DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist
07-05-2020 09:30
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 07.05.2020 um 10.30 UTC
Im Süden und Südosten erst Gewitter, mitunter Stark- und/oder Dauerregen. Dann
markanter Kaltlufteinbruch und spät(st)winterlich mit Schnee, teils bis in tiefe
Lagen. Zur Wochenmitte Wetterberuhigung, aber Nachtfrostgefahr.
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Synoptische Entwicklung bis zum Donnerstag, den 14.05.2020
Der Beginn der heutigen Mittelfrist ist geprägt von einem markanten
Kaltlufteinbruch mit spät(st)winterlichen Zügen. Leser mit einem Fable für
Bauernregeln und Zahlenspielereien werden sofort anmerken, dass der
Kaltlufteinbruch erstaunlich gut in den (nicht kalenderkorrigierten) Zeitraum
der Eisheilige fällt. Da deren statistische Evidenz allerdings äußerst
fragwürdig ist (ein Kaltlufteinbruch ist Mitte oder Ende Mai nicht
wahrscheinlicher als Anfang des Monats) und in der landläufigen Interpretation
ohnehin als Synonym für jeglichen, klimatologisch zu diesem Zeitpunkt nicht
unüblichen Kaltlufteinbruch herhalten muss, soll an dieser Stelle nicht näher
darauf eingegangen werden. Informationen dazu wird es in einem der nächsten
Themen des Tages geben.
Wir beschränken uns hier nun ganz nüchtern auf die synoptischen Strukturen der
Großwetterlage:
Ausgangspunkt der Umstellung der Großwetterlage am Sonntag ist ein klassisches
Viererdruckfeld: Dem Paar "Hoch 1030 hPa südlich Island, Tief 995 hPa
Bottnischer Meerbusen" steht das Paar "Tiefkomplex 1000 hPa Südfrankreich, Hoch
1020 hPa Schwarzes Meer" entgegen. Ersteres führt zu einer von der Grönlandsee
über die Nordsee bis nach Nordwestdeutschland reichenden, strammen
Nordnordwestströmung und massiver Kaltluftadvektion, die eine entsprechende, zur
Nordsee gerichtete Austrogung nach sich zieht. Das Tief über Südfrankreich hält
nochmal mehr oder weniger erfolgreich mit Advektion subtropischer Warmluft bis
nach Südostdeutschland dagegen. Dies führt zu einem veritablen
Temperaturgradienten (T850 zwischen -4 Grad in Nordfriesland und +15 im
Berchtesgadener Land). Das Zusammenspiel von Frontogenese und PVA auf der
Trogvorderseite lässt schauerartig durchsetzte Regenfälle bevorzugt diagonal
über den mittleren Landesteilen aufkommen. Während weiter nach Nordwesten zu nur
leichter Regen oder Sprühregen zu erwarten ist, entwickeln sich ganz im Süden
und Südosten in der feuchtwarmen, instabilen Luftmasse nochmal Gewitter mit
lokalem Starkregen. Geringe Zuggeschwindigkeiten der Zellen lassen eventuell
sogar örtliche Unwetter zu. Durch den postfrontalen kräftigen Luftdruckanstieg
richtet sich ein Keil vom Hoch südlich Island nach Norddeutschland. Die
Druckanstiegswelle führt mit Winddrehung auf Nord vorübergehend zu starken,
besonders im Nordwesten und im Bergland zu stürmischen Böen. In der Nacht zum
Dienstag besteht im Norden bereits Frostgefahr!
Am Montag verändert das Hoch südlich Island weder Stärke noch Position
nennenswert. Da sich das vom Bottnischen Meerbusen nach Lappland ziehende Tief
aber auf unter 980 hPa vertiefen kann, verschärft sich der Luftdruckgradient und
damit auch die Nordnordwestströmung zwischen den beiden Gebilden nochmal. Der
Trog schwenkt mit seiner Achse nach Deutschland und drückt die Luftmassengrenze
nach Süd-/Südostdeutschland, wo sie in der Folge aber etwas schleift, sodass es
gebietsweise zu länger anhaltenden Niederschlägen kommt. Anfänglich könnten
nochmal schauerartige oder gewittrige Verstärkung mit Starkregenpotenzial mit
von der Partie sein, insgesamt sollte der stratiforme Charakter aber schnell die
Oberhand gewinnen. Im Hinblick auf die Mengen könnten bis in den Dienstag hinein
somit strichweise Dauerregen-Warnschwellen (>25 mm/12 h bzw, >30 mm/24 h)
überschritten werden. Allerdings kommt durch den zunehmenden Anafront-Charakter
vor allem ab dem Abend immer häufiger auch die feste Phase ins Spiel. Zwar setzt
sich im Süden die Kaltluft nur in abgeschwächter Form durch (T850 nur knapp
unter 0 Grad), hohe Niederschlagsraten und effektive Niederschlagsabkühlung
könnten aber dafür sorgen, dass es zumindest in der Nacht zum Dienstag bis in
die tiefsten lagen schneien könnte. In den östlichen und südlichen, höheren
Mittelgebirgslagen sind markante Neuschneemengen über 10 cm in 12 Stunden
möglich, was bei der Belaubung und dem nassen Schnee schnell zu Schneebruch
führen kann. Der Hochkeil schwenkt weiter südwärts und führt auch im Süden zu
einer Gradientverschärfung. Starke bis stürmische Böen in Zusammenspiel mit
nassem Schnee rufen Leiterseilschwingungen (weniger Verwehungen) auf den Plan.
