DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

14-04-2020 10:30

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 14.04.2020 um 10.30 UTC



Norden und Osten in den Nächten Frostgefahr sowie durchweg trocken mit
zunehmender Waldbrandgefahr. Süden und Mitte zeitweise geringe Gewittergefahr.
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Synoptische Entwicklung bis zum Dienstag, den 21.04.2020


Die Mittelfrist gestaltet sich heute als ein unsicherer Geselle, was auch der
Jahreszeit / Übergangszeit geschuldet ist. Beim nun folgenden Blick auf den
Polarwirbel werden (teils vergleichende) Informationen von GFS, GEFS, IFS und
IFS-EPS verwendet, bevor die anschließende Wetterinterpretation wieder durchweg
von IFS/IFS-EPS durchgeführt wird.

Beginnen wir beim troposphärischen Polarwirbel (tPW), der aktuell noch normale
bis leicht negative Anomaliewerte mit Blick auf die gemittelten Zonalwinde bei
rund 60 Grad Nord aufweist und sich die Mittelfrist über weiter abschwächt.
Dabei spaltet sich der Wirbel zunehmend in mehrere (Rossby-)Wellen und
eigenständige Zentren auf, wobei der zunächst aktivste Part bis zum kommenden
Wochenende vom Nordpol zu den Königin-Elisabeth-Inseln im Kanadisch-Arktischen
Archipel verschoben wird. Ein zweiter Schwerpunkt etabliert sich über der
Barentssee, wobei diese Welle schwächer ausgeprägt ist und sich zunehmend bis in
den Raum um Moskau herum erstreckt. Dabei oszillieren beide die Mittelfrist über
mit Blick auf ihre Intensität. Zwischen beiden Rossby-Wellen baut sich über dem
Nordostatlantik eine blockierende Strömungskonfiguration a la "Hoch-über Tief
oder split-flow Regime" auf - während der Polarfrontjet kräftig gen Grönland
abgelenkt wird und per WLA warme und feuchte Luft aus den tropischen Gefilden
nach Grönland advehiert (erkennbar am integrierten Wasserdampftransport) wird
der Subtropenjet etwas weiter nach Süden/Nordafrika verschoben. Kein Wunder,
dass die Blockadetendenz über dem Nordostatlantik zunimmt, auch gefolgt von
einem Absinken der AO/NAO in den negativen Bereich im Verlauf der Mittelfrist
(Medianwert bei knapp -1).
Der Hauptantrieb dieser Antizyklone findet advektiv statt: einerseits in der
Höhe durch kräftige WLA und beständigem / mäßigem diabatischen Input dank eines
aktiven warmen Förderbands, andererseits durch KLA über Skandinavien und der
Entwicklung eines umfangreichen Bodenhochs über dem Europäischen Nordmeer, wobei
Rücken und Bodenhoch zunehmend vertikal (neutral) verschmelzen und das
Gesamtgebilde somit stabiler wird. Da sich mit zeitlicher Abschwächung des tPWs
über Kanada die Advektion westwärts verschiebt wandert auch die Antizyklone
zunehmend retrograd nach West/Nordwest.

Die Entwicklung besonders über dem Nordostatlantik hat auch Auswirkungen auf den
stratosphärischen Polarwirbel (sPW), denn wenn es nach GFS geht wird die
Mittelfrist über durch die Blockierung/positiven Geopotentialanomalien über
Nordeuropa und Grönland ein markanter vertikaler Wellenaktivitätsfluss
hervorgerufen, der letztendlich zum Ende der Mittelfrist dynamisch das "final
warming" einläutet. GEFS zeigt eng gebündelt einen Zeitraum zwischen dem 22. und
23. an, während dieser Zeitraum bei IFS um einige Tage nach hinten verschoben
ist, wobei die Europäer auch eine deutlich schwächere Wellenaktivität andeuten.
Das Zentrum des sPW bleibt über Eurasien liegen bzw. kommt in der erweiterten
Mittelfrist Europa etwas näher. Derweilen wird über dem pazifisch-kanadischen
Sektor mit der Bildung einer markanten Höhenantizyklone der Sommermodus
eingeläutet. Auf jeden Fall deutet sich an, dass sich der Polarwirbel (tPW und
sPW betrachtend) in einen Ast über Kanada und einen über Eurasien abspaltet und
somit eine beständige Druckkonfiguration gegeben ist, die u.U. bis in den Mai
beibehalten werden könnte.

