DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

05-09-2020 10:30

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 05.09.2020 um 10.30 UTC



Im Norden unbeständig und teils windig, im Süden freundlicher, mäßig warm bis
warm.
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Synoptische Entwicklung bis zum Samstag, den 12.09.2020


Zu Beginn des mittelfristigen Zeitraums am kommenden Dienstag dominiert in
weiten Teilen Deutschlands eine Brücke hohen Geopotentials das Wettergeschehen.
Die Brücke verbindet dabei einen ausgeprägten Rücken über dem Ostatlantik mit
hohem Geopotential über Südosteuropa. Bodennah kann sich korrelierend ein
Azorenhochkeil vom Atlantik über Frankreich und Süddeutschland hinweg bis in die
Balkanregion ausdehnen. Allenfalls der Norden und Osten liegen zunächst weiter
im Bereich der Frontalzone. Auf der Südflanke eines großräumigen
Höhentiefkomplexes, der sich von Grönland bis nach Skandinavien erstreckt,
werden bodennah mit einer zonalen westlichen bis nordwestlichen Grundströmung
Randtiefs ostwärts geführt. Am Dienstag steht entsprechend ein Höhentief über
dem Nordmeer mit einem Bodentief über Schweden und der nördlichen Ostsee in
Verbindung, dessen Frontensystem den Norden und Osten Deutschlands ostwärts
überquert. Im Programm stehen dort schauerartiger Regen und auflebender Wind. Im
Küstenumfeld sind starke bis stürmische Böen zu erwarten. Anders im Süden, wo
sich nachts bei kaum einem Lüftchen Nebel breitmachen kann. In den wolkenlosen
Bereichen Süddeutschlands ist dabei auch ein, für den Herbst typischer, größerer
Tagesgang zu beobachten. Während die Temperaturen am Ober- und Hochrhein
tagsüber bis 26 steigen und auch sonst 23 bis 25 Grad vorherrschen, sinkt das
Thermometer nachts auf einstellige Werte ab.

Am Mittwoch schwächelt die Brücke hohen Geopotentials vor allem über West und
Mitteleuropa. Von den Britischen Inseln nähert sich ein Kurzwellentrog an, der
Deutschland in der Nacht zum Donnerstag überquert. Bodennah korreliert der
Kurzwellentrog mit einem Tief, das von der Nordsee über Südskandinavien hinweg
Richtung Baltikum zieht und auf der Südseite auch wieder ein Frontensystem im
Schlepptau hat. Rückseitig des Tiefs dreht die Bodenströmung auf Nordwest und
drück die Kaltfront nach Süden. Einhergehend muss auch der Azorenhochkeil
vorübergehend zurückweichen. Im Umfeld der Kaltfront, die in der Nacht etwa die
mittleren Regionen erreicht, sind erneut schauerartige Regenfälle zu erwarten.
Auch der Wind lebt erneut auf und geht im Küstenumfeld mit starken, lokal auch
stürmischen Böen einher. Die große Nummer wird es allerdings insgesamt nicht.
Die Wolken am Himmel sorgen aber dafür, dass die Temperaturen in der Nacht
weniger stark zurückgehen.

Am Donnerstag ist der unbeständige Spuk langsam aber auch schon vorbei. Der
Kurzwellentrog ist rasch weitergezogen und liegt über Ostpolen. Auf der
Rückseite konnte sich ein schwacher Rücken aufbäumen, dessen Achse sich von
Frankreich über die Nordsee nordwärts erstreckt. Bodennah stärkt der Rücken
sowie die neuerliche Ausbildung einer Brücke hohen Geopotentials wieder den
Azorenhochkeil, der sich abermals über das Land hinweg bis nach Südosteuropa
ausbreiten kann und über Südengland einen Schwerpunkt hat. Da Deutschland auf
der Vorderseite von diesem liegt, ist im Norden und Osten noch eine mäßige
nordwestliche Strömung wetterwirksam. Wiederholt können von der See her Schauer
bis ins nördliche Binnenland vorankommen. Zudem sorgt auch die Kaltfront über
Süddeutschland zunächst noch für vertikale Umwälzungen und somit ausreichend
Hebung für schauerartigen Regen. Allerdings sind beide Phänomene angezählt. Denn
schon in der Nacht zum Freitag dominiert landesweit hochreichend hoher
Luftdruck. Bis auf letzte Schauer in Nordfriesland und Rügen klingen die
Niederschläge ab und die Wolken lockern auf. Vor allem in der Nordhälfte kann
aber eine kühle Luftmasse einfließen. Tagsüber wird es dabei schwer, die
20-Grad-Marke zu knacken und nachts sinken die Werte wieder in den einstelligen
Bereich.

