Thema des Tages

01-09-2020 08:20

Die Ana-Kaltfront

Im heutigen Thema des Tages wird anhand eines Beispiels die
sogenannte Anafront vorgestellt.

Tiefdruckgebiete der mittleren Breiten werden gewöhnlich von
Wetterfronten begleitet, die einen Luftmassenwechsel einleiten. Dabei
wird bekanntlich zwischen Warm- und Kaltfronten sowie Okklusionen
(Mischfronten) unterschieden. In Zeitungswetterkarten oder im
TV-Wetterbericht sind sie als farbige Linien gekennzeichnet: rot mit
Bäuchen (Warmfront), blau mit Zacken (Kaltfront), pink mit Bäuchen
und Zacken (Okklusion). Die Lage der Fronten ist sowohl für uns
Meteorologen als auch für Sie von großer Bedeutung, da Fronten oft
mit Niederschlägen verbunden sind. Diese kommen durch Hebungsvorgänge
zustande, da bei einer Warmfront die leichtere Warmluft auf die
schwerere sich am Boden befindliche Kaltluft aufgleitet oder sich bei
einer Kaltfront die kältere Luft unter die Warmluft schiebt.

Aber wussten Sie eigentlich, dass es sogar unterschiedliche Arten von
Kaltfronten gibt? Wir unterscheiden zwischen Kata-Kaltfronten (kurz:
Katafront) und Ana-Kaltfronten (kurz: Anafront). Im heutigen Thema
des Tages erklären wir anhand eines Beispiels die Eigenschaften der
Anafront. Bei diesem Kaltfronttyp gleitet die Warmluft auf die
einfließende Kaltluft auf (siehe Skizze 1), weshalb die Anafront auch
als Aufgleitfront (griech.: ana - hinauf) bezeichnet wird.
Gleichzeitig schiebt sich die Kaltluft keilförmig unter die Warmluft
und sinkt hinter der Bodenfront ab.

Der wichtigste Unterschied zur Katafront ist, dass der Großteil der
Niederschläge an und hinter der Front fällt (siehe Skizze 2). Direkt
vor der Kaltfront ist die Aufstiegsbewegung am stärksten (dicker
roter Pfeil in Skizze 2). Dadurch entsteht häufig parallel zur
Bodenfront eine wenige Kilometer breite Schauerlinie. Eine besonders
eindrucksvolle Anafront formierte sich bei Orkantief VICTORIA am
Abend des 16. Februar dieses Jahres. Wie mit dem Fineliner gezogen
erkennt man eine markante Schauerlinie auf dem Radarbild, die sich
von der Westküste Frankreichs bis zur Schleswig-Holsteinischen
Ostseeküste erstreckt. Hinter der Front ist die Vertikalbewegung
deutlich schwächer, die Warmluft gleitet also gemächlich oberhalb der
einfließenden Kaltluft auf (dünner roter Pfeil). Dadurch entsteht ein
breites Band mit leichten bis mäßigen Niederschlägen, das ebenfalls
gut auf dem Radarbild zu sehen ist. Vor der Front blieb es trocken.

Da der Niederschlag bei der Katafront größtenteils in die
einfließende Kaltluft fällt, kommt es durch Verdunstung der
Regentropfen (bzw. Sublimation von Schneekristallen) zu einer
weiteren Abkühlung. Somit ist bei Frontdurchgang mit einem deutlichen
Temperaturrückgang zu rechnen. Im Vorfeld der Kaltfront von Orkantief
Victoria war es mit bis zu 18 Grad für die Jahreszeit außerordentlich
mild (siehe Temperaturwerte im unteren kombinierten Radarbild). Dabei
fällt auf, dass es direkt vor der Front wärmer war als etwas weiter
von der Front entfernt. Hinter der Kaltfront war es mit etwa 8 Grad
fast 10 Grad kühler. Durch den Feuchteeintrag der verdunstenden
Regentropfen ist der Feuchterückgang an der Front meist nur gering.
Manchmal (wie im Falle der hier vorgestellten Katafront) steigt der
Wassergehalt der Luft sogar an. Dadurch ist an und hinter der
Anafront die Sicht oft herabgesetzt.
Durch erhöhte Baroklinität (siehe DWD-Lexikon) in der Grenzschicht
bildet sich vor der Front häufig ein Starkwindband in den untersten
1000 m der Atmosphäre, der sogenannte "Low Level Jet". Durch
vertikale Umlagerungen können die hohen Windgeschwindigkeiten im
Bereich der Schauerlinie bis zum Boden heruntergemischt werden,
sodass der Wind an der Front für einige Minuten stürmisch aufleben
kann. Vor der Kaltfront vom 16. Februar war der Low Level Jet sogar
so mächtig, dass er schon bis zu 100 Kilometer vor der Front
zeitweise bis zum Boden durchschlug, sodass es vielerorts noch
innerhalb der Warmluft zu stürmischen Böen bis hin zu schweren
Sturmböen kam.

Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal zwischen Ana- und Katafront ist
die Lage der Front relativ zum Jetstream, einem Starkwindband in der
oberen Troposphäre (ca. 10 km Höhe). Im frühen Stadium einer
Tiefentwicklung liegt der Jetstream noch nahezu parallel zur
Kaltfront, sodass die Warmluft an der Kaltfront ungehindert
aufgleiten kann. Im weiteren Verlauf vergrößert sich in der Nähe des
Tiefdruckzentrums der Winkel zwischen Jetstream und Kaltfront und die
Front entwickelt sich allmählich zur Katafront, worüber es in diesem
Tagesthema aber nicht gehen soll.

Zum Abschluss betrachten wir noch den Frontdurchgang anhand der
Messwerte der Wetterstation der Universität Bonn (siehe Diagramme).
Kurz nach 20 Uhr Ortszeit überquerte die Front die Bundesstadt.
Innerhalb weniger Minuten fiel die Temperatur von knapp 18 Grad auf
unter 10 Grad ab. Da die einfließende Kaltluft aufgrund ihrer
Temperatur eine größere Dichte besitzt, stieg der Luftdruck an der
Front schlagartig um etwa 3 hPa an. Gleichzeitig drehte der Wind
sprunghaft von Südwest auf Nordwest (zyklonaler Windsprung).

Wenn sich Deutschland in den nächsten Wochen mal wieder eine
Kaltfront nähert, werfen Sie doch einfach mal einen Blick aufs
Radarbild, vielleicht können Sie ja eine Anafront identifizieren?


Dr. rer. nat. Markus Übel (Meteorologe)
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 01.09.2020

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