DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

27-07-2020 11:01

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Montag, den 27.07.2020 um 10.30 UTC



Zum Wochenende vorübergehend sonnig und hochsommerlich warm, vor allem in der
Südwesthälfte Hitze wahrscheinlich. Zunächst nur einzelne, am Sonntag
verbreiteter Gewitter mit Unwettergefahr. Kommende Woche kühler und unbeständig.

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Synoptische Entwicklung bis zum Montag, den 03.08.2020


In der Mittelfrist wird dem nächsten, (sehr) kurzen Hitzeintermezzo mit
Höhepunkt am Samstag oder Sonntag durch mitunter kräftige Gewitter ein jähes
Ende gesetzt. Was folgt ist eine weitere wechselhafte Wetterphase mit
Temperaturen wahrscheinlich nicht weit von klimatologischer Normalität. In
Punkto "unspektakulärer Unbeständigkeit" gibt sich der Sommer 2020 also
weiterhin keine Blöße.

Das Hitzeintermezzo ist in einer vorübergehenden stärkeren Meridionalisierung
der Großwetterlage begründet. Diese nimmt schon zu Beginn der Mittelfrist am
kommenden Donnerstag ihren Lauf. Initiator ist eine relativ starke Zyklogenese
an der Frontalzone über dem mittleren Nordatlantik. WLA, die auf der Vorderseite
des hochreichenden Tiefs in Gang kommt, kräftig einen Rücken, der sich folglich
vom westlichen Mittelmeerraum ausgehend über Frankreich und die westliche
Nordsee bis in das Nordmeer ausweiten kann. Zwischen diesem Rücken und einem von
der Baltischen See nach Nordwestrussland ziehenden Höhentief liegt Deutschland
unter einer nordwestlichen Höhenströmung, die nach Nordosten zu noch leicht
zyklonal konturiert ist. Am Boden kann sich aus dem Azorenhochkeil durch
zunehmende NVA auf der Vorderseite des sich kräftigenden Rückens eine Hochzelle
abspalten, die sich mit ihrem Schwerpunkt von Westen nach Nordwestdeutschland
schiebt. Mit nördlicher bis nordwestlicher Strömung gelangen vor allem in den
Norden und Nordosten noch feuchte und eher kühle Meeresluft (T850 4-8 Grad), die
durch die kurzwelligen Troganteile etwas gehoben wird. Viele Wolken und
gebietsweise leichte Niederschläge sind die logische Konsequenz. Zudem bleibt
zwischen der Hochzelle und einem Sturmtief über Finnland anfangs noch ein
nennenswerter Gradient erhalten, sodass es dort ziemlich windig sein wird. Im
großen Rest des Landes macht sich bereits das Absinken bemerkbar, das nicht nur
für freundliches, sondern nach wärmeres Wetter sorgt (T850 auf 8-15, im
Südwesten bis auf 18 Grad ansteigend). Vor allem am Oberrhein sind örtlich über
30 Grad wahrscheinlich.

Am Freitag zieht das hochreichende, für die Jahreszeit ungewöhnlich kräftige,
steuernde Zentraltief (985-hPa-Kernisobare) über das Seegebiet knapp südlich von
Island. Fortwährende WLA kräftig den vorgelagerten Rücken weiter, sodass er sich
bis nach Spitzbergen ausweiten, mit seiner Achse aber nur noch langsam westwärts
bis nach Benelux und zur Deutschen Bucht schwenken kann. Auch das
korrespondierende Hoch zieht sich in die Länge und liegt mit seiner
Divergenzachse bis Freitagabend bereits über Nordostdeutschland. Der Zustrom
feuchter, kühler Meeresluft reißt somit auch im Norden und Nordosten ab, sodass
sich auch dort allmählich freundlicheres und trockenes Wetter durchsetzen kann.
Nach Südwesten zu scheint die Sonne meist ungestört. Die Erwärmung macht weitere
Fortschritte, T850 steigt auf rund 10 Grad im Nordosten und gut 20 Grad ganz im
Südwesten. Höchstwerte zwischen 30 und 35 Grad sind in der Südwesthälfte
verbreitet zu erwarten - und damit entsprechend hohe Wärmebelastung.

