Thema des Tages
24-07-2020 08:20
Radiosondenaufstieg für Fortgeschrittene, oder: Etwas mehr
(Kondensations-) Niveau!
Nach dem Einführungsartikel "Radiosondenaufstieg für Einsteiger"
Anfang des Monats, tauchen wir im heutigen Thema des Tages etwas
tiefer in die Materie ein.
Bevor Sie vielleicht jetzt schon die Flinte ins Korn werfen möchten,
da Sie sich eventuell nicht zum Kreise der Fortgeschrittenen zählen,
keine Sorge! Wenn Sie das "Aufbau-Thema-des-Tages" vom 03.07.2020
(siehe https://www.dwd.de/DE/wetter/thema_des_tages/2020/7/3.html)
gelesen und einigermaßen verstanden haben, sind Sie bestens
gewappnet. Im damaligen Artikel wurden zwar schon einige wichtige
Linien im sogenannten Skew-T Diagramm erklärt, ein paar ebenso
wichtige Linien blieben aber noch offen.
Dazu zählen z.B. die Trocken- und Feuchtadiabaten. Was sich höchst
kompliziert anhört, ist eigentlich relativ simpel: Es handelt sich
schlicht um Linien, auf denen die Temperatur um einen bestimmten Wert
mit der Höhe abnimmt. Bei den Trockenadiabaten (dunkelrote,
durchgezogene, leicht gebogene Linien von rechts unten nach links
oben) beträgt diese Abnahme 1 Grad pro 100 m, bei den Feuchtadiabaten
(grüne, durchgezogene, leicht gebogene Linien von unten nach oben
links) 0,65 Grad pro 100 m.
Allgemein kann man sagen, dass die Temperatur der Luft beim
Aufsteigen um 1 Grad pro 100 m abkühlt und zwar so lange, bis sie den
in ihr befindlichen Wasserdampf nicht mehr "halten" kann. Die Luft
ist dann gesättigt und in der Folge kommt es zur Wolkenbildung, wobei
Energie in Form von Wärme frei wird. Dadurch verlangsamt sich die
Abkühlung der Luft bei ihrem weiteren Aufstieg und beträgt nur noch
0,65 Grad pro 100 m.
Übertragen wir das nun in unser Skew-T Diagramm. Beim Aufstieg der
Luft vom Boden aus würde sich ihre Temperatur zunächst entlang der
von dort (imaginär) startenden Trockenadiabate in die Höhe bewegen,
ehe sie ab der einsetzenden Wolkenbildung auf die dort (imaginär)
kreuzende Feuchtadiabate überspringt (entspricht den blauen
Aufstiegskurven 1 und 2 in beigefügter Grafik unter
https://bit.ly/2E8RPz6 ). An dem Wörtchen "imaginär" merken Sie
schon, dass es sich bei den im Diagramm standardmäßig eingezeichneten
Trocken- und Feuchtadiabaten - wie auch bei allen anderen Linien - um
eine reine Orientierungshilfe handelt. Anhand derer fällt es etwas
leichter, die entsprechende Trocken- und Feuchtadiabate für den
betrachteten Fall einzuzeichnen.
Zur letzten Liniengruppe, die wir jetzt noch benötigen, um dann
beispielsweise die Höhe bestimmen zu können, ab der sich am
Radiosondenstandort Wolken bilden können, gehören die Linien des
gleichen Sättigungsmischungsverhältnisses. Dabei handelt es sich um
die grünen, gestrichelten Linien, die von links unten nach rechts
oben verlaufen. Das Sättigungsmischungsverhältnis gibt die maximale
Menge an Wasserdampf in Gramm an, die ein Kilogramm trockene Luft
aufnehmen könnte, bevor Sättigung, also Wolkenbildung eintritt (grüne
Zahlen am unteren Rand der Grafik).
Bei einer Starttemperatur von 25 Grad, könnte sie max. 20 g
Wasserdampf (immer bezogen auf ein Kilogramm trockene Luft)
aufnehmen, ehe es zur Wolkenbildung kommt. Jetzt kommt es noch auf
den Taupunkt der Luft beim Start an. Liegt dieser zum Beispiel bei 15
Grad, bedeutet das, dass die Luft bereits etwa 10 g Wasserdampf intus
hat und folglich nur noch 10 g Wasserdampf benötigt, um "satt" zu
sein.
Die Wolkenuntergrenze bei zum Aufstieg "gezwungener" Luft (auch
Hebungskondensationsniveau, kurz HKN genannt) erhält man nun durch
den Schnittpunkt der Trockenadiabate ausgehend von der
Start-Temperatur der Luft mit der Linie gleichen
Sättigungsmischungsverhältnisses ausgehend vom Start-Taupunkt der
Luft. An diesem Schnittpunkt ist die Luft nämlich soweit abgekühlt,
dass sie maximal noch so viel Wasserdampf halten kann, wie sie zu
Beginn bereits in sich trug.
Das HKN liefert eine wichtige Basis für weitere Analysen. Zum
Beispiel lässt sich damit das sogenannte Niveau der freien Konvektion
(kurz: NFK) bestimmen. Ab dieser Höhe würde die zuvor nur unter Zwang
aufgestiegene Luft automatisch weiter in die Höhe schießen. Warum das
so ist und wie man damit auf den potentiellen Energiegehalt der
Luftmasse schließen kann, lesen Sie in einem der nächsten Themen des
Tages.
Dipl.-Met. Tobias Reinartz
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 24.07.2020
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