DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

07-07-2020 10:01

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 07.07.2020 um 10.30 UTC



Unsicherer Freitag mit Wellentief und durchaus markanten Wettererscheinungen,
nachfolgend zunehmend Hochdruckeinfluss.
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Synoptische Entwicklung bis zum Dienstag, den 14.07.2020


Am Freitag, zu Beginn des mittelfristigen Prognosezeitraumes, befindet sich
Deutschland auf der Vorderseite eines relativ breiten Randtroges, der von
Skandinavien südwestwärts über die Nordsee bis zur Biskaya weist. Im Bodenfeld
greift in der ersten Tageshälfte ein Wellentief auf die nördliche Mitte über und
soll sich nach dem aktuellen Lauf des IFS mittags - so hoff(t) man(n) (kleiner
Insider am Rande) - im Großraum Hannover befinden. Dessen Kaltfront verläuft zu
diesem Zeitpunkt über die Mitte hinweg in den Südwesten Deutschlands, die
Warmfront ostwärts in Richtung Polen. Die Luftmassengrenze trennt dabei
feuchtwarme Luftmassen auf der Südseite von subpolare Meeresluft auf der
Nordseite. Dabei erfolgt der deutliche Temperaturrückgang im 850 hPa-Niveau erst
auf der Rückseite der rückgebundenen Okklusion: Die T850 beträgt mittags auf
Sylt nur noch 3 °C, während an den Alpen noch 19 °C erreicht werden. In der
präfrontalen, feuchtwarmen und labilen Luftmasse können sich im Tagesverlauf
Gewitter mit Starkregen, Sturmböen und Hagel entwickeln, die durchaus ein nicht
von der Hand zu weisendes Unwetterpotenzial besitzen. Auch an der Kaltfront kann
es das ein oder andere kräftige Gewitter geben. Aber selbst die
Niederschlagsmengen im Umfeld des Wellentiefs sind zumindest mal mehr als der
berühmte Tropfen auf den heißen Stein: So fallen in weiten Teilen
Norddeutschlands flächig 10 bis 20 Liter pro Quadratmeter innerhalb von 24
Stunden (Freitag 00-24 UTC). Gebietsweise kann es auch noch etwas mehr sein,
wobei nicht auszuschließen ist, dass punktuell die Warnschwelle für Dauerregen
erreicht wird. In der Nacht zum Samstag verlagert sich dann zusammen mit der
Kaltfront der Niederschlagsschwerpunkt nach Süddeutschland, genauer gesagt in
die südlich der Donau gelegenen Gebiete. Dort gehen die Schauer und Gewitter in
skalige Niederschläge über und es fallen in der Fläche 5 bis 15, gebietsweise um
20 Liter pro Quadratmeter innerhalb von 12 Stunden, wobei ebenfalls ein
Überschreiten von Warnschwellen nicht ausgeschlossen ist. Im Norden gibt es mit
dem Hereinschwenken des Troges Schauer, wobei diese durch das nordostwärts
gerichtete Ablaufen eines kurzwelligen Anteiles noch etwas befeuert werden.
Bleibt noch der Wind zu erwähnen, der auf der Südflanke des Tiefs durchaus mit
steifen, bei Kaltfrontpassage auch stürmischen Böen und bei Gewittern auch
Sturmböen daherkommt, sondern auch im Bereich der rückgebundenen Okklusion an
einem relativ gut ausgeprägten Bodentrog noch einmal teils stürmisch auflebt.