Zoomen wir nun in den nordatlantischen und europäischen Sektor, so zeigen sich
beständig negative Geopotentialanomalien über dem Kanadisch-Arktischen Archipel
sowie Skandinavien und dem nordwestlichen Russland mit höherem Geopotential
dazwischen. Die Vorhersagesicherheit deutlich verringernd sind in diesen Bereich
mit höherem Geopotential (Nordostatlantik) zahlreiche abgeschlossene und
kleinräumige Kaltluftkörper eingeschlossen, die von Natur aus nicht nur dank
fehlender Flugzeugmessungen die Unsicherheiten der Wettervorhersage erhöhen.
Es deutet sich aber an, dass ein vor den Azoren liegendes Höhentief unter
Umwandlung in eine progressive Welle die Mittelfrist über rasch nordostwärts in
Richtung zentrales Mittelmeer geführt wird, während hohes Geopotential über dem
Europäischen Nordmeer tendenziell retrograd nach Grönland wandert. Mit dem
gleichzeitig vorhandenen tiefen Geopotential über Nordosteuropa wird somit
wiederholt die Zufuhr modifizierter Polarluft unterstützt, die je nach Lage und
Intensität der Druckgebilde mindestens bis nach Skandinavien, abgeschwächt
jedoch auch bis nach Mitteleuropa gelangt. Dem gegenüber sorgen die atlantischen
Höhentiefs sowie die progressiv zum Mittelmeer ziehende Welle für WLA, die
ebenfalls in abgeschwächter Form Mitteleuropa erreicht. Als Folge dieser
Konstellation bildet sich quer über Deutschland eine Luftmassengrenze aus, die
in einem "Geopotentialsumpf" liegt. Erst über die Mittelfrist hinausgehend
könnte die Luftmassengrenze mit Passage eines Höhentiefs von Frankreich ins
zentrale Mittelmeer nach Süden gedrückt werden.
Die letzte IFS Multiparameterprognose zeigt auf jeden Fall bis zum Ende der
Mittelfrist anormal starke Ostwinde über Nordwesteuropa (dem Islandhoch
geschuldet) sowie neutrale bis leicht zu kühle bodennahe Temperaturanomalien
über dem Nordosten und teils auch über dem nördlichen Mitteleuropa.

Somit ist die Mittelfrist über von Freitag den 17. April bis Dienstag den 21.
April eine ausgeprägte Zweiteilung beim Wetter zu erwarten. Die trockene und
kühle nordöstliche Strömung sorgt im Norden und Osten für durchweg freundliches
oder sonniges Wetter. Niederschlag ist keiner zu erwarten. Die Höchstwerte
liegen meist um 10 Grad bei auflandigem Wind entlang der Küsten und sonst
zwischen 12 und 16 Grad im Landesinneren. In den überwiegend klaren Nächten muss
gebietsweise mit leichtem Luftfrost gerechnet werden, wobei die Gefahr zum Ende
der Mittelfrist allmählich abnimmt. Allerdings tritt durchweg leichter bis
mäßiger Frost in Bodennähe auf.