Am Samstag schwenkt der Rücken nach Deutschland. Die Westhälfte gelangt bereits
auf die Vorderseite des Troges, der ausgehend vom Zentraltief bei Island bis zur
Biskaya reicht, in eine südwestliche Höhenströmung. WLA, im Verlauf eventuell
auch PVA durch erste kurzwellige Troganteile, lässt den Luftdruck fallen, sodass
sich von Frankreich her eine Tiefdruckrinne nach Deutschland schieben kann. Die
Divergenzachse der Hochdruckzone verabschiedet sich gezwungenermaßen nach Polen
und Tschechien. Damit ist der Weg frei für niedertroposphärische Advektion
heißer Subtropikluft. T850 liegt von Nordost nach Südwest zwischen 14 und 22
Grad. Da zunächst noch verbreitet die Sonne scheint, werden Höchsttemperaturen
zwischen 30 und 35 Grad verbreitet erreicht - mit Ausnahme des Norden und
Nordostens. Am Oberrhein steigt das Quecksilber eventuell noch etwas höher, 37,
vielleicht 38 Grad sind nach jetzigem Stand im Bereich des Möglichen. Zumindest
im Südwesten und Westen wird die Luft allerdings bereits labilisiert, sodass
sich orographisch oder an der Konvergenzzone in der Rinne erste, vereinzelte
Gewitter bilden können. In der heißen, zunehmend feuchten, allerdings zunächst
nur schwach gescherten Luftmasse stehen Starkregen und Hagel mit örtlichem
Unwetterpotenzial im Fokus.

Am Sonntag schwenkt der Rücken nach Polen und Tschechien, sodass ganz
Deutschland auf der Vorderseite des Westeuropatroges in die südwestliche, mit
kurzwelligen Troganteilen ausgestattete südwestliche Höhenströmung gelangt.
Durch das leicht progressive Trog-Rücken-Muster schiebt sich auch die Rinne
langsam nach Osten vor. Ihr folgt von Nordwesten die Kaltfront des sich langsam
auffüllenden Zentraltiefs bei Island. Während im Nordwesten postfrontal schon
kühlere Meeresluft einsickert (T850 auf 10 bis 6 Grad absinkend), bleibt sonst
noch die schwül warme bis heiße und instabile Subtropikluft wetterbestimmend, in
der es von West nach Ost recht verbreitet zu Schauer und Gewittern kommt
(eventuell auch schon in der Nacht zum Sonntag). Diese können sich aufgrund
zunehmender Scherung möglicherweise auch besser organisieren, sodass nicht nur
wegen Starkregen und Hagel, sondern auch durch Gewitterböen Unwettergefahr
besteht. Höchsttemperaturen über 30 Grad gibt es am ehesten noch im Osten und
Südosten.

Ab Montag wird die Vorhersage unsicherer. Unklar ist, wann und in welcher
Ausprägung der Trog von Westen auf Deutschland übergreift. Wahrscheinlich
bleiben wir zu Beginn der Woche noch einige Zeit trogvorderseitig, sodass sich
Reste der feucht warmen und instabilen Luftmasse zumindest der Süden und
Südosten halten können (Gewitter-/Unwettergefahr). Bis Wochenmitte wird der Trog
bzw. ein aus dem Trog hervorgehendes Cut-Off aber nach Deutschland schwenken und
für kühleres (recht normal temperiertes) Schauerwetter sorgen.
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Die jüngsten Läufe des IFS rechnen bis Montag recht konsistent. Folglich ist ein
kurzes Hitzeintermezzo am Wochenende mit Höchsttemperaturen von 30 bis 35, am
Oberrhein auch darüber, als wahrscheinlich anzusehen. In Bezug auf das
Übergreifen und Hinwegschwenken der Tiefdruckrinne mit teils unwetterartigen
Gewittern und nachfolgender Abkühlung im Verlauf des Wochenendes und am Montag
bestehen noch kleinere Unschärfen im Timing. Im gestrigen IFS00Z-Lauf geschah
dies mit rund 12-stündiger Verzögerung im Vergleich zum IFS12Z- und heutigen
IFS00Z-Lauf.
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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Die Simulationen von ICON und GFS ähneln der von IFS im Hinblick auf die
synoptischen Basisfelder bis zum Wochenende sehr. Kleinere Timingunterschiede
beim Übergreifen der Rinne bzw. des nachfolgenden Troges zeigen sich aber auch
da (ICON 6-12 h langsamer als IFS und GFS). Zudem fällt die Warmluftadvektion
bei GFS etwas schwächer aus als bei ICON und GFS. Während sich bei ICON und IFS
die 20-Grad-Isotherme auf der 850-hPa-Druckfläche bei vergleichbarem
Geopotenzial größerflächig im Süden und Südwesten zeigt, taucht sie bei GFS nur
kurz im Alpenvorland auf.
Im Gegensatz zu IFS (länger Trogvorderseite/Südwestlage, später Troglage)
rechnet GFS danach ein rasches Übergreifen des Troges und nachfolgende
Zonalisierung/Westlage mit warmem, teils antizyklonalem Süden und mäßig warmen,
unbeständigem Rest.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Bis Sonntag bestätigt das IFS-EPS das oben beschriebene Szenario des
deterministischen IFS00Z-Laufes.
Die Rauchfahnen des 500-hPa-Geopotenzials (H500) und der 850-hPa-Temperatur
(T850) verlaufen meist eng gebündelt (Geopotenzialpeak Fr/Sa, Temperaturpeak
Sa/So). Nur im Norden und Nordosten weiten sich die Rauchfahnen für T850 bereits
am Wochenende etwas stärker auf. Für Hamburg beispielsweise reicht die Range der
EPS-Member am Samstag immerhin von 9 bis 19 Grad, wobei sich sowohl der Haupt-
als auch Kontrolllauf gut eingebettet nahe des Medians bei etwa 14 Grad
wiederfinden.
Ab Montag nimmt der Spread allgemein zu. Ein Teil der Member sacken sowohl bei
H500 als auch bei T850 bis Wochenmitte sukzessive und teils sehr deutlich ab,
der andere Teil sieht nur einen vorübergehenden, schwachen Rückgang.
Bei den Niederschlagssignalen herrscht Donnerstag und Freitag meist Flaute.
Erste schwache Signale tauchen am Samstag vor allem im Westen auf. Ab Sonntag
sind dann deutschlandweit und täglich Niederschlagssignale erkennbar, wobei sie
eigentlich nur im Süden wirklich signifikant ausfallen.

