DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist
24-05-2020 11:01
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 24.05.2020 um 10.30 UTC
Abgesehen von einzelnen Schauern im Osten meist durchweg trocken. Anfangs in den
Nächten lokal noch leichter Frost in Bodennähe. Mäßig-warm bis warm mit
zunehmender Waldbrandgefahr.
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Synoptische Entwicklung bis zum Sonntag, den 31.05.2020
Kurz und knapp, seit gestern hat sich verständlicherweise an den
nordhemisphärischen Ausführungen inklusive dem Blick auf tropisch-außertropische
Interaktionen wenig geändert. Auch die neuesten Daten zeigen die markante,
ostwärts wandernde konvektiv gekoppelte Kelvinwelle und einen MJO, der sogar
noch etwas kräftiger aus dem Sektor 4 in Richtung 6/7 (Westpazifik) wandert, um
dann in grob 10 Tagen unter Abschwächung in Richtung Ostpazifik/Karibik
voranzukommen. Dies wird mittlerweile auch zum Monatswechsel mit üppiger
Höhendivergenz (radialem Höhendivergenzkranz über der westlichen Karibik) in der
Deterministik gezeigt. Dies fällt zusammen mit verstärktem zonalen Impulsfluss
im Polarfrontjetniveau (siehe Beschreibung von gestern), sodass zum
Monatswechsel die Tendenz zu etwas mehr Dynamik über dem Nordatlantik gegeben
ist. Ob sich dies in einem progressiveren Verhalten der Tröge oder in einer
verstärkt mäandrierenden Strömung niederschlägt bleibt abzuwarten.
Bis dahin allerdings bleibt das festgefahrene Wellenmuster über dem
nordatlantischen und europäischen Sektor bestehen. Der troposphärische
Polarwirbel schwächt sich besonders im asiatisch-pazifischen Sektor im Verlauf
der (erweiterten) Mittelfrist ab, während er über Grönland und dem
Kanadisch-Arktischen-Archipel nicht nur die Stellung hält, sondern auch zum
dominanten (Dreh)Zentrum wird (beständig leicht positive NAO). Im Hovmöller
(v-Wind zwischen 30 und 60 Grad Nord im Tropopausenniveau) sieht man gut, wie
der seit Mitte Mai quasi-stationäre Rossby-Wellenzug über dem Nordatlantik und
Europa noch bis zum Monatsende bestand hat, bevor sich im nordatlantischen
Sektor dann eine Wellenverschiebung andeutet (Trogachse rutscht im Mittel 20
Grad nach Osten, wobei gleichzeitig eine Verkleinerung der Wellenzahl zu
erkennen ist, u.a. dank der oben angesprochenen größeren dynamischen
Komponente). Allerdings hapert es mit dem "downstream development", denn über
Europa ändert sich außer einer geringfügigen retrograden Verlagerung des
osteuropäischen Troges/später Höhentiefs erstmal wenig. Die nach einem kurzen
positiven Ausflug Ende Mai in den negativen Bereich zurückgehende NAM deutet
bereits das zunehmende Potential für hoch im Norden ansetzende
Blockierungsmuster an und wurde auch gestern in der Clusteranalyse hervorgehoben
(Vereinigung positiver Geopotentialanomalien über dem nördlichen zentralen
Atlantik und Nordskandinavien).
Verschärft wird das Ganze noch durch mehrere "low latitude" Höhentiefs über dem
östlichen subtropischen Atlantik (hervorgerufen durch eine die Mittelfrist über
antizyklonal brechende Rossby-Welle vor Island) und unserem südosteuropäischen
und während der Mittelfrist abtropfenden Höhentief. Beide resultieren in jeweils
recht stabile "Hoch-über-Tief" Blockierungslagen. Entscheidend für die
mittelfristige Entwicklung wird der Aufbau dieser Blockierungslagen sein und ob
die jeweils abtropfenden Höhentiefs in ihrem Verlauf (besonders zum
Monatswechsel) noch mehr oder weniger stark interagieren.
