Thema des Tages
18-03-2020 09:20
Frühling kommt, Kaltfront auch - ja was denn nun?
Am kommenden Freitag, den 20. März um 4:49 MEZ beginnt der
astronomische Frühling 2020. Und was macht die Atmosphäre? Die neue
Jahreszeit startet mit einem fetten Dämpfer namens Kaltfront -
Unverschämtheit!
Bald 20 Tage ist es her, dass der meteorologische Frühling bei uns
Einzug gehalten hat. Die meteorologischen Jahreszeiten beginnen u.a.
wegen der besseren statistischen Analyse immer am 1. der Monate März,
Juni, September und Dezember. Nun zieht am Freitag auch der
astronomische Frühling nach, dessen Eintrittszeitpunkt von Jahr zu
Jahr variiert. Er markiert die erste Tag-und-Nacht-Gleiche des
Kalenderjahres, doch die astronomischen Aspekte sollen an dieser
Stelle nicht das Thema sein.
Widmen wir uns vielmehr dem Wetter respektive der Wetterlage, die
sich ab Freitag nicht so recht an die astronomischen Vorgaben halten
und lieber ihr eigenes Ding durchziehen will. Und um
Missverständnissen vorzubeugen, es sind nicht etwa rebellische
Tiefdruckgebiete, die es dem Lenz schwermachen, einen standesgemäßen
Einstand zu feiern. Nein, es ist ein dickes fettes Hoch, das sich
über Nordeuropa festsetzt und dabei trocken-kalte Luftmassen aus
Skandinavien bzw. Nordwestrussland zu uns schaufelt. Doch der Reihe
nach.
Aktuell liegen nämlich weite Teile Deutschlands auch schon unter
Hochdruckeinfluss. Genau genommen handelt es sich um eine sogenannte
Hochdruckbrücke, die das berühmte Azorenhoch mit dem Hoch HELGE über
der Ukraine verbindet und selbst den Namen INGOLF trägt. INGOLF meint
es gut mit den meisten von uns, will heißen, am heutigen Mittwoch
scheint in weiten Teilen des Landes die Sonne (okay, einige
Nebelfelder im Süden lösen sich etwas schleppend auf, aber sonst
Daumen hoch). Dabei steigt die Temperatur auf 15 bis 21 Grad, so dass
man mit Fug und Recht von veritablem Vorfrühling sprechen kann. Nicht
ganz so euphorisch sieht es in Teilen Nord- und Nordwestdeutschlands
aus, wo es nicht nur wolkiger, sondern auch windiger und weniger mild
ist (Höchstwerte 9 bis 15 Grad). Je weiter man nach Norden kommt,
desto schwächer der Einfluss von INGOLF. Stattdessen macht sich die
Nähe zu einer ganzen Armada von Tiefdruckgebieten bemerkbar (u.a.
KARAKET, JASMIN I und II), die sich derzeit - NOCH muss man sagen -
über Nordeuropa austoben.
Für die weitere Entwicklung gilt es schon heute den Blick auf den
mittleren Nordatlantik zu werfen, wo ein umfangreiches Hoch namens
JÜRGEN Aufstellung bezogen hat. Dieses Hoch, dessen Schwerpunkt heute
noch weit westlich von Großbritannien und Irland liegt, arbeitet sich
in den nächsten Tagen kontinuierlich nach Osten voran. Zu Beginn des
Wochenendes erreicht JÜRGEN Skandinavien, wo er die derzeit noch
aktiven "Damen" vertreibt. Durch den Wechsel von Tief zu Hoch dreht
der Wind - und das ist entscheidend - bei uns von derzeit noch
südwestlichen Richtungen über Nord auf Ost. Damit gelangt die Luft
nicht mehr vom Atlantik bzw. von der Nordsee, sondern aus
Nord-Nordosteuropa nach Deutschland. Oder mit anderen Worten,
kontinentale Polarluft findet den Weg nach Mitteleuropa, eine
Luftmasse, die wir den gesamten vergangenen Winter bei uns gar nicht
oder nur regional in zaghaften Ansätzen begrüßen durften.
Ja und was bedeutet das nun für uns? Und was hat es mit der eingangs
erwähnten Kaltfront auf sich? Nun, die Kaltfront gehört zu den o.e.
Tiefs und wabert schon jetzt etwas uninspiriert über der Nordsee
herum. Sie wird in den nächsten Tagen nicht nur aktiviert, sondern
durch die Winddrehung auch peu a peu in Richtung Süden gesteuert.
Dabei kommt es nicht nur zu einem substanziellen Luftmassenaustausch,
es fällt mitunter auch etwas Niederschlag: erst Regen, dann zumindest
im Bergland auch Schnee und am Freitag im Süden kurz vor der
Kaltfront sogar einzelne Gewitter. Im Laufe des Wochenendes setzt
sich dann von Norden bzw. Nordosten her in der zunehmend trockenen
Luft wieder vermehrt die Sonne durch.
Der Temperatur wird das nur wenig nutzen, denn deren Kurve zeigt
unweigerlich nach unten. Sind es am morgigen Donnerstag noch
verbreitet 15 bis 22 Grad (einzig der Norden bringt es nur noch auf 9
bis 15 Grad), reicht die Spanne am Samstag und Sonntag nur noch von
gerade mal 6 Grad in Teilen Vorpommerns bis zu maximal 13 Grad an
"Vadder" Rhein. Allerdings fühlen sich diese Temperaturen aufgrund
des vor allem tagsüber böig auflebenden, zeitweise recht ruppigen
Ost-Nordostwinds kälter an als es die Zahlen hergeben. Doch damit
nicht genug, in den Nächten droht verbreitet leichter, stellenweise
(Süden, Osten, Bergland) sogar mäßiger (unter -5 Grad) Luftfrost. In
Bodennähe kann die Temperatur lokal sogar auf Werte um -10 Grad
zurückgehen. Es bleibt abzuwarten, wie die Vegetation damit
klarkommt, immerhin hat sie durch die Witterung der vergangenen
Wochen einen Vorsprung gegenüber dem vieljährigen Mittel
herausgearbeitet, der jetzt zum Problem werden könnte.
Dipl.-Met. Jens Hoffmann
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 18.03.2020
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