Der Freitag ist aus Wettersicht grundsätzlich ruhig und weniger interessant.
Ausgehend von einem Bodenhoch über Polen und Weißrussland sorgen antizyklonale
und trockene Verhältnisse im Bodenniveau, das meist freundliches Wetter
vorherrscht. Doch die Analyse der Großwetterlage bringt doch etwas Spannung.
Über dem Ostatlantik kann sich zum Freitag ein Langwellentrog weit nach Süden
bis nach Spanien amplifizieren. Vorderseitig stützt der Trog somit den Rücken
über Osteuropa, der sich ebenfalls weiter nordwärts bis in die nördliche Ostsee
hinein aufbäumen kann. Nachfolgend steilt sich die Grundströmung auf.
Deutschland gerät dabei zunehmend auf die Vorderseite des Troges in eine
südwestliche Strömung. Größere Hebungsimpulse sind allerdings zunächst nicht zu
verzeichnen. Erst ausgangs der Nacht zum Samstag sind im äußersten Westen und
Südwesten erste konvektive Signale sichtbar. Mit der Südwestströmung wird auch
ordentlich Wärme ins Land transportiert. Die Temperaturen auf 850 hPa sollen in
der Nacht auf Werte zwischen 8 Grad auf Rügen und bis 18 Grad im Süden des
Landes steigen. Als Folge steht vielerorts nochmals eine recht milde Nacht auf
dem Programm.

Am Samstag rückt der Trog unter Verkürzung der Wellenlänge Deutschland auf die
Pelle und greift mit seiner Achse am Abend auf Westdeutschland über. Bodennah
korreliert der Trog zudem mit einer Kaltfront, die das Land in der ersten
Nachthälfte ebenfalls erreicht. Trog vorderseitige Hebung gepaart mit frontalen
Umwälzungen lassen die Konvektion in die Höhe schießen. Nachfolgend werden in
einem breiten Streifen schauerartig verstärkte, teils gewittrige Niederschläge
simuliert, die das Land bis Sonntagmorgen von Westen kommend ostwärts
überqueren. Rückseitig des Troges soll sich eine zonal geprägte Höhenströmung
ausbilden, die jedoch einige kurzwellige Anteile enthält. Bodennah folgt sogar
rasch ein neues Tief bei Schottland, dessen Frontensystem ausgangs der Nacht
schon über der Nordsee lauert. Zwischen beiden beschriebenen Systemen führt
kompensierendes Absinken bodennah zu Zwischenhocheinfluss und vorübergehende
Wetterberuhigung.
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Die Konsistenz des aktuellen 00 UTC-Laufes des IFS ist als hoch einzuschätzen.
Die großskaligen Strukturen werden insgesamt konsistent abgebildet. Geringe
Abweichungen gibt es bevorzugt abseits des Wettergeschehens in Deutschland.
Einzig deutet der aktuelle Lauf eine etwas raschere Verlagerung der Front und
entsprechender Niederschläge in der Nacht zum Dienstag und am Dienstag selber
an. Erst zum Übergang zur erweiterten Mittelfrist setzen die neuen Läufe auf
eine zonal geprägte Höhenstruktur, während der gestrige 00 UTC-Lauf noch
deutlich mehr meridionale Komponenten bevorzugte.
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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Die großskaligen Strukturen werden von den betrachteten Globalmodellen (IFS,
ICON, GFS, GEM, UKMO) vergleichbar simuliert. Auffällig über den gesamten
mittelfristigen Zeitraum ist bei etwa gleicher Verlagerungsgeschwindigkeit aber
eine leichte Phasenverschiebung der Strukturen. Demnach läuft das GFS dem IFS
etwas voraus, während das ICON meist dem IFS leicht hinterherhinkt. Das GEM ist
noch etwas weiter zurück als das ICON und das UKMO zeigt ähnliche Entwicklungen
wie das IFS. Zudem zeigt das GFS häufig leicht stärkere Amplituden, was
schließlich mit einer etwas größeren meridionalen Komponente einhergeht. Vor
allem das ICON ist anfangs etwas zonaler aufgestellt. Erst ausgangs der
Mittelfrist im Übergang zur erweiterten Mittelfrist gibt das ICON richtig Gas
und lässt das Höhentief deutlich weiter nach Süden ziehen. Entsprechend würde
sich die Strömung noch weiter aufsteilen und die WLA intensiver ausfallen.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Die Rauchfahnen verschiedener Städte in Deutschland zeigen bei einem geringen
Spread bis einschließlich Mittwoch eine hohe Vorhersagegüte. Beim Geopotential
ist bei nur leicht steigendem Spread sogar bis einschließlich Samstag von einer
hohen Güte auszugehen. Bei der 850 hPa Temperatur gibt es am Donnerstag im
Norden und der Mitte gewisse Unsicherheiten bezüglich des genauen
Temperaturverlaufs. Durch zwei Äste größere Drängung wird das ENS bei einem
Spread von etwa 12 Grad vorübergehend deutlich aufgespannt. Ab Samstag ist für
die Temperatur einhergehend mit dem nahenden und übergreifenden Trog mit
entsprechenden Unsicherheiten keine seriöse Vorhersage mehr möglich. Die
Meteogramme stützen die Rauchfahnen, indem sie bis Samstag sehr kleine Box-Plots
ausweisen. Ab Samstag werden die Plots analog zu den Unsicherheiten aber
signifikant gespreizt.

