Thema des Tages
27-07-2016 14:40
Ein Hoch auf die Azoren
Der Begriff "Azorenhoch" ist inzwischen in der Allgemeinheit fast
schon zu einem geflügelten Wort geworden. Egal ob beim
Radiowetterbericht, in Fernsehsendungen oder den sozialen Netzwerken,
der Name des berühmten Hochs macht häufig die Runde und jeder
halbwegs Wetterinteressierte weiß damit etwas anzufangen.
Entstanden ist der Begriff aufgrund eines im klimatologischen Mittel
stark ausgeprägten Luftdruckmaximums im Bereich der Inselgruppe der
Azoren über dem Nordatlantik. Der Kerndruck variiert dabei in der
Regel zwischen 1015 und 1035 Hektopascal.
Doch wodurch genau wird dieses Druckmaximum erzeugt? Und warum gerade
dort? Um diese Fragen zu klären, müssen wir uns die großräumige
Luftzirkulation in Äquatornähe anschauen. Dort, im Bereich der
stärksten Sonneneinstrahlung (Sonnenstand zum meteorologischen
Frühlings- und Herbstbeginn im Zenit - also senkrecht zur
Erdoberfläche), erwärmen sich die Luftmassen sehr stark und werden so
zum Aufstieg gezwungen, da warme Luft eine geringere Dichte als kalte
Luft besitzt und damit leichter ist. Diesen Bereich bezeichnet man
als "Innertropische Konvergenzzone" (ITCZ). Der Aufstieg endet häufig
unter stetiger Temperaturabnahme erst an der Grenze von der
Troposphäre zur Stratosphäre (Tropopause) in 15 bis 18 Kilometern
Höhe, wo die Temperatur der Umgebungsluft wieder ansteigt und somit
die Schichtung stabilisiert. Die Luft strömt nun an dieser
Sperrschicht in der Höhe auseinander und sinkt in den Subtropen
wieder ab. Der resultierende Massenzufluss bewirkt einen Druckanstieg
am Boden und es entsteht der "Subtropische Hochdruckgürtel".
Bedingt durch die Verschiebung des Sonnenhöchststandes zwischen den
beiden Wendekreisen variiert auch die Lage des Azorenhochs zwischen
33 Grad Nord in den Wintermonaten (Sonne am südlichen Wendekreis) und
34,5 Grad Nord in den Sommermonaten (Sonne am nördlichen Wendekreis).
Nun liegt die Inselgruppe der Azoren bei rund 38 Grad Nord und damit
noch etwas nördlicher, durch die häufig jedoch großräumige
horizontale Ausdehnung des Hochs von mehr als 1000 Kilometern ist die
unmittelbare Nähe zum Zentrum und damit die Namensgebung trotzdem
mehr als gerechtfertigt.
Wenn es sich aber um einen Gürtel handelt, der an eine geographische
Breite gekoppelt ist, wieso setzt sich die Hochdruckzone aktuell zum
Beispiel nicht über dem Mittelmeerraum fort (siehe Bodendruckanalyse
von heute 0 UTC im Anhang)? Das liegt an der Verteilung von
Landmassen und Seegebieten im stark gegliederten Mittelmeerraum.
Dabei spielt erneut die starke Sonneneinstrahlung in den
Sommermonaten eine Rolle, bei der sich die Land- stärker als die
Wasseroberflächen erwärmen. Hierdurch steigen wiederum die Luftmassen
über dem Festland auf, der Druck am Boden fällt und es bilden sich
sogenannte "Hitzetiefs", klassischerweise über dem spanischen
Hochland oder auch über Anatolien, wodurch die Hochdruckbrücke zum
Azorenhoch unterbrochen wird. In den Wintermonaten schließt sie sich
bei abnehmender Einstrahlung aber häufig wieder, da der
Temperaturkontrast zwischen Land und See in mediterranen Regionen
deutlich abnimmt. Dann sind Druckmaxima auch häufig über dem
Mittelmeerraum zu finden. Die Stärke dieser thermisch induzierten
Hochdruckgebiete wie zum Beispiel das winterliche "Sibirienhoch" mit
einem Rekordwert von 1083,8 hPa (für Stationen unter 750 Metern
gemessen am 31.12.1968 in Agata, Russische Föderation) werden im
subtropischen Hochdruckgürtel allerdings bei weitem nicht erreicht.
Bleibt abschließend noch zu hoffen, dass wir in der nächsten Zeit das
Azorenhoch nicht nur aus der Ferne betrachten müssen, sondern dass
ein Ableger (Hochkeil) auch Mitteleuropa bald mal wieder beehrt. Über
zarte Vorstöße nach Süddeutschland kommt es zumindest in naher
Zukunft nicht hinaus.
Dipl.-Met. Robert Hausen
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 27.07.2016