Aus dieser Konstellation mit anormal hoher Geopotentialanomalie über dem
Nordostatlantik und Nordskandinavien ergibt sich zum Ende der Mittelfrist über
dem Großteil des europäischen Sektors eine Schwachstelle im Geopotential, die
nicht nur bestimmt, wie groß der Einfluss von u.U. weiteren Abtropfprozessen aus
der über Island verlaufenden Frontalzone sein wird, sondern auch wie effektiv
die retrograde Verlagerung des südeuropäischen Höhentiefs gen Mitteleuropa
verläuft. Schon mal vorweg - die optimistischere retrograde Verlagerung wird
auch im Ensemble gestützt.
In der Mittelfrist, beginnend am Mittwoch den 27. Mai 2020, bleibt bis
einschließlich Freitag das Geopotentialmuster mehr oder weniger unverändert
bestehen. Hohem Geopotential über Frankreich steht die Rossby-Welle über
Osteuropa gegenüber, die zum Freitag beginnt abzutropfen. Die oben angesprochene
geringe retrograde Verlagerung bringt das tiefe Geopotential zwar zunehmend in
die Peripherie Ostdeutschlands, doch sollte bis dahin sein Einfluss noch
vergleichsweise gering ausfallen. Allerdings erfassen schwache Kurzwellen
Ostdeutschland und wirken sich dort zumeist durch zeitweise ausgedehnte
Wolkenfelder bzw. verstärkte tageszeitliche Konvektion aus. Die gestern
hervorgehobene Frontpassage von Mittwoch auf Donnerstag wurde seitdem noch etwas
zurückgefahren (dynamisch, wie auch von zonaler Ausprägung) und bringt wohl am
Mittwoch der Mitte und dem Osten und am Donnerstag dem Südosten noch einzelne
Schauer, in Staulagen vielleicht auch wenige Liter Nass. Dabei gilt: je
östlicher und je näher am Gebirge, desto eher das Nass. Ob es für ein Gewitter
reicht entscheidet u.a. die Lage des Höhentiefs. Klingt alles recht
durchwachsen, doch ist der Gesamteindruck präfrontal am Mittwoch im Südosten und
postfrontal am Donnerstag im Nordosten ein freundlicher. Am Freitag ist der
"Spuk" aber vorbei und die Sonne scheint von einem meist wolkenlosen Himmel.
Im Westen und Südwesten hingegen bleibt es freundlich, vielerorts auch
sonnig/klar. Einzig während der Frontpassage muss mit teils dichteren
Wolkenfeldern gerechnet werden und es bleibt durchweg trocken.
Mit einem zögernd von England nach Südschweden wandernden Bodenhoch fließt
durchweg stark gealterte/modifizierte Polarluft nach Deutschland, sodass es
nicht schwül, sondern mit trockenen rund 20 Grad im Osten und 24 Grad im
Südwesten zumeist mäßig warm bleibt (Ostseeküste noch etwas kühler). Zwar kann
man es sicherlich bald nicht mehr hören, doch wenn es ungünstig läuft, dann kann
örtlich in einzelnen Senken und Muldenlagen lokal Frost in Bodennähe auftreten -
das jedoch nur sehr lokal.
Am Wochenende greift dann nach Leseart des jüngsten IFS-Laufs das bis dahin
abgetropfte Höhentief zunehmend auf Deutschland über und würde danach dem
Nordosten vor allem am Sonntag etwas Okklusionsniederschlag bescheren. Doch ein
rascher Blick auf die letzten drei Modellläufe von IFS zeigt, dass man sich hier
noch nicht großartig aus dem Fenster lehnen sollte, denn mehrere und pot.
(peripher) interagierende Höhentiefs sind ein Garant für große
Modellunsicherheiten. Aber im Ensemble kann eine Tendenz hin zu besserer
retrograder Verlagerung erkannt werden, sodass diese Option hier auf jeden Fall
Erwähnung finden soll (siehe dazu auch die Clusteranalyse). Besonders im
Südwesten würde es meist sommerlich warm und trocken bleiben. Der jüngste
IFS-Lauf macht es zwischen Eifel und Bodensee bis Anfang Juni gar durchweg
trocken und auch sonst muss man Regionen mit bis dahin aufsummierten 10 Liter
auf den Quadratmeter oder mehr suchen.
