Thema des Tages
08-07-2020 14:50
Windiges Wetter mitten im Hochsommer - Woran lag das?
Am vergangen Sonntag und Montag war es vielerorts ziemlich windig und
das Wetter erinnerte eher an Frühherbst als an Hochsommer. Im
heutigen Tagesthema gehen wir den Ursachen hierfür auf den Grund.
Wenn Sie nicht gerade im Süden von Deutschland waren, haben Sie es am
vergangenen Sonntag und Montag sicher bemerkt, dass Ihnen ein
kräftiger und teils böiger Wind um die Ohren pfiff, an Nord- und
Ostsee war es sogar richtig stürmisch, sodass dort wenig Badestimmung
aufkam. Und das mitten im Hochsommer, also in einer Jahreszeit, in
der solch windiges Wetter eher unüblich ist. Wie es dazu kam, schauen
wir uns im heutigen Tagesthema an. Dabei werden wir feststellen, dass
die Böen am Sonntag und Montag durchaus unterschiedliche Ursachen
hatten.
Werfen wir zunächst einen Blick auf die Spitzenböen (stärkste Böe des
Tages). An beiden Tagen zeigt sich ein ähnliches Bild. Sowohl am
Sonntag (5. Juli) als auch am Montag (6. Juli) kam es vor allem im
Norden und in der Mitte Deutschlands verbreitet zu steifen
(Windstärke 7) oder stürmischen Böen (Windstärke 8), an den Küsten
von Nord- und Ostsee traten sogar (schwere) Sturmböen (Windstärke 9
bis 10) auf (Abb. 1+2).
Bevor wir uns die einzelnen Tage im Detail ansehen, klären wir
zunächst, wie Wind und dessen Böigkeit entsteht. Grundsätzlich ist
die Natur stets bestrebt, Gegensätze in der Atmosphäre auszugleichen.
Haben sich nun Hoch- und Tiefdruckgebiete gebildet, übernimmt der
Wind die Rolle, die fehlende Luft in Tiefdruckgebieten und den
Überschuss in Hochs auszugleichen. Dabei weht der Wind umso stärker,
je größer die Druckunterschiede zwischen Hoch und Tief auf einer
gewissen Distanz sind. Insbesondere die mittlere Windgeschwindigkeit
(Mittelwind) ist eng an die horizontalen Druckunterschiede gekoppelt.
Für die Böigkeit spielen weitere Faktoren eine Rolle (nähere Details
im Tagesthema vom 7. Juni). Ein wichtiger Faktor ist die thermische
Schichtung. Ist die Luft in höheren Atmosphärenschichten deutlich
kälter als die Luft in Bodennähe, spricht man in der Meteorologie von
einer labilen Schichtung (im Gegensatz zur stabilen Schichtung). Auch
diesen Gegensatz versucht die Atmosphäre auszugleichen, indem die
warme Luft aufsteigt und zum Ausgleich die kalte Luft absinkt
(vertikale Umlagerungen). Da der Wind in der Höhe gewöhnlich stärker
weht als in Bodennähe, werden die hohen Windgeschwindigkeiten aus
größeren Höhen "heruntergemischt". Dadurch entstehen Böen, also
kräftige Windstöße.
Kommen wir nun zum Sonntag. Das für Juli recht kräftige Sturmtief
VERENA zog von Schottland nach Norwegen. Am frühen Nachmittag (14 Uhr
MESZ) lag es etwa bei Bergen ("T" in Abb. 3). Demgegenüber dehnte
sich ein Keil des Azorenhochs bis in den Süden Deutschlands aus. So
entstand über Deutschland ein für den Hochsommer ungewöhnlich großer
Luftdruckunterschied - zwischen Sylt und Basel stolze 20 hPa! Im
Norden und in der Mitte war der Druckunterschied größer als im Süden.
Damit haben wir den "Täter" für das regelrechte "Dauergebläse"
identifiziert. Die Kaltfront von Tief VERENA griff erst am Nachmittag
von der Nordsee auf Deutschland über. Zuvor wurde es mit 25 bis 29
Grad sommerlich warm, nur im Nordwesten war es mit 19 bis 24 Grad
schon etwas kühler. Zusätzlich zum zeitweise frischen Wind
(Mittelwind) war der Wind auch recht böig, sodass es - für Juli eher
unüblich - verbreitet und vor allem wiederholt zu starken, vereinzelt
auch stürmischen Böen kam. Allerdings wären bei derartigen
Mittelwinden durchaus deutlich heftigere Böen denkbar. Dass es dazu
nicht kam, lag an der thermischen Schichtung der subtropischen
Luftmasse. In 500 hPa (etwa 5,7 km Höhe) war die Luft für diese Höhe
mit -6 bis -8°C sehr "warm". Die Atmosphäre war also sehr stabil, was
noch stärkere Böen verhinderte. Zudem befand sich in etwa 1,5 km Höhe
eine Inversion (Temperaturanstieg mit der Höhe), die hochreichende
vertikale Umlagerungen unterdrückte. Das erklärt auch, warum es an
der Kaltfront keinen nennenswerten Regen gab. Allerdings formierte
sich im Vorfeld der Kaltfront in etwa einem Kilometer Höhe ein
Starkwindband (ein "Low-level Jet"), sodass uns selbst kleinere
vertikale Umlagerungen ohne Niederschlag die starken bis stürmischen
Böen bescherten. Noch stärkere Böen gab es nur auf den
Mittelgebirgsgipfeln (z.B. 110 km/h auf dem Brocken) und an der
Küste, da dort der Wind über der See nicht durch Hindernisse
abgebremst wird.
Bis zum Montag änderte sich die Wetterlage. VERENA zog nordostwärts
nach Schweden und Deutschland gelangte auf die Rückseite. Ihre
Kaltfront erreichte bis zum Nachmittag die Alpen, sodass auch im
Süden die 20-Grad-Marke nur noch wenig überschritten wurde, im Norden
und Nordwesten war es mit 17 bis 19 Grad relativ kühl. Mit dem
abziehenden Tief nahm der Druckunterschied über Deutschland ab, er
betrug am Nachmittag zwischen Rügen und Basel nur noch 13 hPa.
Gegenüber Sonntag wehte folglich der Mittelwind etwas schwächer.
Dennoch kam es erneut vor allem im Norden und in der Mitte zu
ähnlichen, an manchen Orten sogar noch etwas stärkeren Spitzenböen
als am Vortag. Dies ist durch die nun labilere Schichtung zu
erklären. Denn mit Durchschwenken des Höhentrogs sank die Temperatur
in der Höhe deutlich stärker als am Boden. Wo es am Sonntag in 500
hPa noch -6 bis -8°C warm war, sank die Temperatur in der Nordhälfte
Deutschlands dort binnen 24 Stunden auf -20 bis -23°C (Abb. 4).
Dadurch kam es zu hochreichenden vertikalen Umlagerungen, die sich in
zahlreichen Schauern und einzelnen Gewittern äußerten. Am Montag
traten also vor allem im Umfeld dieser Schauer die stärksten Böen
auf.
Seit dem gestrigen Dienstag sind bezüglich des Winds wieder ruhigere
Zeiten angebrochen und das wird auch bis zum morgigen Donnerstag so
bleiben. Erst am Freitag könnte mit dem Überbleibsel des
Ex-Tropensturms "Edouard" wieder etwas mehr Wind zu spüren sein.
Dr. rer. nat. Markus Übel (Meteorologe)
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 08.07.2020
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