DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

24-06-2020 10:30

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 24.06.2020 um 10.30 UTC



Am Wochenende erst schwül-warm, im Verlauf Kaltfrontdurchgang. Dabei Gewitter
mit Unwetterpotenzial. Zu Wochenbeginn Zwischenhocheinfluss und Beruhigung, vor
allem nach Süden zu freundlich.
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Synoptische Entwicklung bis zum Mittwoch, den 01.07.2020


In der Mittelfrist vollzieht sich erneut eine Umstellung der Großwetterlage.
Zonalisierungtendenzen des Zirkulationsmusters über Europa machen einen eher
unbeständigen Wetterabschnitt in Deutschland wahrscheinlich. Dabei sorgen
dynamisch geprägte Luftmassenwechsel eventuell für überregionale Gewitterlagen
mit Unwetterpotenzial.

Das osteuropäische Blocking, das zum Ende der Kurzfrist am Freitag noch als
stolzes Höhenhoch mit Schwerpunkt über Weißrussland in Erscheinung tritt,
schwächelt sichtlich und degeneriert zu Beginn der Mittelfrist am Samstag zu
einem Rücken, dessen Achse vom Schwarzen Meer über die Baltische See nach
Mittelskandinavien und von dort zur Grönlandsee reicht. Dies hat zwei Gründe:
Zum einen erfolgt von der Barentssee ausgehend eine Austrogung in Richtung
Nordwestrussland, zum anderen nähert das bis Samstag vom mittleren Nordatlantik
zu den Britischen Inseln schwenkende Höhentief langsam an. Der Kaltlufttropfen,
der uns in der Kurzfrist beschäftigt und am Samstag irgendwo über dem östlichen
Mitteleuropa liegt, bekommt durch die Trogannäherung einen Schubs nach Nordosten
und sorgt seinerseits für eine weitere "Malträtierung" des osteuropäischen
Hochdruckblocks. Deutschland liegt dabei zwischen Kaltlufttropfen und Höhentief
anfangs noch unter einer leicht antizyklonal konturierten, schlappen
südwestlichen Höhenströmung. Allerdings hat sich am Boden bereits eine vom
Sturmtief mit Kern bei Schottland ausgehende Tiefdruckrinne diagonal über
Deutschland positioniert, in der feuchte, sehr warme und instabil geschichtete
Subtropikluft wetterwirksam ist (T850 nochmal auf 13-16 Grad ansteigend). Später
erreicht den äußersten Westen möglicherweise ein erster Kurzwellentrog, der am
Boden mit der Kaltfront des Sturmtiefs korrespondiert. Mit Konvergenz,
Kurzwellentrog und Kaltfront sind genügen Trigger und auch Scherung für die
Auslösung hochreichender, mitunter organisierter Konvektion in sehr feuchter,
instabiler Luft am Start. Die wohl relativ verbreitet auftretenden Gewitter
können somit im Hinblick auf alle Parameter (Starkregen, Hagel und Böen)
unwetterartig ausfallen.

Am Sonntag verlagert sich das Höhentief über das Seegebiet zwischen Island und
Schottland. Nach Lesart von IFS00Z nimmt es - blockiert durch den Rücken über
Skandinavien und dem Nordmeer - eine ovale Form an, sodass die Hauptachse in
Form eines recht scharfen Troges nach Deutschland schwenkt. Die Kaltfront des
quasi senkrecht unter dem Höhentief positionierten Zentraltiefs wird dadurch
über Deutschland recht zügig südostwärts hinweggeführt. Der Luftmassenwechsel
ist markant, T850 sinkt in der postfrontal einsickernden subpolaren Meeresluft
auf rund 6 Grad ab. An der Kaltfront und in der präfrontal vor allem nach
Südosten noch wirksamen labilen Subtropikluft sind erneut Gewitter mit
Unwetterpotenzial möglich. Von den postfrontal im Trogbereich auftretenden
Schauern und kurzen Gewittern geht zwar weniger Unwettergefahr aus, in gut
gescherter Umgebung können sich diese aber auch organisieren und mit Sturmböen
einhergehen.

Am Montag wandert das Höhentief weiter retrograd zur Irmingersee. Der vom Tief
weit nach Südosten reichende Trog tropft nach IFS00Z über der Nordsee ab. Das
resultierende Cut-Off-Tief wandert über Norddeutschland nach Polen, gefolgt von
einem in einer dann etwas stärker zonalisierten Strömung eingelagerten, von den
Britischen Inseln zur Nordsee schwenkenden Rücken. Dieser stützt den
Azorenhochkeil über Westeuropa, im Bereich dessen sich über Nordfrankreich eine
eigenständige Hochzelle abspaltet. Deutschland kommt sowohl in der Höhe als auch
am Boden in eine nordwestliche Strömung, in der die Zufuhr feuchter und
allenfalls mäßig warmer Meeresluft anhält (T850 von Nord nach Süd zwischen 4 und
10 Grad). Im Wirkungsbereich des Cut-Offs ist bevorzugt in der Nordhälfte von
wechselhaftem, windigem Schauerwetter auszugehen.

