Thema des Tages
21-09-2020 07:20
Das Äquinoktium ist (fast) da!
Auch wenn uns derzeit noch der Spätsommer fest im Griff hat, so
schreiten wir zumindest kalendarisch am morgigen Dienstag in die
dritte Jahreszeit: den Herbst. Was bedeutet dabei Äquinoktium und wie
ist der astronomische Herbstanfang überhaupt definiert? Mehr dazu im
heutigen Thema des Tages.
Wir Meteorologen haben bereits vor drei Wochen am 1. September den
Herbst eingeläutet und weichen daher von der Definition des
kalendarischen Beginns ab. Demnach beginnen für uns die Jahreszeiten
immer am ersten Tag jenes Monats, in den der kalendarische Termin
fällt. Dadurch dauern die Jahreszeiten immer drei komplette Monate,
wodurch eine statistische Vergleichbarkeit von klimatologischen Daten
(z.B. Monatsmittel, Monatssummen u.a.) gewährleistet wird.
Am morgigen Dienstag, den 22. September 2020, startet um 15:30 Uhr
mitteleuropäischer Sommerzeit (MESZ) auch aus astronomischer bzw.
kalendarischer Sicht auf der gesamten Nordhalbkugel der Herbst (auf
der Südhalbkugel hingegen der Frühling). Die beiden Tage im Jahr, auf
die die Tag-und-Nacht-Gleiche fällt, werden als Äquinoktien (von lat.
aequus - gleich und nox - Nacht) bezeichnet. Sie markieren den
Herbst- bzw. den Frühlingsbeginn. Am Tag des Äquinoktiums dauern
somit lichter Tag und die Nacht überall auf der Erde zumindest
theoretisch gleich lang an.
Doch wie kommt es überhaupt zur Existenz von Jahreszeiten? Unsere
Erde dreht sich wie ein Kreisel durch den Weltraum. Die
Rotationsachse dieser Kreiselbewegung wird als Erdachse bezeichnet.
Gleichzeitig reist unser Planet um die Sonne. Ein Sonnenjahr ist
dabei die Zeitspanne, in der die Erde die Sonne einmal komplett
umkreist. Stellt man sich den Bereich innerhalb der Umlaufbahn als
flache Scheibe vor, ergibt sich daraus die Ekliptikebene. Die
Erdachse ist dabei um etwa 23,4° zur Ekliptik geneigt. Diese Neigung
stellt eine entscheidende Rolle für die Existenz der Jahreszeiten auf
unserem Planeten dar und hat direkte Auswirkungen auf die Variation
der Sonneneinstrahlung sowie auf die Tageslänge innerhalb eines
Jahres. (Stünde die Erdachse im rechten Winkel zur Bahnebene, gäbe es
auf der Erde keine Jahreszeiten.)
Während der Tag-und-Nacht-Gleiche schneiden sich nun die Ekliptik der
Sonne (ihre scheinbare Umlaufbahn um die Erde) und der Himmelsäquator
(Schnittlinie der Ebene des Erdäquators mit der gedachten
Himmelskugel). Im Herbstäquinoktium steigt dabei die Sonne über den
Himmelsäquator ab (bzw. überquert von Norden nach Süden den Äquator).
Umgekehrt steigt die Sonne im Frühlingsäquinoktium über dem
Himmelsäquator (von Süden nach Norden) auf. Zu den Äquinoktien steht
die Sonne dabei mittags senkrecht über dem Äquator und geht an diesen
Tagen überall auf der Erde (ausgenommen unmittelbar an den Polen)
fast genau im Osten auf bzw. im Westen unter.
Die theoretische Tag-und-Nacht-Gleiche gilt, weil in der sphärischen
Astronomie Himmelsobjekte vereinfacht betrachtet werden und die
Ausdehnung der Sonnenscheibe ebenso wie Einflüsse der Atmosphäre
unberücksichtigt bleiben. Während der Äquinoktien wird der
geometrische Mittelpunkt der Sonnenscheibe betrachtet, der an diesen
Tagen etwa 12 Stunden oberhalb des Horizontes steht. Da allerdings
die ersten und letzten Sonnenstrahlen eines Tages vom oberen Rand der
Sonnenscheibe ausgehen (und nicht von deren Mittelpunkt), dauert der
Tag also etwas länger als 12 Stunden. Auch die Brechung des
Sonnenlichts durch die Erdatmosphäre verlängert den Tag. Durch dieses
Phänomen kann der obere Rand der Sonne sichtbar sein, auch wenn er
sich knapp unterhalb des Horizonts befindet. Aufgrund dieser
Gegebenheiten dauern der lichte Tag und die Nacht zum Herbstanfang
(ebenso zum Frühlingsanfang) eben nicht exakt gleich lang an.
Stattdessen ist die Nacht um elf Minuten kürzer. Der Kalendertag, an
dem tatsächlich zwölf Stunden lichter Tag und zwölf Stunden Nacht
herrschen, wird Equilux genannt. Dieser liegt für den 50. Breitengrad
(geografische Breite von Mainz) um den 25. September und ist somit um
ein paar Tage in Richtung Wintersonnenwende verschoben.
Zu keiner Zeit des Jahres verändern sich die Tageslängen so schnell
wie um die Äquinoktien im Herbst und im Frühling. Zum Herbstbeginn
nimmt die Tageslänge besonders rasch ab und dieser Effekt ist umso
stärker, je weiter nördlich ein Ort liegt. So verkürzen sich zum
Beispiel um die Tag-und Nacht-Gleiche in Oberstdorf die Tage um 3
Minuten und 23 Sekunden, während in Flensburg zu dieser Jahreszeit
jeden Tag ganze 4 Minuten und 24 Sekunden weniger Tageslicht zur
Verfügung stehen. Doch warum werden die Tage nach der
Sommersonnenwende erst langsam kürzer, dann um das Herbstäquinoktium
schneller, und dann bis zur Wintersonnenwende wieder langsamer?
Dieses Muster ist analog zu einer Pendelbewegung. Ein Pendel ist am
oberen und unteren Wendepunkt langsam, während seine Bewegung genau
in der Mitte zwischen diesen beiden Punkten am schnellsten ist.
Mathematisch gesehen entspricht dieses Muster einer Sinuskurve.
Während also bei der Sommer- und Wintersonnenwende die Tage in
unseren Breiten die Tageslängen nur um jeweils 1 Minute pro Tag
ändern, werden die Nächte Ende September (bzw. die Tage Ende März)
jeweils knapp 4 Minuten länger.
M.Sc.-Met. Sebastian Altnau
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 21.09.2020
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