DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist
11-06-2020 10:30
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 11.06.2020 um 10.30 UTC
Zunächst wechselhaft mit Schauern und Gewittern, dabei warm und anfangs
Unwettergefahr. Ab Wochenmitte unsichere Prognose.
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Synoptische Entwicklung bis zum Donnerstag, den 18.06.2020
Im Prinzip gilt das, was in den letzten Tagen an dieser Stelle bereits öfter
postuliert wurde, auch für den jüngsten EZMW-Lauf. Dabei spielen in der ab
Sonntag beginnenden Mittelfrist einige Höhentiefs, die zum Teil weit südlich des
troposphärischen Polarwirbels unterwegs sind, das Zünglein an der Waage.
Vom Nordostatlantik über Skandinavien hinweg bis nach Westrussland herrscht
dagegen hohes Geopotenzial vor mit einem Schwerpunkt über Skandinavien, der über
eine Brücke Kontakt hat zu einem weiteren Schwerpunkt auf dem Nordostatlantik.
Diese Brücke wird durch einen in den Nordostatlantik gerichteten Kaltluftvorstoß
von Südgrönland her in Form eines Randtroges abgebaut. Der Randtrog wiederum
nimmt ab Dienstag Kontakt auf zu einem Höhentief bei den Britischen Inseln.
Neben diesem recht kräftigen Höhentief über den Britischen Inseln sind am
Sonntag vier weitere kleinere Höhentief-Eier über Europa bzw. dem Atlantik
auszumachen. Vor allem das Höhentief über dem Baltikum und das von Oberitalien
nach Griechenland ziehende Höhentief sind anfangs für uns von Interesse. Im
Wochenverlauf schwindet deren Einfluss auf Deutschland jedoch, weil wir mehr und
mehr auf die Vorderseite des Randtroges bei den Britischen Inseln gelangen.
Gleichwohl baut sich dieser Randtrog in der zweiten Wochenhälfte wieder in einen
Trogkomplex mit mehreren Drehzentren (Höhentiefs) um. Dabei wird ein bereits am
Montag vorhandenes Höhentief, das von den Azoren zur Iberischen Halbinsel zieht,
mit eingefangen. Für Deutschland ergibt sich eine südwestliche Strömung, mit der
feuchtwarme Luft nach Deutschland verfrachtet wird (T850 10 bis 15 Grad). Am
Freitag schwenkt der Trogkomplex über Deutschland hinweg, wobei sich sogar so
etwas wie eine Trogachse ausmachen lässt. Die Fronten des zugehörigen Tiefs über
den Britischen Inseln und der Nordsee verdrängen durch ihre von Westen
hereinziehenden Ausläufer folglich die feuchtwarme Luft und ersetzen sie durch
frischere Meeresluft (T850 hPa 3 bis 8 Grad).
Für alle Tage ist zu konstatieren, dass außer im Nordosten zyklonaler Einfluss
vorherrscht und immer wieder feuchte Luftmassen das Wetter wechselhaft
gestalten. Vor allem anfangs gibt es teils üppige Niederschlagsmengen, was
angesichts dann noch indifferenter Druck- und Potenzialverteilungen und dadurch
bedingter langsamer Zuggeschwindigkeit synoptischer Gebilde nicht verwunderlich
ist. Der Nordosten zeigt sich zunächst trockener, dort überwiegt bis zum
Donnerstag noch der Einfluss des Höhenhochs über Skandinavien bzw. seines
Pendants am Boden.
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs
Die Konsistenz des heutigen 0 UTC-Laufs des EZMW zu seinen beiden gestrigen
Vorläufen ist bis zum Montag gut, danach nimmt sie rapide ab. Für Deutschland
ist vor allem relevant, wie sich das Höhentief über den Britischen Inseln im
Zusammenspiel mit dem von Grönland kommenden Randtrog verhält. Während der
heutige Lauf ja aus dem Höhentief ein Randtrogkomplex mit mehreren Zentren in
der zweiten Wochenhälfte formiert und dieses anschließend auf Mitteleuropa
übergreifen lässt, führte der gestrige 12 UTC-Lauf das Höhentief bereits ab
Mittwoch in die Nordsee ohne Kontakt zum neuen Randtrog. Danach hätte sich ein
Rücken zu uns aufgewölbt mit steigendem Druck, nach Süden hin hätte aber der
Einfluss eines neuen Höhentiefs über dem zentralen Mittelmeer gewirkt (dabei
handelt es sich um eben jenes Höhentief, das von den Azoren zur Iberischen
Halbinsel zieht). Im gestrigen 0 UTC-Lauf dagegen wäre das Höhentief über den
Britischen Inseln durch den Randtrog regeneriert worden und anschließend in
einem Abtropfprozess als eigenständiges Höhentief über Frankreich zum zentralen
Mittelmeer gezogen. In Konsequenz davon werden die Niederschlagsgebiete in allen
drei Läufen zum Teil deutlich anders simuliert, am Freitag hat der neueste Lauf
außerdem recht windige Verhältnisse auf dem Zettel. Darüber hinaus kommt es mit
den beiden jüngsten Läufen zu einer Abkühlung, die beim gestrigen 12 UTC-Lauf
allerdings früher (Mittwoch/Donnerstag) eingetreten wäre und eher nur den Norden
getroffen hätte. Des Weiteren würde es nach diesem Lauf in der zweiten
Wochenhälfte auch öfter trocken bleiben. Die starke Inkongruenz der Modellläufe
lässt darauf schließen, das mit weiteren Läufen neue Änderungen auftauchen
werden, was wiederum die Vorhersage deutlich erschwert.