Am Dienstag und Mittwoch schwenkt der sich verstärkende Rücken nach Deutschland.
Der Schwerpunkt des korrespondierenden Hochs wandert über Mitteleuropa
südostwärts Richtung Balkan. Unter Absinken herrscht meist trockenes, vor allem
nach Süden zu freundliches Wetter (im Norden nahe der Frontalzone oder durch WLA
eventuell mehr Wolken). Die eingeflossene Luftmasse erwärmt sich, zur
Wochenmitte setzt an der Westflanke des Hochs gar wieder Advektion sehr warmer
Subtropikluft ein (T850 bis Mittwoch wieder auf 10 bis 16 Grad ansteigend). Nach
einer vorübergehenden Temperaturdelle zu Wochenbeginn wären dann (nach Lesart
von IFS00Z und zumindest im Süden und Westen) wieder recht verbreitet
sommerliche Höchstwerte zwischen 25 und 30 Grad möglich.

Start einer längeren, stabilen sommerlichen Periode? Nach jetzigem Stand eher
nicht! Das Muster erweist sich aufgrund kürzerer Wellenlängen der
Trog-Rücken-Strukturen in der erweiterten Mittelfrist dynamischer und
progressiver. So nähert sich bald neuer Trog von Westen, der das "Spiel" von
vorne beginnen lässt: Vorübergehend heiß -> Labilisierung -> Gewitter ->
Abkühlung.
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Im Hinblick auf die groben Strukturen rechnet IFS in den jüngsten Modellläufen
zwar einigermaßen konsistent, im Detail ergeben aber gerade für Mitteleuropa
nennenswerte Unterschiede beim Timing des von Westen übergreifenden Troges bzw.
der Kaltfront und vorgelagerten Rinne mit Konvergenzzone. Der neuste IFS-Lauf
ist deutlich progressiver als die beiden Vorgängerläufe. Im gestrigen IFS12Z,
insbesondere aber im gestrigen IFS00Z blieb Deutschland bis Montag
trogvorderseitig in einer Südwestströmung, in der die Kaltfront quasi
strömungsparallel über Deutschland schleifte. Im Süden und Osten hätte sich die
schwül-warme und gewittrige Situation (mit Unwettergefahr) somit immerhin 24-36
h länger hingezogen.
Zur Wochenmitte nähern sich die Simulationen insofern wieder etwas an, dass in
allen deterministischen IFS-Berechnungen Zwischenhocheinfluss dominiert. Im
neusten IFS00Z ist die Stabilisierung durch einen stärker amplifizierten Rücken
etwas nachhaltiger und durchgreifender als in den vorangegangenen Berechnungen,
die zumindest den Norden noch im Bereich der Frontalzone beließen.
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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Auch bei Durchsicht der anderen, vorliegenden Globalmodelle erweist sich das
Timing des Höhentief-/Trogvorstoßes und des Kaltfrontdurchganges am Wochenende
als problematisch. Während ICON ein ähnliches Szenario wie das von IFS
favorisiert (Kaltfront in der Nacht zum Sonntag den Westen erreichend und am
Sonntag tagsüber über Deutschland hinwegschwenkend), rechnet GFS noch
progressiver. Die "Amerikaner" lassen die Kaltfront schon am Samstag bis in den
Südosten vorankommen, wo sie dann vorübergehend schleifen soll.
Zu allem Überfluss vollziehen sich die Cut-Off-Prozesse innerhalb des Troges
bzw. des sich oval formenden Höhentiefs in den Modellen nachfolgend sehr
unterschiedlich. Bei GFS tropft der Trog (wie bei IFS) schon am Montag,
allerdings Richtung Ostsee ab. Bei beiden Modellen wandert das Höhentief
nachfolgend retrograd Richtung Grönlandsee, wodurch sich zwischen Höhentief und
Cut-Off ein Rücken über West-, später Mitteleuropa aufwölben kann. Bei ICON
tropft der Trog über der mittleren Ostsee Richtung Baltikum ab, das Höhentief
wandert aber NICHT retrograd, sondern leicht progressiv zu den Britischen
Inseln. Demnach käme Deutschland unter eine westliche, teils zyklonale
Höhenströmung, in der weitere Tiefausläufer auf Deutschland übergreifen. Bei
ICON würde der Zwischenhocheinfluss also eher ausfallen.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Betrachtet man die Rauchfahnen des IFS-EPS für 500-hPa-Geopotenzial (H500) und
850-hPa-Temperatur (T850), fällt einem sofort das (sehr) starke Schlingern ab
dem Wochenende auf.
T850 und H500 stürzen ab Samstag, im Südosten (etwas abgeschwächt) ab Sonntag in
ein Tal, dessen Sohle allerdings schon Mo/Di durchschritten wird. Bis dahin hält
sich auch der Spread noch einigermaßen in Grenzen. Im Süden und Osten ist er
noch am ehesten nennenswert, da die Einzelmember den beginnenden Absturz dann
doch ziemlich unterschiedlich timen. Haupt- und Kontrolllauf sind allerdings
recht gut nahe des Medians in die Verteilung eingebettet.
Zur Wochenmitte beginnt (im Median) sowohl bei T850 als auch bei H500 eine
erneute Bergfahrt, wobei der Gipfel bereits Mi/Do erklommen wird. Der Spread
nimmt nun aber deutlich zu! Dies ist nicht mehr nur durch Timing-Unterschiede zu
erklären, sondern durch grundsätzlich auseinanderlaufende Berechnungen der
Einzelmember. Nicht wenige Member rechnen nämlich keinen nennenswerten
Geopotenzial- und Temperaturanstieg um Wochenmitte herum. Haupt- und
Kontrolllauf befinden sich im Verlauf eher am oberen Rand der Verteilung
(insbesondere bei T850).
Niederschlagssignale sind Samstag bis Montag deutschlandweit deutlich vorhanden,
teils auch mit extremen Spitzen. Danach gehen sie bis zur Wochenmitte deutlich
zurück. Lediglich im Norden sind sie dann noch wirklich nennenswert.