Am Samstag zieht das Tief rasch von der südlichen Ostsee über Livland zum
Finnischen Meerbusen. Die Kaltfront hängt anfangs noch an den Alpen und sorgt
dort noch für Regen. Sie verliert allerdings im Tagesverlauf immer mehr an
Wetterwirksamkeit. Nun bekommen auch die Süddeutschen die merklich kühlere
Luftmasse zu spüren, liegt doch die T850 nur noch zwischen gut 2 bis 3 °C im
Norden und knapp unter 10 °C im äußersten Süden. Von einem sich kräftigenden
Hoch über dem Archipel der sogenannten Britischen Inseln erstreckt sich indes
ein breiter Keil bis nach Deutschland und schließlich auch ins östliche
Mitteleuropa, wodurch sich eine nordwestliche bis nördliche bodennahe Strömung
einstellt. Warnrelevante Böen (Bft 7, anfangs Bft evtl. noch Bft 8) sind
aufgrund der zunehmend schwachgradientigen Lage allenfalls am Rande des Hochs,
also an der Ostsee, zu erwarten. Ganz astrein ist das Wetter aber doch nicht,
denn in der Höhe befindet sich immer noch der Trog, wobei es im Norden und in
der nördlichen Mitte vor allem in der ersten Tageshälfte immer mal wieder
Schauer geben kann.

Am Sonntag wandert das Hoch etwas ostwärts, wobei sich auch über der südlichen
Nordsee ein Schwerpunkt ausbildet. Der nun endgültig nach Osten abziehende Trog
beschert dem Norden und Osten anfangs noch einzelne Schauer. Der nachfolgende
Rücken setzt dem ein Ende. Mit dem Vorrücken der Antizyklone dreht die
niedertroposphärische Strömung im Süden zum Teil auf östliche Richtung, wodurch
die 10 °C-Isotherme ein wenig aus den Alpen herauskommt. Im Norden bleibt es
hingegen bei T850-Werten um 3 °C.

Zu Beginn der neuen Woche verlagert das Hoch unter Abschwächung einen
Schwerpunkt zur Deutschen Bucht und schließlich zur Kimbrischen Halbinsel.
Gestützt wird die entstehende, vom nahen Osteuropa bis fast nach Florida
reichende (und kaum gestörte) Hochdruckzone von einem breiten Rücken, der weite
Teile West- und Mitteleuropas überdeckt, was in einer westlichen bis
nordwestlichen Höhenströmung resultiert. Die 10-°C-Isotherme der Temperatur im
850-hPa-Niveau kommt im Tagesverlauf in etwas bis zum Main voran (im äußersten
Südwesten werden 14 °C erreicht) und auch im Norden steigt die Temperatur auf
etwa 6 °C an. Angenehmen sommerlichen Temperaturen steht also nichts im Wege.

Zumindest im neueste Lauf ändert sich am Dienstag daran nicht allzu viel für
Mitteleuropa. Der Höhenrücken amplifiziert sich noch ein wenig, die 10
°C-Isotherme kommt ein ganzes Stück über die Mitte hinweg voran.