Bei der Analyse der großskaligen Strukturen können die Unsicherheiten in dem
Zeitraum von +72 bis +96h mithilfe von drei Cluster beschrieben werden. Diese
können dabei alle in das übergeordnete Schema eines atlantischen Rückens
einsortiert werden und weisen daher auch kaum Unterschiede auf. Vor allem für
das Wetter in Deutschland zeigen die Cluster vergleichbare Verhältnisse.
Abweichungen betreffen bevorzugt den westlichen Mittelmeerraum sowie den Trog
auf dem Atlantik.
Im Zeitraum von +120 bis +168h werden vier Cluster benötigt, die Abweichungen im
Geopotential- und Luftdruckfeld über dem Atlantik und Europa ausreichen zu
erklären. Allerdings sind die Unterschiede weiter eher gering, sodass alle
Cluster im Verlauf der Periode vom Schema eines atlantischen Rückens in das
einer positiven NAO, also zonalen Verhältnissen wechseln. Mit Bezug auf das
Wetter in Deutschland gibt es aber durchaus kleine aber feine Abweichungen.
Dabei stützt das Cluster 2 mit 14 Mitgliedern die Entwicklungen des Hauptlaufes
und des Kontrolllaufes. Bei Cluster 1 mit 16 Member sind die Strukturen zunächst
zum ICON vergleichbar weniger amplifiziert, also glatter. Der Trog am Donnerstag
dehnt sich weniger stark südwärts aus und der schwächer gerechnete Rücken
gleichermaßen weniger stark nach Norden. Nachfolgend würde im Süden insgesamt
ruhiges Wetter dominieren, während der Norden wiederholt von Regenfällen
heimgesucht werden könnte. Cluster 3 stützt Cluster 2 und Cluster 4 zeigen
ähnliche Entwicklungen zu Cluster 1. Ab Samstag ist dann bei Cluster 1 und
Cluster 4 analog zum ICON eine kräftige Amplifizierung des Troges über dem
Atlantik zu beobachten.
In der erweiterten Mittelfrist von +192 bis +240h gehen die Strukturen dann
zunehmend wild durcheinander. Auch bei den Schemata sind keine einheitlichen
Linien mehr zu erkennen. Dennoch reichen wohl drei Cluster aus, die
Unsicherheiten im Geopotential- und Luftdruckfeld wiederzugeben. Cluster 1 mit
dem Kontrolllauf und insgesamt 21 Mitgliedern lassen einen Kurzwellentrog unter
Verkürzung der Wellenlänge rasch ostwärts steuern und über der Balkanregion
sogar abschnüren. Dieser Prozess stützt weiter westlich wieder einen Rücken, der
schließlich wieder eine Brücke hohen Geopotentials ausbildet. Im Grundprinzip
würde sich eine High over Low Situation mit tiefem Geopotential und Luftdruck
über dem Mittelmeerraum und hohem Geopotential und Luftdruck über Nordwest-
Mittel und Osteuropa ausbilden. Das zweite Cluster mit dem Hauptlauf und 17
Member beschreibt die Weiterentwicklung von Cluster 2 aus dem vorangegangenen
Zeitraum. Auch hier sollen sich über dem Kontinent festgefahrene Verhältnisse
einstellen, indem sich ein Langwellentrog zwecks Blockierung über Osteuropa über
den Britischen Inseln und der Nordsee einrichtet und höchstens südwärts
amplifiziert. Hier würde Deutschland zunächst länger auf der Vorderseite des
Troges und im Verlauf im Trogbereich selber liegen. Cluster 3 mit 13 Mitgliedern
zeigt ähnliche Ansätze wie Cluster 2. Zusammen übertrumpfen sie mit 30 Member
sogar die Aussagekraft von Cluster 1.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


Vom EFI gibt es zur Wochenmitte allenfalls schwache Hinweise für
überdurchschnittliche Windgeschwindigkeiten im Nordosten von Deutschland.

Auch von der Probabilsitik gibt es am Dienstag im Küstenumfeld Signale für
markante Windspitzen. Direkt an der Küste zeigen beim ICON-EPS 5 bis 30%, an der
Ostsee exponiert bis 75% der ENS-Läufe stürmische Böen oder Sturmböen. Beim
EZ-EPS sind es für gleiche Spitzen 2 bis 25%, exponiert 50% und beim C-Leps 10
bis 50%, exponiert bis 80%. Am Mittwoch stützen modellübergreifend nur noch 2
bis 20, lokal bis 255 entsprechende markante Böen.
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Basis für Mittelfristvorhersage
EZ-EPS, det. EZ, MosMix
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Lars Kirchhübel