DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

04-07-2020 10:01

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 04.07.2020 um 10.30 UTC



Im Süden zunehmender Hochdruckeinfluss und Erwärmung, im Norden unter
Tiefdruckeinfluss kühler. Am Freitag erneute Kaltfrontpassage, dabei kräftige
Gewitter möglich. Nachfolgend Stabilisierung.
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Synoptische Entwicklung bis zum Samstag, den 11.07.2020


Wie man es dreht und wendet, das eingeschlagene Muster des Wetterablaufs der
vergangenen Wochen lässt sich mühelos auch in die Mittelfrist übertragen. So
stehen Phasen mit Hochdruckeinfluss bei gleichzeitiger Erwärmung einem baldigen
Ende durch Ausläufern von Tiefdruckgebieten entgegen, die mit Trögen
heranrauschen und die die warme Luft alsbald wieder durch frischere Meeresluft
ersetzen. Was für die Natur durch die immer wieder aufkommenden Niederschläge
der Tiefdruckgebiete ein Segen ist - man erinnere sich nur an die sehr trockenen
Sommer 2018 und 2019 - ist für Freibadbetreiber natürlich eine schlechte
Nachricht.

Zum Beginn der Mittelfrist am kommenden Dienstag finden wir uns dem heutigen 0
UTC-Lauf des EZMW zufolge in der frischen Meeresluft mit T850 hPa von 2 Grad im
Norden bis 10 Grad im Süden wieder, die hinter einer nach Südosten abgezogenen
Kaltfront eines Tiefs mit Zentrum über dem Bottnischen Meerbusen eingeflossen
ist. Das Tief gehört zu einem Langwellentrog, der weite Teile des
Nordostatlantiks von Grönland bis nach Mitteleuropa und bis nach Skandinavien
abdeckt. Ein darin eingebettetes Drehzentrum über Südnorwegen sorgt durch
schwache PVA im Norden Deutschlands für leicht zyklonale Verhältnisse, während
nach Süden hin der Keil eines Azorenhochs wirksam wird.

Am Mittwoch verlagert sich dieses in den Langwellentrog integrierte Höhentief
zum Baltikum, es folgt ein flacher Rücken, der für Zwischenhocheinfluss sorgt.
Dieser ist aber nicht von langer Dauer, weil ein neuer Randtrog vom Atlantik
kommend ein Tief über den Britischen Inseln formiert, dessen Ausläufer
nachmittags den Nordwesten von Deutschland erreichen. Gleichwohl dominiert nach
Süden hin der Hochdruckeinfluss, wobei die Strömung auf Südwest dreht und dort
erneut wärmere Luft Fuß fassen kann. Die 10 Grad-Isotherme bewegt sich folglich
bis etwa zur Mainlinie nach Norden.

Am Donnerstag schwenkt der Randtrog nach Südskandinavien durch und zieht das
Tief von den Britischen Inseln mit. Es folgt aber rasch ein weiterer Trog vom
Nordostatlantik, der abends knapp nordwestlich vor den Britischen Inseln
ankommt. Auch dieser Randtrog führt ein Bodentief mit sich, dessen Warmfront mit
der Kaltfront des Tiefs vom Vortag verbunden ist und die über der Mitte
Deutschlands schleifend wird. So bleibt die 10 Grad-Isotherme etwa an der
Mainlinie "kleben".

Am Freitag zeigt der Randtrog Abtropftendenzen, wobei er in die Nordsee wandert.
Das Bodentief, mittlerweile entwicklungsungünstig achsensenkrecht, folgt ihm
dorthin. Damit kommt die Warmfront nordwärts voran, andererseits kann aber auch
die Kaltfront des Tiefs von Westen her nach Deutschland vordringen. Kurzzeitige
Erwärmung auf der Vorderseite lässt die 10 Grad-Isotherme in 850 hPa bis in den
Norden Deutschlands gelangen, im Süden sind bis zu 15 Grad "drin". In dieser
Luftmasse ist durchaus kräftige Konvektion zu erwarten, da sie zunehmend auch
feucht wird und der Randtrog/das Höhentief eine diffluente Vorderseite besitzt.
Mit der Kaltfront fließt im Westen abends frischere Meeresluft mit T850 hPa von
1 bis 6 Grad ein.

Am Samstag sind wir dann quasi in der gleichen Phase wie am Dienstag. Die
Kaltfront zieht nach Südosten ab, im Norden sorgt der Trog für wechselhaftes
Wetter und im Süden macht sich allmählich der Keil eines Azorenhochs bemerkbar,
sodass das Déjà-vu perfekt ist. Die T850 hPa liegen zwischen 3 Grad im Norden
und 9 Grad im Süden.