Anders sieht es während dieser Zeit über dem Süden und der Mitte aus, wo in
Schüben immer wieder eine feuchte und labile Luftmasse nordwärts nach
Süddeutschland geführt wird. Schauer und einzelne Gewitter sind dabei ebenso zu
erwarten wie zeitweise skalige und länger anhaltende Niederschlagsereignisse mit
regional höheren 24-std. Niederschlagsmengen. Deren Auftreten hängt jedoch von
der Intensität der Warmluftadvektion sowie zahlreicher kurzwelliger Anteile in
der Höhe ab, sodass eine zeitliche und räumliche Eingrenzung aus heutiger Sicht
wenig Sinn macht. Die üppigsten und von den 24-std. Mengen her kräftigsten
Niederschlagssignale sind im 00Z Lauf im gesamten Süden am Samstag auszumachen,
wobei die Niederschläge an eine progressive Welle gekoppelt sind. Die
Höchstwerte pendeln um 20 Grad mit Tiefstwerten im hohen einstelligen/niedrigen
zweistelligen Bereich.
Die größte Unsicherheit und Variabilität beim Wetter wird es aus heutiger Sicht
im Umfeld der Luftmassengrenze über der Mitte geben, die je nach frontnormaler
Strömungskomponente mehr oder weniger ausgeprägten meridionalen Schwankungen
unterworfen ist.

Somit lässt sich zusammenfassen, dass die Mittelfrist überwiegend frei von
markanten Wettererscheinungen abläuft. Neben der angesprochenen und mit Blick
auf die Vegetation sicherlich nicht unbedeutenden Gefahr vor Nachtfrösten im
Norden und Osten nimmt dort auch die Trockenheit wenigstens oberflächennah
wieder zu. Nach dem normalen bis zu nassen Winterhalbjahr ist das während der
Entwicklungsphase der Vegetation kein gutes Zeichen, da aus heutiger Sicht
innerhalb der 10-Tagesprognose kein Niederschlag erwartet wird und auch im
subsaisonalen Vorhersagebereich (bis Anfang Mai) die Anzeichen auf deutlich zu
trocken (NCEP) oder neutral bis leicht zu trocken (IFS) stehen. Allerdings macht
die retrograde Verlagerung des skandinavischen Troges und der Antizyklone bei
Island nach der erweiterten Mittelfrist (Ende April/Anfand Mai) etwas Hoffnung
auf temporär leicht erhöhte Niederschlagswahrscheinlichkeiten im Norden, sollte
der Norden etwas stärker in den Trogbereich gelangen.