Aber wie gestern angedeutet entscheiden die genaue Position bzw. Zugbahn der
Höhentiefs, wo regional hohe Regensummen fallen können, was aktuell vor allem
Osteuropa betrifft.
Auch wenn die Option von Regenfällen in Verbindung mit dem Höhentief weiterhin
besteht, muss aus jetziger Sicht auf eine deutlich ansteigende Waldbrandgefahr
hingewiesen werden, dank trockener Luft und häufig guter Einstrahlung.
Auch die erweiterte Mittelfrist zeigt keine größeren Änderungen mit positiven
Geopotentialanomalien über Fennoskandien und hohen Anomaliewerten über dem
Nordostatlantik, sowie relativ niedrigem Geopotential über weiten Bereichen
West-/ Mittel- und Osteuropas. Tendenziell sollten die Schwüle und
Schauer-Gewitterneigung von Südwesten zunehmen und das bei sommerlichen Werten
um 25 Grad. Beim Geopotential ergeben sich die größten normalisierten
Standardabweichungen zunehmend über Westeuropa (England bis Portugal), was mit
weiteren möglichen Abtropfprozessen nach Süd/Südwest zusammenhängt.
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs
Die Modellkonsistenz von IFS ist bis einschließlich Freitag hoch, wobei
auffällt, dass die Kurzwelle am Mittwoch/Donnerstag im Osten nun schwächer
gerechnet wird. Daher ist auch der deutlich verringerte Niederschlagsoutput im
Modell nicht weiter verwunderlich. Vielleicht reicht es im Stau des Erzgebirges
und entlang des östlichen Alpenrandes in Bayern für wenige Liter Nass.
Am Wochenende wird der dominante Höhenkeil über Westeuropa abgebaut und ein
Höhentief über Ost-/Südosteuropa nähert sich Deutschland von Osten. Allerdings
gibt es weiterhin große Unsicherheiten, wohin und wie schnell es sich westwärts
verlagern wird. Nach dem neuesten IFS-Lauf soll es nun doch wieder etwas näher
an die deutsch-polnische Grenze heranrücken und könnte am Sonntag dem Nordosten
etwas Regen bringen. Diese Tendenz ist aber unsicher.
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Vergleich mit anderen globalen Modellen
Eine sehr ähnliche Entwicklung ist bei den anderen Globalmodellen auszumachen.
Es fällt auf, dass die Modelle anscheinend große Probleme mit der Kurzwelle von
Mittwoch auf Donnerstag haben, die den Osten Deutschlands streifen sollte. Weder
Phase noch Amplitude stimmen in der Modellschar richtig gut überein, ICON
entwickelt gar ein abtropfendes Höhentief, das Donnerstag tagsüber über Polen
südwärts zieht. Egal welche Lösung, die hebungsfördernden Komponenten (Dynamik)
scheinen bei allen Rechnungen erst südöstlich von Deutschland ihre Wirkung in
Form von mehr Hebung/Niederschlag zu zeigen.
In der Folge (am Wochenende) wird die Preisfrage sein, wie schnell das Höhentief
über Südosteuropa nach Nordwesten zieht, wobei ICON keine Zeit verliert und am
Sonntagmorgen bereits Nordostdeutschland zentral erfasst, während GFS noch über
Rumänien verweilt. Zudem ergeben sich dann größere Unsicherheiten, wie stark die
Geopotentialbrücke über Nordeuropa geschwächt wird. GFS und IFS bringen beide
neue Höhentiefs nach Süden, die West-Südwesteuropa beeinflussen sollen. Komplexe
Interaktionen mit dem osteuropäischen Höhentief sind da vorprogrammiert und
münden in erhebliche Modellunsicherheiten.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen
Zum Beginn der Mittelfrist gibt es, wie gestern, drei Cluster (klimat. Regime
"Blockade" mit dem Kontrolllauf im zweiten und dem det. Lauf im ersten Cluster).
