreitet 15-20 hPa zu
hohe Druckwerte aufweist (in Bezug auf das Klima von 1981 bis 2010). Diese
Positionierung ist insofern interessant, weil sie ein sogenanntes "positives
Gebirgsdrehmoment" induziert - vereinfacht gesagt liegt der hohe Druck östlich
der ruppigen Orografie Ostasiens mit einer Ausgleichsströmung vom hohen zum
tiefen Druck - also gegen den Rotationssinn der Erde. Dieser augenscheinliche
Verlust von Momentum wird in die Atmosphäre und somit in den Strahlstrom
injiziert und kurbelt diesen weiter an. Beides ist in der zonalen Mittelung der
Gesamtkomponente des atmosphärischen Drehimpulses mit einer erneuten Zunahme ab
dem 28.11. zu erkennen, aber auch in Vorhersagen von 200 hPa Windvorhersagen mit
Werten jenseits von 200 kt über dem Nordpazifik zum Ende der Mittelfrist.
Interessant und wichtig ist diese Entwicklung deshalb, weil durch diese
Beschleunigung ein ausgeprägter Rossby-Wellenzug induziert wird, der in der
Folge durch zyklonales Wellenbrechen vor Alaska ein kräftiges und blockierendes
positives Geopotenzialmuster über Kanada/dem Nordostatlantik entstehen lassen
soll, das unter Umständen über den Nordpol hinweg Kontakt zu einem
asiatischen/sibirischen Gegenstück aufnehmen könnte. Diese Aktivität deutet sich
zum Ende der Mittelfrist u.a. in einer erneuten geringen Abnahme der
Zonalgeschwindigkeit beim TPW an, aber auch durch eine rasante Verstärkung des
vertikalen Wärmeflusses über dem pazifischen/kanadischen Sektor. Das ist zwar
jetzt noch nicht das Mittel für eine nachhaltige Abschwächung des gesamten
Polarwirbels, doch wie heißt es so schön: der stete Tropfen höhlt den Stein.
Nicht umsonst streuen immer mehr Member bei der zonalen Mittelung des
Zonalwindes in 10 hPa ab Mitte Dezember. Aber zur Erinnerung, der SPW befindet
sich im absoluten Höhenflug bezüglich seiner Intensität (vielleicht gar mit
Rekordwerten), sodass auch die abgeschwächten Member weiterhin um oder über dem
Median der Modellklimatologie liegen.
Die Tropen haben keinen Einfluss auf die Außertropen mit einer bezüglich
Intensität nicht nennenswerten MJO.
Die AO/NAM geht zwar die Mittelfrist über sukzessive zurück, macht das aber
nicht konstant, sondern in Sprüngen, was aber insgesamt auf ein vorübergehendes
Verstärken des TPW hindeutet.
Die NAO geht vom deutlich positiven Bereich allmählich in den neutralen Bereich
zurück, während die PNA im deutlich positiven Bereich verbleibt. Zum Ende der
Mittelfrist wird in diesem Sektor ja auch eine klassische PNA +
Geopotenzialgeometrie erwartet.
Was bedeutet das für das Wetter in Deutschland/Mitteleuropa während dieser
Mittelfrist? Zusammengefasst: wenig Abwechslung!
Wir befinden uns durchweg in einer sehr schwachen und flatternden Strömung im
Schnittbereich Troposphäre/Stratosphäre, sodass die Tendenz zu Abtropfprozessen
bzw. transienten Blockierungen vorherrscht. Wer sich am trüben Herbstgrau
erfreut, der wird diese Mittelfrist auf jeden Fall genießen.
Am Donnerstag, dem Beginn der Mittelfrist, wird im Zuge einer Langwellenpassage
über Skandinavien eine Kaltfront nach Deutschland geführt und bleibt dort
zunehmend strömungsparallel bzw. unter leicht steigendem Geopotenzial in 500 hPa
über der Mitte Deutschlands liegen. Dies wird von einer recht dichten Bündelung
der Einzelmember vom IFS-EPS gestützt, wobei der "tracker" jedoch über
Deutschland zunehmend die Front verliert. Mit dieser Front wird etwas
Niederschlag (1-4 l/qm/24h) und viel Feuchte nach Deutschland geführt, die sich
dort schön einnisten kann. Dank der frontolytischen Tendenz schwächen sich zwar
die Niederschläge ab, Nebel und Hochnebel beglücken jedoch weite Bereiche
Deutschlands in der Nacht zum Freitag.
Am Freitag und Samstag ändert sich dann wenig. Das Geopotenzial über
Skandinavien steigt und ein Trog über Südwesteuropa "zerbröselt" mehr und mehr
in zahlreiche abgetropfte Höhentiefs. Beide Tagen stehen ganz im Zeichen der
Grenzschichtdynamik, wobei vielerorts Nebel und Hochnebel ganztags das
Himmelsbild bestimmten. Wenn, dann kann sich mal im Westen und Südwesten sowie
im äußersten Norden kurz die Sonne zeigen.