Das EPS-Clustering liefert für den Zeitraum +72-96h lediglich 1 Cluster, welches
den Übergang von "Atlantic Ridge" zu "Negative NAO" vollzieht. Auch im Zeitraum
+120h-168h wird nur ein 1 Cluster angeboten ("Negative NAO"). Im Zeitraum
+192-240h verteilt sich das EPS auf 3 Cluster. C1 (24+CL/51) wird der Klasse
"Positive NAO" zugeordnet. C2 (15/51) verbleibt zwar in der Klasse "Negative
NAO", für Deutschland ergibt sich aber wie in C1 eine leicht flatternde, vor
allem nach Norden zu zyklonale Grundströmung. C3 (10+HL/51) vollzieht einen
Übergang von "Atlantic Ridge" zu "Blocking". Deutschland liegt dabei zunächst
unterhalb, später rückseitig eines stärker amplifizierten Troges.

FAZIT: Bis Sonntag steht der grobe Fahrplan. Dieser sieht ab Donnerstag, im
Norden und Nordosten ab Freitag zunächst viel Sonnenschein und eine recht zügige
Erwärmung vor. In der Südwesthälfte ist ein kurzes Hitzeintermezzo von in der
Fläche 2 Tagen wahrscheinlich. Entlang des Rheins sind 3, vor allem am Oberrhein
lokal auch 4 Tage möglich. Ob die 35-Grad-Marke geknackt wird, ist noch nicht
ganz sicher, am ehesten passiert dies aber zwischen Breisgau und
Rhein-Main-Gebiet. Weiter nach Norden und Osten ist das Hitzeintermezzo
allenfalls eine Eintagsfliege, ganz im Norden und Nordosten ist ein Hitzetag gar
wenig wahrscheinlich, aber zumindest nicht ausgeschlossen. Erste Gewitter wird
es am Samstag vornehmlich über den Bergen im Südwesten und Westen geben, ab der
Nacht zum Sonntag dann recht verbreitet. Ob der Nordwesten tatsächlich komplett
außen vor bleibt, muss noch abgewartet werden. Hier bestehen noch
Timingunterschiede der übergreifenden Rinne und nachfolgenden Kaltfront.
Wie es danach weitergeht, ist unklar. Letztendlich lassen sich zwei mögliche
Szenarien ausmachen. (1) Übergang von einer Süd-/Südwestlage zu einer recht
kühlen, wechselhaften Trog/Trograndlage (ähnlich IFS00Z). (2) Übergang zu einer
neuerlichen, mäßig warmen Westlage mit Vorteilen für den Süden bezüglich Sonne
und Wärme (ähnlich GFS00Z).
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


Der EFI liefert Signale für ungewöhnlich hohe Tmax und Tmin für die
Südwesthälfte am Freitag und Samstag. In Bezug auf die Dauer reicht das zwar
nicht aus, um von einer Hitzewelle zu sprechen, ungeachtet davon dürfte die
WÄRMEBELASTUNG aber vorübergehend sehr stark ausfallen.

EFI-Signale für CAPE und CAPESHEAR gibt es für Deutschland keine. In Anbetracht
der synoptischen Ausgangslage sind am Samstag (Südwesten und Westen) und Sonntag
(verbreitet) dennoch STARKE GEWITTER ins Kalkül zu ziehen. Insbesondere aufgrund
von STARKREGEN und HAGEL besteht zumindest lokal UNWETTERgefahr. Für eine
überregionale Unwetterlage fehlt es in den Modellen zurzeit noch an entsprechend
guter Überlappung von Labilität und Scherung, die organisierte Konvektion
zulassen würde. Dies kann sich natürlich bis zum Wochenende noch ändern.
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Basis für Mittelfristvorhersage
IFS-EPS, IFS-MIX
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Adrian Leyser