In der erweiterten Mittelfrist stabilisiert sich das Wetter durch den Keil, der
einen Ableger bei uns bildet, wieder. Dann steigen auch die Temperaturen von
Süden her allmählich - bis zum nächsten Shut-Down durch eine Kaltfront.
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Bis zum Donnerstag lässt sich dem jüngsten 0 UTC EZMW-Lauf von heute im
Vergleich zu seinen beiden gestrigen Vorläufen eine gute Konsistenz
bescheinigen. Am Freitag zeigen sich dann aber einige Unterschiede im neuen
Randtrog. Dieser weist nun Abtropftendenzen über den Britischen Inseln auf,
dadurch verändert sich die Lage des an ihn gekoppelten Bodentiefs. War es im
gestrigen 0 UTC-Lauf Freitagmittag noch mit Zentrum nordwestlich von Irland zu
finden, so soll es dem heutigen Lauf zufolge über der südwestlichen Nordsee
liegen. Der gestrige 12 UTC-Lauf verfrachtete das Tief sogar schon nach
Westdeutschland. Als Resultat zieht die Kaltfront mit eventuell teils kräftigen
Gewittern bereits am Freitag statt erst am Samstag über uns hinweg. Die warme
Luft kann sich somit auch weniger lang bei uns etablieren. Am Samstag befinden
wir uns postfrontal auf der Rückseite der abgezogenen Kaltfront in frischerer
Meeresluft. Allgemein kann eine Phasenverschiebung von rund 24 Stunden ab
Freitag festgestellt werden.
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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Casus Knacksus ist auch beim Vergleich mit anderen globalen Modellen der
Freitag. ICON platziert das Tief weiter nördlich und schickt die Kaltfront erst
am Samstag zu uns, was der gestrigen 0 UTC-Lösung des EZMW entspricht. Wieder
einmal könnte sich EZMW jedoch als bestes Mittelfristmodell und damit als
Trendsetter erweisen, dem das ICON nur hinterläuft.
Ganz anders ist dagegen das GFS. Bereits gestern präsentierte es eine eigene
Lösung ohne Tief über den Britischen Inseln bzw. der südwestlichen Nordsee.
Dafür generierte der Randtrog eine Leezyklogenese südlich des Skandinavischen
Gebirges. An dieser Variante hält das Modell auch heute fest. Da daraus eine
eher nordwestliche statt südwestliche Strömung resultiert, liegt das
Temperaturniveau am Freitag rund 4 Kelvin niedriger als beim EZMW. Am Samstag
gleichen sich die Modelle wieder mehr an.
GEM schließt sich im Großen und Ganzen der GFS-Variante an.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Die Rauchfahnen des EZMW-Ensembles spiegeln die Ergebnisse des deterministischen
Laufs für diverse deutsche Städte gut wider. Haupt- und Kontrolllauf sind dabei
meist im Median gut eingebettet. Zwar öffnen sich die Rauchfahnen ab Dienstag
ein wenig, ab Donnerstag auch stärker, allerdings verursachen das meist nur
wenige Mitglieder. Damit verleihen die Rauchfahnen der Vorhersage eine relativ
hohe Sicherheit.

Die Clusteranalyse wird erst für den Zeitraum Donnerstag (0 UTC) bis Samstag (0
UTC) interessant, weil es im Zeitraum vorher nur einen Cluster gibt. Für den
zweiten Zeitraum werden 3 Cluster angeboten, die alle den durchschwenkenden Trog
im Programm haben. Das Tief, das am Freitag von den Britischen Inseln in die
Nordsee zieht, wird bei allen dreien an ähnlicher Position simuliert, allerdings
in etwas unterschiedlicher Stärke. Am Kaltfrontdurchgang am Freitag ändert das
aber nicht viel. Für den Zeitraum Sonntag (0 UTC) bis Dienstag (0 UTC) gibt es
erneut nur einen Cluster, der den zunehmenden Hochdruckeinfluss bestätigt.

FAZIT: Der ab Dienstag sich aufbauende Hochdruckeinfluss wird im Norden am
Mittwoch jäh schon wieder durch Ausläufer von Tiefdruckgebieten unterbrochen.
Folglich erwärmt es sich hauptsächlich im Süden, dort überwiegt auch der
Hochdruckeinfluss bis zum Donnerstag. Am Freitag wird es dann spannend. Ein wie
auch immer gearteter Kaltfrontdurchgang scheint sicher, möglicherweise treten
dabei teils kräftige Gewitter auf. Ab Samstag fließt postfrontal frischere
Meeresluft ein, die nachfolgende neuerlich unter Hochdruckeinfluss gerät.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


WIND:
Am Dienstag zeigt EFI an der Küste Signale, die von COSMO-LEPS mit schwachen
Wahrscheinlichkeiten für stürmische Böen Bft 8 unterstützt werden. Am Mittwoch
sind beim EFI an der See keine Signale mehr vorhanden, bei COSMO-LEPS hingegen
schon. So können auch am Mittwoch an der See noch einzelne stürmische Böen
vorkommen.

GEWITTER:
Am Freitag besteht präfrontal bzw. mit Kaltfrontdurchgang ein erhöhtes Schauer-
und Gewitterpotenzial. Auch wenn die Vorhersagen bisher eher zurückhaltend sind,
kann es aufgrund der Konstellation zu kräftigen Gewittern mit Sturmböen,
Starkregen und kleinem Hagel kommen. Ob sogar Unwetter auftreten, wird
maßgeblich von der genauen Zugbahn des Tiefs und dem Timing der Kaltfront
abhängen.
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Basis für Mittelfristvorhersage
MOSMIX, EZMW, EZMW-EPS
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Simon Trippler