Am Sonntag wird im heutigen deterministischen Lauf stromauf der sich
nordostwärts verlagernden positiven Geopotenzialanomalie ein Kaltlufttropfen
über Polen in Richtung Ostsee geführt, der den Nordosten Deutschlands streift.
Müßig zu sagen, dass diese Entwicklung mit maximalen Werten der normalisierten
Standardabweichung des IFS-PS Ensemble aufleuchtet, was auch für den HRES gilt.
Die letzten drei IFS-Läufe sprangen mit dessen Zentrum zwischen Polen und der
Nordsee hin und her. Summa summarum - wir behalten diese Entwicklung im Auge.
Selbst mit der aktuellen Vorhersage wären die einzigen Auswirkungen, dass sich
die Wolkendecke durch Hebung bzw. Abkühlung jeglicher Inversionen vielerorts
auflösen könnte und der Sonne Platz machen würde. Niederschlag wäre nur in
homöopathischen Mengen im Umfeld der Oder und Erzgebirge zu erwarten - dann
vielleicht in Form einzelner Schneeflocken.
Dieser Trend würde sich auch am Montag mit geringen Geopotenzialgradienten
fortsetzten mit einem sonnigen Norden und einer heiteren Mitte sowie einem
hochneblig-trüben Süden. Aber bitte nicht viel Gewichtung in diese
Bewölkungsverteilung legen, denn frühere IFS-Läufe sowie andere Modelldaten
zeigen wiederum andere Optionen. So langweilig diese Wetterlage auch erscheint,
so anspruchsvoll wird sie für die Numerik bzgl. Bewölkungsverteilung werden.
Die Höchstwerte liegen zunächst je nach Nebel- und Sonnenanteil zwischen -3 und
10 Grad und gehen zum Ende des Wochenendes allgemein auf -3 bis 6 Grad zurück.
Abgesehen vom Norden werden frostige Nächte (leichter Luftfrost) und regional
auch Glätte (z.B. Nebelnässe bzw. Frontalniederschläge) erwartet.
Der meist aus Ost bis Südost wehende Wind spielt keine Rolle, kann nur über der
offenen Deutschen Bucht sowie inversionsbedingt auf einzelnen Berggipfeln
zeitweise stürmisch auffrischen.
In der erweiterten Mittelfrist könnte das Geopotenzial über Mitteleuropa von
Norden etwas zurückgehen. Zudem wird mit der im Haupttext angesprochenen
Blockierung/positiven Geopotenzialanomalie über Kanada und dem Nordostatlantik
jeglicher Impuls von Westen unterdrückt, sodass die Augen nach Norden gerichtet
sind mit der Frage: wohin stößt der nächste Trog und wohin bringt uns dieser
Vorstoß - auf die Vorder- oder Rückseite des Troges?
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs
Die vergangenen deterministischen Modellläufe von IFS zeigten bis einschließlich
Freitag eine einheitliche Handhabung der allgemeinen Entwicklung der Strömung.
Der Anstieg des Geopotenzials in 500 hPa über Skandinavien wird übereinstimmend
gezeigt, geringe Diskrepanzen gibt es mit einem sich abschwächenden Trog an
dessen Südflanke, der auch Deutschland betrifft. Der jüngste Lauf möchte den
Trog nun gar mit einem Residuum über dem Ärmelkanal abtropfen lassen. Das sind
aber Feinheiten, die nur den Wettervorhersager interessieren, denn alle Läufe
stützen eine Frontpassage am Donnerstag (geringe Niederschläge) mit
nachfolgender Grenzschichtproblematik (viel Nebel und Hochnebel) in vielen
Regionen Deutschlands.
In der Folge herrscht dann größte Unstimmigkeit, was mit zahlreichen
Abtropfprozessen über Europa zu tun hat, die Spanien, das westliche Mittelmeer
und das östliche Mitteleuropa betreffen. Dabei gibt es noch keine
Modellkonsistenz bezüglich der jeweiligen Zugbahnen und alleine beim
Kaltlufttropfen (KLT) über dem östlichen Mitteleuropa am Samstag/Sonntag
springen die Läufe noch um rund 1000 km bezüglich dessen Platzierung. Die
einzige Unsicherheit, die sich aber daraus ergibt ist die, inwieweit sich die
Nebel- und Hochnebelfelder zum Sonntag/Montag mal auflockern können. Natürlich
bleibt die Zugbahn des KLT bezüglich einer Schneeüberraschung nicht komplett
uninteressant, aber viel Niederschlag soll dieses Höhentief eh nicht begleiten.
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Vergleich mit anderen globalen Modellen
Beim Vergleich der internationalen Globalmodelle beginnen sich die
Unsicherheiten ein bisschen früher auf die Entwicklung der Mittelfrist
auszuwirken. GFS zeigt den Trog am Donnerstag/Freitag deutlich schwächer als IFS
und belässt somit die Front mit all der Feuchte auch über dem Norden von
Deutschland, sodass die Mitte und der Süden davon gar nicht so tangiert werden
würde. Entsprechend sonniger würde dieser Abschnitt für weite Bereiche
Deutschlands verlaufen. ICON tendiert eher zu der GFS-Lösung, zeigt jedoch auch
präfrontal eine feuchtere und somit zu Hochnebel neigenden Luftmasse.