Im Nordosten besteht am Rande der Höhenkaltluft des Troges eine erhöhte
Schauerneigung, ansonsten stellt sich unter Einfluss des Keils ein
Sonne-Wolken-Mix ein. In der vor allem im Norden und in der Mitte teils klaren
Nacht muss verbreitet mit Boden-, stellenweise auch Luftfrost gerechnet werden.
Am Dienstag wandert das Hoch zu den Britischen Inseln, von wo aus sich weiterhin
ein Keil bis nach Deutschland erstreckt. Am Rande des nach Nordosteuropa
schwenkenden Troges wird ein in die nordwestliche Höhenströmung eingegliederter
kurzwelliger Anteil in den Norden und Nordosten Deutschlands gesteuert, sodass
die Schauertätigkeit im Vergleich zum Vortag eher wieder etwas zunimmt. Zudem
treten im Küstenumfeld mit geringer Wahrscheinlichkeit einzelne stürmische Böen
auf. Zwischen dieser Schauerzone und den im Süden langsam abklingenden Regen-
und Schneefällen sorgt der Keil für niederschlagsfreies, wenngleich eher
wolkiges Wetter. Die Nacht zum Mittwoch wartet schließlich wieder mit
verbreiteter Bodenfrostgefahr auf.
Am Mittwoch wird der Nordosten möglicherweise nochmal von einem Kurzwellentrog
gestreift, doch ab Donnerstag übernimmt auch dort ein von Westen übergreifender
Rücken die Wetterregie. Die Luftmasse erwärmt sich unter dem Hochdruckeinfluss
dabei deutlich, sodass T850 am Donnerstag bereits auf Werte zwischen +4 im
Nordosten und +13 im Süden ansteigt).
Ob schon ab Donnerstag im Südwesten bereits Advektion feuchterer und
instabilerer Luftmassen einsetzt, was zu einer zunehmenden Schauer- und
Gewitterneigung führt, ist noch unklar. Spätestens zum Ende der Woche stehen die
Zeichen dann aber wieder auf etwas unbeständigerem, gewittrigem, aber wohl sehr
warmem Wetter.
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs
Die jüngsten IFS-Modellläufe weisen eine hohe Konsistenz auf. Der
Kaltlufteinbruch wird sowohl im Hinblick auf das Timing als auch auf die
Ausprägung sehr kongruent berechnet.
Erst ab Wochenmitte laufen die Simulationen etwas auseinander. Der neuste
IFS00Z-Lauf verzögert den Übergang zu antizyklonalerem, wieder wärmerem
Wettergeschehen zum Teil etwas, indem er am Mittwoch nochmal einen
Kurzwellentrog über den Nordosten Deutschlands hinwegschwenken lässt.
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Vergleich mit anderen globalen Modellen
Bis zur Wochenmitte rechnen die anderen, vorliegenden Globalmodelle eine sehr
ähnliche Entwicklung der Großwetterlage. Nur mit Mühe lassen sich geringfügige
Unterschiede in den synoptischen Basisfeldern ableiten. So zeigen sich
beispielsweise gewisse Unschärfen in der Interaktion des Troges mit der
Luftmassengrenze aka. Kaltfront. Deswegen bleiben noch kleine Fragezeichen, ob
und wo es warnwürdige Regenmengen gibt und wo es für nennenswerten Schnee
reicht.
Ab Wochenmitte fährt GFS eine (vor allem im Nordosten) zyklonalere, kühlere
Schiene als IFS und auch ICON, indem in einer nordwestlichen Höhenströmung
wiederholt kurzwellige Tröge ablaufen. Unterstützung bekommt GFS von GEM und
NAVGEM, JMA dagegen will es ähnlich wie ICON und IFS im Verlauf der zweiten
Wochenhälfte vorübergehend teils sehr warm (und gewittrig).
