Thema des Tages

21-03-2020 09:50

Hector the Convector

Bei den Tiwi Islands im Norden Australiens ereignet sich zu
bestimmten Jahreszeiten ein fast tägliches Schauspiel, welches die
Ortsansässigen "Hector" nennen. Was genau ist dieser Hector und wie
kommt er zustande?

"Hectors" sind sich fast täglich bildende Cumulonimbuswolken (also
Gewitterwolken) vor der Küste Darwins, die hauptsächlich von
September bis März auftreten. Dabei können sich diese Wolken bis zu
20 Kilometer in die Höhe erstrecken und werden an bis zu 80% der Tage
während diesem Zeitraum beobachtet.

Ein Effekt, der ihre Entstehung begünstigt, wird häufig auch in
anderen Regionen der Welt auf Inseln, Halbinseln und entlang von
Küsten beobachtet. Die Rede ist von der "Land-Seewind-Zirkulation".
Wenn tagsüber die Sonne scheint, heizt sich die Landoberfläche viel
schneller auf als das umgebende Meerwasser und somit auch die darüber
befindliche Luft. Die warme Luft über der Landfläche besitzt eine
geringere Dichte als die darüber liegende Luft und die über dem Meer.
Dadurch wird sie zum Aufstieg gezwungen und es entsteht ein
Bodentief. Da die Natur stets ein Gleichgewicht anstrebt strömt die
"fehlende" Luft vom Meer nach. Die von der See Richtung Land
strömende Luft besitzt eine hohe Feuchtigkeit. Die im Wasserdampf
enthaltene Energie kann durch Phasenumwandlungsprozesse entweder an
die Umgebung abgegeben werden (Kondensation, also Umwandlung von
Wasserdampf zu flüssigem Wasser) oder der Umgebung Energie entziehen
(Verdunstung, also Übergang von flüssigem Wasser zu Wasserdampf). Im
hier beschriebenen Fall steigt die feuchte Luft auf und kühlt sich
dabei ab, sodass der Wasserdampf auskondensiert und der Umgebung die
freigewordene Energie zugeführt wird. Dabei können sich mächtige
Gewitterwolken bilden.

Bei solch einer Gewitterbildung werden zumeist 2 Größen betrachtet,
das CAPE und das CIN. CAPE steht für "Convective Available Potential
Energy", also die Energie, die der aufsteigenden Luft und damit zur
Bildung der Wolke zur Verfügung steht. CAPE ist umso höher, je größer
die Luftfeuchtigkeit des aufsteigenden Luftpakets ist und je größer
der Temperaturunterschied zur Umgebungsluft ist. Bei einem CAPE-Wert
von 2000 J/kg oder mehr ist die Wahrscheinlichkeit für ein Gewitter
sehr hoch. Wie man sieht, sind die genannten Effekte des
Land-See-Windsystems förderlich für ein hohes CAPE und die Bildung
von Gewittern. Das CIN hingegen ist die "Convective Inhibition", also
die konvektive Hemmung. CIN ist quasi eine Energieschwelle, die das
Luftpaket überwinden muss, um das Level der freien Konvektion (LFC)
zu erreichen. Ab diesem Level kann das Luftpaket aus eigener Kraft
aufsteigen, ohne Energie von außen zugeführt zu bekommen. Je geringer
CIN also ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass durch die Aufwinde
der Land-Seewind-Zirkulation über Land Gewitterwolken entstehen. Hohe
CIN-Werte kommen durch trockene Luft, Inversionen oder abkühlende
Luft in den Abendstunden zustande.

Da die Hecktor-Wolken am Mittag bis frühen Nachmittag entstehen, sind
die genannten Effekte des Land-See-Windsystems sowohl förderlich für
ein hohes CAPE und gleichzeitig verhindern sie hohe CIN-Werte, was
optimale Bedingungen für einen Hector bedeutet. Durch die hohe
Luftfeuchtigkeit und immer sehr ähnlichen Wind-Bedingungen in der
Prämonsunzeit (November bis Januar) kann dieses Phänomen bei den Tiwi
Islands annährend täglich auftreten.

Aber wieso heißt diese Gewitterwolke eigentlich Hector? Angeblich
erhielt sie diesen Namen von Piloten im zweiten Weltkrieg. "Hector"
kommt aus dem Griechischen und bedeutet so viel wie "festhaltend".
Durch die enorme Größe und das beständige Entstehen konnten
Hector-Wolken von den Piloten und der Marine zur Navigation genutzt
werden.


Praktikant Vinzenz Schach und Dr. Markus Übel
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 21.03.2020

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