Schon im Zeitraum +72-96h werden 4 Cluster angeboten. In allen erfolgt eine
Schwächung des osteuropäischen Blockings. Entsprechend verlassen C1-3 die Klasse
"Blocking" und werden den Regimen "Positive NACO" (C1 17/51) bzw. "Negative NAO"
(C2/3 27/51) zugeordnet. Lediglich C4 (7/51) verbleibt als Außenseiter im
Blocking-Regime.
Im Zeitraum +120-168h erfolgt in 2 von 3 Clustern (C2/C3 32/51) eine deutliche
Zonalisierung. Während C2 (18/51) zumindest für Norddeutschland eher zyklonal
aufgestellt ist, dominiert bei C3 (14/51) der antizyklonale Einfluss.
Im Zeitraum +192-240h schrumpft das EPS auf 2 Cluster. Bei C1 (26/51, "Negative
NAO") soll nach Zwischenhocheinfluss ein neuer Trog von Westen übergreifen, bei
C2 (25/51, "Positive NAO") bleibt Deutschland durchweg unter einer ziemlich
zyklonalen Westströmung.

FAZIT: Der Kaltfrontdurchgang ab dem Wochenende vollzieht sich mit großer
Wahrscheinlichkeit spätestens bis Montag, auch im Südosten. Lediglich das Timing
unterliegt noch gewissen Unsicherheiten.
Danach wird es schwierig, noch haltbare Aussagen über die Wetterentwicklung zu
treffen. Das auf Basis des IFS-EPS wahrscheinlichste Szenario sieht
Zwischenhocheinfluss zur Wochenmitte vor, der im Norden schwächer ausfällt als
im Süden. Dieser wird begleitet von einer neuerlichen Erwärmung. Ob sie so stark
ausfällt, wie es die oben beschriebene IFS00Z-Lösung, ist allerdings fraglich.
Dass es danach unbeständig weitergeht ist dagegen wieder recht wahrscheinlich -
beständiges Sommerwetter ist nicht in Sicht.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


Am Samstag und Sonntag steht eine Gewitterlage an. Die Schwerpunkte und der
genaue zeitliche Ablauf sind zwar noch etwas unsicher, die Voraussetzungen für
organisierte Konvektion aber prinzipiell gegeben. Entsprechend muss neben
heftigem Starkregen auch mit größerem Hagel und (schweren) Sturmböen gerechnet
werden.

Zu Wochenbeginn besteht in der dann nicht mehr so energiereichen Luft vor allem
nach Norden zu noch Potenzial einzelner Gewitter, die insbesondere aufgrund von
Sturmböen, eventuell auch wegen Starkregen markant ausfallen können.
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Basis für Mittelfristvorhersage
IFS, IFS-EPS, MOS-Mix
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Adrian Leyser