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Bewertung der Ensemblevorhersagen
Die IFS-EPS-Rauchfahnen ausgewählter Städte verlaufen sowohl für die Temperatur
auf 850 hPa (T850) als auch für das Geopotenzial auf 500 hPa (H500) bis
einschließlich Dienstag eng gebündelt.
Ab Mittwoch nimmt der Spread sukzessive zu. Zwar erholen sich sowohl T850 als
auch H500 im Median (im Süden und Südwesten schneller als im Norden und
Nordosten), allerdings ist die Geschwindigkeit und Ausprägung der Erwärmung und
der Geopotenzialanstieg beim Blick auf die Einzelmember mit größeren
Unsicherheiten behaftet. Vor allem nach Nordosten zu gibt es einige wenige
Member, die vor allem bei der Temperatur keinen nennenswerten Anstieg zu
verzeichnen haben. Nicht nur deterministische IFS-Lauf, sondern auch der
Kontrolllauf gehören zu den optimistischsten Lösungen bezüglich Erwärmung und
Antizyklonalität ab Wochenmitte.
Bei den Niederschlagssignalen zeigen sich in der Mitte, insbesondere aber im
Süden und Südosten signifikante Ausschläge am Montag/Dienstag, weiter nach
Norden zu nur sehr verhaltene etwa 12-24 h früher. Ab Wochenmitte treten nur
noch vereinzelte Niederschlagspeaks auf mit leicht zunehmender Tendenz zum
Wochenende.
Für den Zeitraum +72-96h werden 3 Cluster gebildet, die alle der Klasse
"Atlantic Ridge" angehören. Die Unterschiede mit Fokus auf Mitteleuropa sind
vernachlässigbar.
Im Zeitraum +120-168h wird das IFS-EPS auf stolze 6 Cluster aufgeteilt, die aber
weiterhin alle den Stempel "Atlantic Ridge" bekommen. C1 und C2, mit Abstrichen
auch C5 (13+12+5=30/51, inkl. Haupt- und Kontrollauf) rechnen eher antiyklonales
Wetter mit im Verlauf kräftiger Warmluftadvektion von Südwesten. Bei C3, C4 und
C6 (10+7+4=21/51) ist diese WLA schwach ausgeprägt oder fehlt, vor allem der
Nordosten wäre nach Lesart weiterhin in einer Nordwestströmung und mitunter
zyklonal aufgestellt.
FAZIT:
Der Kaltlufteinbruch scheint ziemlich sicher zu sein, auch im Hinblick auf
Timing und Ausprägung. Natürlich bleibt die Prognose der genauen
Niederschlagsschwerpunkte sowie der Schneefallgrenze dennoch der Kurzfrist bzw.
dem Nowcast vorbehalten. Ab Wochenmitte stehen einige Fragezeichen hinter dem
angedeuteten Erwärmungstrend (weniger hinter der Wetterberuhigung). Vor allem
nach Nordosten zu könnte dies sehr schleppend vonstattengehen, während nach
Südwesten zu eine rasche, im Verlauf kräftige Erwärmung mit ansteigender
Gewittergefahr wahrscheinlicher ist.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen
STURM:
Am Sonntag an der Nordsee und im nordwestdeutschen Binnenlanden einzelne
stürmische Böen Bft 8 wahrscheinlich.
Am Montag vor allem im Süden und Westen in freien und Hochlagen sowie an See
stürmische Böen Bft 8 gering wahrscheinlich.
Am Dienstag im Küstenumfeld einzelne stürmische Böen nicht ausgeschlossen.
GEWITTER/STARK-/DAUERREGEN:
Am Sonntag im Süden und Südosten nochmal einzelne starke Gewitter mit Starkregen
um 20 l/qm wahrscheinlich, in der Nacht zum Montag und Montag tagsüber eventuell
in mehrstündigen Stark- und/oder Dauerregen (>25 l/qm in 6-12 Stunden)
übergehend. Auch im Südwesten und Westen in der Nacht zum Montag Dauerregen
nicht ausgeschlossen.
SCHNEE:
Ab Montagmittag bis Dienstagfrüh in höheren Mittelgebirgslagen (400-600 m) im
Süden und Osten markante Neuschneemengen >10 cm/12 h möglich. Ansonsten vor
allem im Alpenvorland auch in tieferen Lagen Schneefälle mit der Gefahr von
Schneebruch und Leiterseilschwingungen nicht ausgeschlossen.
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Basis für Mittelfristvorhersage
IFS00Z, IFS-EPS, IFS-MIX
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Adrian Leyser