Sie zeigen die positive Anomalie über dem Nordostatlantik und tiefes
Geopotential über Südosteuropa. Deutschland, zwischen diesen Gebilden liegend,
kann höchstens von Kurzwellen tangiert werden. Ansonsten deuten die Cluster
keine Unsicherheiten an.
In der Folge gibt es wie gestern nur noch einen Cluster, doch schleicht sich
beim klimat. Regime am Samstag "NAO negativ" ein, während sonst "Blockade" das
bestimmende Regime bleibt. Das positive Geopotential über Westeuropa wird rasch
abgebaut und mündet in eine kräftige Anomaliebrücke, die vom Nordkapp bis nach
Russland reicht. Dabei fällt auf, dass diese Anomalie deutlich zügiger als vor
24h abgebaut wird. Das wiederum ermöglicht dem südosteuropäischen Höhentief eine
stärkere retrograde Verlagerung als noch gestern gedacht und könnte somit als
ernstzunehmende Tendenz für die erweiterte Mittelfristentwicklung angesehen
werden. Eine weitere Diskrepanz zu gestern ist eine deutlich abgeschwächte
Anomalie über dem zentralen Nordatlantik, die jedoch noch keine größeren
Auswirkungen auf die Entwicklung stromab hat. Deutschland gerät dadurch im
Verlauf des Wochenendes zunehmend in den Einfluss des Höhentiefs.
Zum Ende der Mittelfrist sind drei Cluster (durchweg "Blockade") im Angebot,
wobei Kontrolllauf und det. Lauf jeweils im zweiten Cluster zu finden sind. Die
positive Geopotentialanomalie über dem Nordostatlantik wandert ostwärts und
nimmt zunehmend Kontakt mit der Anomalie über der Barentssee und Karasee auf.
Alle Cluster zeigen mehrere Höhentiefs, die über Mittel- und Südeuropa erwartet
werden, allerdings mit hohen zeitlichen und räumlichen Diskrepanzen. Deutschland
verbleibt im Übergangsbereich der Geopotentialbrücke im Norden und dem tieferen
Geopotential (inkl. Höhentiefs) im Süden und Südosten, sodass die Unsicherheiten
bezüglich der Entwicklung sehr hoch sind. Auch ein "Kippen" auf Nordwest kann
bei einer entsprechend dominanten Geopotentialanomalie über dem Atlantik nicht
ausgeschlossen werden (man erinnere sich an die Impulsverstärkung zum
Monatswechsel von Westen her).
Die Meteogramme in Deutschland stützen die Frontpassage am Mittwoch/Donnerstag
nun kaum noch mit Niederschlagssignalen und meist bleibt es durchweg trocken.
Einzig in Staulagen von Erzgebirge und der Alpen gibt es weiterhin schwache
Signale für etwas Nass. In der erweiterten Mittelfrist nehmen dann die
Wahrscheinlichkeiten für konvektive Niederschläge (mit hohen
Einzelmemberspitzen) allmählich von Osten zu.
Die Temperaturwerte verändern sich kaum und gehen erst am Wochenende geringfügig
nach oben und auch die Rauchfahnen (850 hPa Temperatur und 500 hPa Geopotential)
zeigen nur geringe Änderungen mit vergleichsweise geringer Memberstreuung.
Die ENS von GFS sehen es ähnlich mit 850 hPa Temperaturwerten, die sich aus dem
zu kühlen Bereich im Verlauf der Vorhersage langsam dem Modellklima nähern.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen
Kurz und knapp: Der EFI zeigte durchweg keine vom Modellklima abweichende
Szenarien und auch sonst ist es müßig einzelnen stürmischen Böen im Bergland und
an der See mehr als nur flüchtige Aufmerksamkeit zu schenken.
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Basis für Mittelfristvorhersage
IFS, IFS-EPS und MOSMIX
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Helge Tuschy