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Vergleich mit anderen globalen Modellen
Kaum deckungsgleich zum EZMW zeigen sich auch ICON und GFS. ICON formiert aus
dem Höhentief und dem Randtrog zwar ebenfalls einen abgewandelten
Randtrogkomplex, dieser liegt aber bereits ab Donnerstag über uns. GFS dagegen
stellt zunächst den gestrigen 12 UTC-Lauf des EZMW nach und lässt das Höhentief
von den Britischen Inseln in die Nordsee ziehen. Das nachfolgende Höhentief
zieht jedoch über Süddeutschland und Oberitalien und nicht über dem zentralen
Mittelmeer ostwärts, bevor sich danach der Rücken zu uns aufwölbt. GEM reiht
sich in diese Version des GFS ein, lässt den Rücken aber rascher durchschwenken
und schiebt direkt einen neuen Randtrog am übernächsten Wochenende nach, der
dann auch schon Deutschland erreicht. NAVGEM ist größtenteils auf der
EZMW-Schiene unterwegs.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen
Die Rauchfahnen des EZMW-Ensembles sind für diverse deutsche Städte bis zum
Dienstag noch recht eng gebündelt. Danach öffnen sich die Streuungen, wobei
Haupt- und Kontrolllauf zunächst zum oberen Rand (Mittwoch/Donnerstag), danach
aber zum unteren Rand (Freitag bis Sonntag) "flippen". Der Median zeigt im
Gegensatz dazu zum Ende der kommenden Woche hin insbesondere beim Geopotenzial
einen Anstieg, während bei den T850 hPa keine Abkühlung, sondern eine leichte
Erwärmung zu sehen ist. Ob der Randtrogkomplex sich also tatsächlich so
entwickelt, wie vom EZWM-Hauptlauf angedacht, erscheint ziemlich fraglich.
Darüber hinaus ist die Trogvorderseite Mitte kommender Woche keinesfalls sicher.
Die Clusteranalyse fördert Überraschendes zutage. So wird für die zwei in der
Mittelfrist relevanten Zeiträume ab Montag nur jeweils ein Cluster Typ
"Blocking" geliefert. Bleibt die Erkenntnis, dass kleinräumige Strukturen wie
die für uns wichtigen Höhentiefs dabei wohl "unter den Tisch fallen", weil sie
nicht aufgelöst werden (können).
FAZIT: Das warme und wechselhafte, zu Gewittern und teils kräftigen
Niederschlägen neigende Wetter bis Mitte kommender Woche ist relativ sicher.
Danach ist die Varianz der Modelle und Ensembles so breit gestreut, dass keine
belastbare Vorhersage möglich ist. Eine leichte Mehrheit tendiert in der zweiten
Wochenhälfte zu einem Trog- oder Höhentiefdurchgang mit anschließender
Abkühlung, aber auch die Variante anhaltend warm bei steigendem Luftdruck findet
nicht wenige Anhänger. Wofür sich die Atmosphäre letztlich entscheidet, bleibt
abzuwarten.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen
GEWITTER MIT STARKREGEN (lokal UNWETTER):
EFI zeigt vor allem am Sonntag und schwach noch am Montag in einem Streifen vom
Nordwesten bis in den Süden und Südosten Signale für überdurchschnittlich viel
CAPE und Regen. Dieser Regen fällt folglich zumeist im Zusammenhang mit
kräftigen Gewittern, die Starkregen bzw. lokal heftigen Starkregen bringen. Am
Sonntag ist vereinzelt sogar extrem heftiger Starkregen gering wahrscheinlich.
Zudem kann es auch außerhalb von Gewittern ein- oder mehrstündigen Starkregen
geben, wobei ebenfalls örtlich Unwetter wahrscheinlich sind.
Am Montag ist das Unwetterpotenzial insgesamt geringer.
Ab Dienstag gibt es gebietsweise teils starke Gewitter, stellenweise erneut mit
Starkregen. Unwetter bezüglich Starkregen sollten dann aber höchstens sporadisch
auftreten.
WIND:
Am Freitag simuliert der Hauptlauf des EZMW ein kräftiges Tief über der Nordsee.
Sollte diese Konstellation trotz größerer Zweifel tatsächlich so eintreten,
könnte es mit dem dann vorhandenen Gradienten zu starken bis stürmischen Böen
bis ins Tiefland kommen.
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Basis für Mittelfristvorhersage
EZMW, EZMW-EPS, ab Wochenmitte MOSMIX als Kompromiss, weil die Modelle keinen
Konsens erzielen.
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Simon Trippler