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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Die letzten IFS-Läufe zeigen bis zum Wochenende einheitlich negative
Druckabweichungen über dem Nordostatlantik sowie über Skandinavien mit höherem
Geopotential dazwischen über Mitteleuropa. Dabei baut sich über Deutschland eine
Luftmassengrenze auf, deren Lage von Lauf zu Lauf ebenfalls geringfügig schwankt
(Nord-Süd).
Zum Beginn der kommenden Woche nehmen die Unsicherheiten auf europäischer Ebene
deutlich zu, denn wie, wann und ob ein Höhentief über Westeuropa in Richtung
westliches Mittelmeer zieht ist noch überhaupt nicht sicher.
Das alles hat aber bisher kaum Auswirkungen auf das Wetter in Deutschland, denn
die bereits angesprochene Luftmassengrenze über Deutschland hat auch zum Ende
der Mittelfrist weiterhin Bestand.
Dabei deuten sich die Mittelfrist über ein trockener, kühler und freundlicher
Norden und Osten mit Nachtfrostgefahr sowie ein milder und wechselhafter Süden
an. Die Mitte ist der Übergangsbereich, wo auch die Luftmassengrenze zu finden
ist. Weder beim Wind noch beim Niederschlag sind markante Signale auszumachen,
sieht man im Süden von punktuellem Starkregen bei einzelnen Gewittern ab.
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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Bei den anderen Globalmodellen zeigt sich bis einschließlich Samstag eine
vergleichsweise gute Übereinstimmung der Geopotentialmuster. Zum Sonntag hin
nehmen die Unsicherheiten mit der Intensität und Ausrichtung eines Höhentroges
über dem Nordostatlantik bereits deutlich zu, die in der Folge noch größer
werden. Dann nämlich soll ein umfangreiches Höhentief vor/über der Biskaya
abtropfen und in Richtung Frankreich (IFS) oder Spanien (GFS) ziehen, während
ICON davon nichts wissen möchte. Vorerst haben jedoch diese Unsicherheiten keine
größeren Auswirkungen auf das Wetter in Deutschland, da hier die blockierende
Antizyklone über dem Europäischen Nordmeer und die Rossby-Welle über
Nordosteuropa wetterbestimmend bleiben. Diese beiden Druckgebilde werden
wiederum die Mittelfrist über recht übereinstimmend bezügliche Lage und
Intensität erfasst und gezeigt. Deutschland verbleibt nach allen Modellen die
Mittelfrist über in einem Geopotentialsumpf. Detailfragen der Druckverteilung
bestimmen letztendlich die genaue Lage der Luftmassengrenze sowie die Intensität
der Niederschläge im Süden.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Die Cluster beginnen die Mittelfrist einheitlich mit einem einzigen Cluster und
dem klimatologischen Regime "Blockade". Dabei baut sich eine positive
Geopotentialbrücke auf, die vom zentralen Mittelmeer bis nach Island und
Nordostgrönland reicht und ihre Schwachstelle über Mitteleuropa besitzt.
In der Folge bleibt das klimat. Schwergewicht das "blocking", wobei drei Cluster
angeboten werden (Kontroll- und det. Lauf beide im ersten und stärksten
besetzten Cluster zu finden). Dabei zeigen alle drei Cluster eine positive
Geopotentialbrücke vom zentralen Mittelmeer über Spitzbergen bis nach Sibirien.
Größere Diskrepanzen gibt es mit Blick auf die Schwachstelle über Mitteleuropa,
wie schnell diese abgebaut wird. Die Mehrzahl der Member deutet jedoch bis zum
Montag eine überwiegend antizyklonal gekrümmte Höhenströmung an.
Viel ändert sich zum Ende der Mittelfrist bzw. zum Beginn der erweiterten
Mittelfrist nicht. Das klimat. Regime bleibt überwiegend beim "blocking", wobei
der Schwerpunkt der blockierenden Antizyklone nach Grönland wandert und nur
zögernd den Einfluss auf Mitteleuropa und somit auch Deutschland verliert. Neben
dem Geopotentialsumpf werden mehrere kleinräumige Höhentiefs mit variabler
Intensität angedeutet, die vom skandinavischen Trog abtropfend nach Westen
geführt werden. Auf solche Feinheiten muss jedoch bei den vorherrschenden
Unsicherheiten noch nicht eingegangen werden.

GFS-ENS stützt die Entwicklung in etwa trotz teils größerer Druckdiskrepanzen
(u.a. der blockierenden Antizyklone) im Vergleich zum IFS. Die größte
Unsicherheit besteht über der Mitte Deutschlands mit der genauen Lage der
Luftmassengrenze.

FAZIT: Die Cluster zeigen übereinstimmend die Entwicklung einer blockierenden
Antizyklone über dem Europäischen Nordmeer, die zögernd nach Grönland wandert
und die Mittelfrist über besonders im Norden und Osten das Wetter maßgeblich
beeinflusst. Nach Süden zu nehmen die Unsicherheiten zu (abgeschlossene
Höhentiefs oder Wellen mit geringer Amplitude).
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


Beim Blick auf den EFI zeigt sich nur eine geringe Abweichung vom Modellklima
bezüglich der Höchstwerte im gesamten Süden (mit Schwerpunkt Südwesten). Doch
auch diese Anomalie schwächt sich im Verlauf der Mittelfrist ab.
Ansonsten erwarten wir eine warnarme Mittelfrist, sieht man vom Luftfrost und
Frost in Bodennähe im Norden und Osten, einzelnen Bft 8-er Böen im Küstenumfeld
der Ostsee sowie örtlich markantem Starkregen bei Gewittern in Süddeutschland
ab.
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Basis für Mittelfristvorhersage
Rahmenbedingungen der Stratosphäre: GFS/GEFS/IFS und IFS-ENS
Interpretation sowie Vorhersage: IFS/IFS-ENS sowie MOSMIX
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Helge Tuschy