In der erweiterten Mittelfrist verkürzt der Rücken seine Wellenlänge und wir
kommen zunehmend auf die Vorderseite eines Kurzwellentroges. Damit einhergehend
beginnt von Westen her der Druck zu fallen und sich spätestens am Donnerstag
eine Tiefdruckrinne auszubilden. Mit der auf Süd bis Südwest drehenden Strömung
steigt nicht nur das Temperaturniveau, sondern allmählich auch das
Gewitterpotenzial.
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Ein Vergleich der drei letzten Läufe des IFS zeigt, dass diese das Wellentief am
Freitag konsistent simulieren. Die Verstärkung des Hochs über den Britischen
Inseln am Wochenende wird ebenfalls konsistent über die Läufe hinweg gezeigt.
Erst zum Dienstag divergieren die Lösungen: So sollte nach dem gestrigen
12-UTC-Lauf ein Tiefdrucksumpf über Deutschland zu finden sein, was nun erst in
Richtung Donnerstag/Freitag gezeigt wird.
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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Schon zu Beginn der Mittelfrist zeigen ICON, IFS und GFS unterschiedliche
Ausgangslagen. Während das Tief bei IFS, wie oben erwähnt, Freitagmittag im Raum
Hannover liegen soll (Kerndruck unter 1008 hPa), findet man es beim ICON (unter
1010 hPa) südöstlich von Bornholm und beim GFS (knapp unter 996 hPa!) über
Seeland. So verwundert es auch nicht, dass GFS einen viel schärferen Trog
simuliert als ICON und IFS. Dem Tief wäre also deutlich mehr Wumms gegeben und
Norddeutschland von einer ausgeprägten Sturmlage betroffen.
In der Folge nähern sich die Lösungen jedoch wieder an, wenngleich Trog- und
Rückenstrukturen nicht ganz kongruent sind (durchaus leichte Unterschiede bzgl.
Timing, Lage und Amplitude).
Zum Dienstag divergieren die Modelle wieder deutlicher, wobei ICON und IFS sich
einigermaßen ähneln, GFS jedoch ein niedrigeres Druckniveau zeigt und einen Trog
über die Deutsche Bucht hereinschwenken lässt.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Die Rauchfahnen für eine repräsentative Auswahl deutscher Städte zeigt mit
Ausnahme Hamburgs - wo es ja ohnehin schon frisch ist - einen deutlichen (in
Hamburg ansatzweisen) Rückgang der 850 hPa-Temperatur am Freitag. Dies wird auch
von allen Membern so mitgetragen, wobei Haupt- und Kontrolllauf in etwas mittig
und im Bereich der wahrscheinlichsten Lösung liegen. Auch danach verläuft die
Kurvenschar recht eng beieinander und zeigt einen allmählichen Aufwärtstrend.
Allen Rauchfahnen gemein ist darüber hinaus die zyklonale Delle beim 500
hPa-Geopotenzial am Freitag/Samstag, was für den nachfolgenden Trog spricht, der
so ebenfalls von allen Ensemblemitgliedern gezeigt wird. Als sicher kann man
auch den Anstieg des Geopotenzials am Wochenende und zu Beginn der neuen Woche
bezeichnen, was mit der Kräftigung des Hochs über den Britischen Inseln und
anschließender Ausweitung in Richtung Mitteleuropa korrespondiert. Deutlich zu
erkennen ist auch, dass ab Dienstag der Spread größer wird, womit die Fortdauer
des antizyklonalen Regimes in Frage gestellt wird. So reagieren vor allem ab
Mittwoch einzelne Member auch wieder mit ersten Niederschlagssignalen.

Beim Clustering gibt es für den Zeitraum Freitag bis Samstag (T+72...96h) gleich
sechs Cluster, die mit 15, 13, acht, sieben, sechs und zwei Membern besetzt
sind. Haupt- und Kontrolllauf korrespondieren mit dem ersten Cluster. Die
Cluster unterscheiden sich für Mitteleuropa in der Ausprägung des Troges, vor
allem aber in der Simulation der Stärke und Position des Tiefs, die zum Teil
beträchtlich voneinander abweicht. Es bleibt also weiter spannend. Fast
langweilig ist dagegen der Zeitraum von Sonntag bis Dienstag (T+120...168h),
denn da gibt es nur ein Cluster. Das stützt die Rauchfahneninterpretation und
den Modellvergleich, wonach die Prognose dann sicher wäre.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


Am Freitag werden sich in der in der Südhälfte lagernden labilen Luftmasse im
Tagesverlauf wahrscheinlich einzelne kräftige Gewitter mit Starkregen, Sturmböen
und Hagel entwickeln, unwetterartige Entwicklungen sind dabei nicht
ausgeschlossen. Auch an der Kaltfront sind vereinzelt Gewitter mit Sturmböen
möglich.
Wie oben erwähnt, können tagsüber in der Nordhälfte, in der Nacht zum Samstag an
den Alpen mit geringer Wahrscheinlichkeit die Warnschwellen für Dauerregen
überschritten werden. Darüber hinaus gibt es nicht nur bei konvektiven
Ereignissen stürmische Böen, sondern auch im Bereich der Kaltfront und zeit- und
gebietsweise im Bereich des nachfolgenden Bodentroges.

Am Samstag kann es an der Ostseeküste noch letzte stürmische Böen aus Nordwest
geben.

Nachfolgend ist aus heutiger Sicht nicht mit signifikanten Wettererscheinungen
zu rechnen.
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Basis für Mittelfristvorhersage
IFS, IFS-EPS, MOSMix
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VBZ Offenbach / M.Sc. Met. Stefan Bach