In der Folge nehmen durch die Abtropfprozesse die Unsicherheiten rasch zu. Bei
überwiegend laschen Geopotenzialgradienten in 500 hPa aber bleibt nur die
Unsicherheit, ob das trockenere GFS oder das feuchtere IFS/ICON überwiegen, was
auf den Sonnenanteil Auswirkungen hat. MOSMIX zeigt zwar wenigstens im Südwesten
und Westen etwas Sonnenanteil, wird jedoch vom IFS-MOS heruntergezogen, das sehr
pessimistisch ist.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen
Die Clusteranalyse beginnt mit dem klimatologischen Regime "Blockade" und 5
Clustern (Kontrolllauf im ersten, der det. Lauf im zweiten Cluster). Deutschland
liegt dabei in allen Clustern am Südrand positiver Geopotenzialanomalien, die
von Norwegen bis nach Sibirien reichen, im Einflussbereich eines sich
abschwächenden Langwellentroges. Dabei ist noch etwas unsicher, wie aktiv dieser
Trog nach Deutschland vorankommt, denn einige der Cluster zeigen auch über
Mitteleuropa leicht positive Anomaliewerte. Einig sind sich aber alle Cluster,
dass es sich eher um eine gering aktive Frontpassage handelt, wenn diese
Deutschland überhaupt erfasst (Cluster 3 und 5).
In der Folge bleibt das klimatologische Regime bestehen mit 3 Clustern (det. und
Kontrolllauf jeweils im ersten Cluster). Neben negativen Anomaliewerten in der
Nähe des Nordpols sticht ein zonal ausgerichteter Bereich mit positiven
Anomaliewerten heraus, der sich (noch abgeschwächt) von Kanada und dem
Nordostatlantik bis nach Sibirien (Schwerpunkt) erstreckt. Deutschland verbleibt
dabei am Südrand der dominanten Anomalie über Sibirien und "schlägt" sich mit
zahlreichen abgetropften "Kaltluftkörpern" herum. Die Zugbahnen weichen
innerhalb der Cluster stark voneinander ab und auch die im det. Cluster gezeigte
KLT-Passage von Polen zur Ostsee (24 Member) wird vom zweiten Cluster bereits
nicht mehr gestützt (18 Member) und verläuft im dritten Cluster deutlich
östlicher.
In der erweiterten Mittelfrist wird dann zunehmend die positive Anomalie über
Grönland und dem Nordostaltantik dominant, sodass auch das klimat. Regime von
"Blockade" zu überwiegend "Atlantikrücken" wechselt. Bei 2 Clustern könnte
Mitteleuropa im ersten Cluster wenigstens von schwachen Trogpassagen über
Nordeuropa tangiert werden, während im zweiten Cluster die hohe Anomalie bzw.
eine schwache Geopotenzialgradientverteilung überwiegt. Beide Cluster sind
ähnlich verteilt bezüglich der Memberschar. In der Folge (Anfang Dezember)
gleichen sich beide Cluster bei einem Regime "negative NAO" zunehmend an mit
einem umfangreichen Langwellentrog über West- und Mitteleuropa, was wenigstens
etwas Schwung in die eingefahrene bzw. eingeschlafene Wetterküche bringen
könnte.
Die Meteogramme zeigen in Deutschland die Mittelfrist über einen geringen
Abkühlungstrend an, was durch eine schwache advektive Komponente forciert wird,
allerdings auch durch eine zunehmend hochnebelartig behaftete Mittelfrist.
Niederschlagssignale gibt es im Norden nur am Donnerstag während der
Frontpassage (Maximum um 1 l/qm/6h), während es im Süden erst trocken bleibt und
zum kommenden Wochenbeginn geringe Signale gibt. Auch im Osten gibt es diese und
die können dem Kaltlufttropfen geschuldet sein. Wie man es aber dreht und
wendet, nennenswerte Niederschläge werden bei der aktuellen Zugbahn des
Kaltlufttropfen keine erwartet.
Die Rauchfahnen bei der 850 hPa Temperatur und dem 500 hPa Geopotenzial beginnen
gebündelt und streuen dann zum Wochenende dank des unsicheren Kaltlufttropfens
stark.
GEFS sieht ähnlich aus, wenngleich zu Beginn vielerorts trockener wegen der
fehlenden bzw. verzögerten und stark abgeschwächten Frontpassage.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen
Abgesehen der Grenzschichtproblematik zeigen weder der EFI noch das IFS-EPS
Wahrscheinlichkeiten für markante Wettererscheinungen (exklusive einzelner Bft
8-er Böen über der Deutschen Bucht und inversionsbedingt auf einzelnen
Berggipfeln).
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Basis für Mittelfristvorhersage
IFS-EPS, IFS, MOSMIX, GEFS
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Helge Tuschy