Thema des Tages
13-02-2020 11:20
Nach dem Sturm ist vor dem Sturm?
Die Schäden durch Orkantief SABINE sind noch nicht einmal richtig
beseitigt, da geistern bereits die Nachrichten eines neuerlichen
Sturms in Deutschland durch die Medien. Aber was ist dran an diesen
Meldungen?
Orkantief SABINE ist uns allen noch in guter Erinnerung. Der
Wintersturm fegte mit seinem Sturmfeld vergangenen Sonntag bis
Dienstag (9. bis 11.02.2020) über Deutschland hinweg und sorgte für
verbreitet schwere Sturmböen, im Westen und Süden sowie an der
Nordseeküste zeitweise orkanartige bis Orkanböen und in den Bergen
für vollen Orkan.
Ab heute rückt der kommende Sonntag so allmählich in den
Kurzfristzeitraum unserer Wetterprognosen (bis zu 3 Tage). Wagen wir
einen Blick auf die Bodenwetterkarten (siehe Links): Sonntag sind
wieder etliche Isobaren (Linien gleichen Luftdrucks) über ganz
Nordeuropa und respektive auch Deutschland zu sehen. Je enger die
Linien beieinanderliegen, desto höhere Windgeschwindigkeiten sind in
der Regel zu erwarten. Aber das dürfte seit SABINE nun schon vielen
unserer Leser bewusst sein.
Droht nun ein weiterer Sturm in Deutschland oder werden wir
verschont?
Hierzu schauen wir uns die Entwicklung des Druckfeldes in den
kommenden Tagen einmal im Detail an. Am Freitag taucht auf den
Vorhersagekarten östlich von Neufundland das Tief VICTORIA auf. Es
wird unter starker Intensivierung nordostwärts rasen und ab Samstag
zu einem steuernden Orkantief bei Island werden. Beeindruckend
hierbei ist die räumliche Dimension des Tiefdrucksystems mit mehreren
Kernen. Das Isobarenfeld deckt den kompletten Nordostatlantik und
Teile Nordwesteuropas ab. Das gesamte System wird sich bis Sonntag
langsam ostwärts verlagern, sodass das Sturmfeld allmählich
Mitteleuropa erfasst. In der Nacht zum Sonntag wird am Frontensystem
die Entwicklung eines Teiltiefs vor der Küste Südnorwegens
vorhergesagt. Naturgemäß wird dieses dann der Höhenströmung folgend
nordostwärts ziehen. Damit dehnt sich das Sturmfeld bis in den
Nordosten Europas aus. Eindrucksvoll zeigt dies die Prognosekarte von
00 UTC in der Nacht zum Montag. Aus heutiger Sicht wird sich
VICTORIA, die in der Nacht zum Montag bereits bei den Hebriden
erwartet wird, im Laufe des Tages dann rasch abschwächen. Zwar drückt
das Hoch bei den Azoren nach, dennoch wird der Druckgradient über
Mitteleuropa allmählich auffächern.
Ist die Entwicklung ähnlich wie bei SABINE?
Die beigefügten Grafiken zeigen die 84-std. und 108-std.
Vorhersagekarten von SABINE (oben) und VICTORIA (unten), also die
Vorhersagen zum selben Prognosezeitpunkt. Wirft man nur einen kurzen
Blick auf die vier Grafiken, könnte man schnell den Eindruck
bekommen, dass Deutschland wieder eine schwere Sturmlage ins Haus
steht. Schaut man ins Detail und der Einfachheit halber nur auf den
Gradienten im Bodendruckfeld, ist relativ schnell erkennbar, dass
SABINE erstens deutlich näher mit ihrem Kern und den höchsten
Windgeschwindigkeiten an Deutschland lag und zweitens der
Druckgradient über Deutschland stärker war als wir ihn am kommenden
Sonntag und Montag erwarten.
Was bedeutet dies nun im Detail für den Wind in Deutschland?
Aus der Betrachtung der verschiedenen Wettermodelle ergibt sich
folgender Ablauf, wobei zunächst das Hauptaugenmerk auf dem Tiefland
liegt: Im Verlauf der Nacht zum Sonntag wird der Wind in
Nordwestdeutschland bereits aufleben. Das Maximum der Windsituation
wird jedoch erst am Sonntagabend und in der Nacht zum Montag
erwartet, wenn eine Kaltfront auf das Bundesgebiet von Nordwesten her
übergreift. Aus heutiger Sicht werden im Nordwesten und in der Mitte
die höchsten Böen erreicht. Dort ist verbreitet mit stürmischen Böen
und Sturmböen zu rechnen, entlang der Kaltfront und an der
Nordseeküste sind auch schwere Sturmböen möglich. Bis Montagabend
wird von diesen starken Winden vor allem noch der Norden Deutschlands
(nördlich einer Linie Emsland - Rügen) betroffen sein. Auf den Bergen
ist mit großer Wahrscheinlichkeit mit schweren Sturmböen und auf den
exponierten Gipfeln mit Orkan zu rechnen. Die Bewohner in
Süddeutschland abseits der Berge werden von der Windsituation wohl
kaum etwas zu spüren bekommen und sich im Nachhinein vermutlich
fragen, von welchem Sturm diesmal die Rede war.
Welche Unsicherheiten gibt es?
Dieser Sturm, von dem aktuell bereits in den Medien die Rede ist,
wird ein der Jahreszeit entsprechendes "ganz normales" Windereignis
werden und ist aus heutiger Sicht mit Orkan SABINE keinesfalls
vergleichbar. In den Wettermodellen herrscht insgesamt Einigkeit, vor
allem darüber, dass es am Sonntag und Montag bei uns im Nordwesten
stürmisch werden wird. Jedoch gibt es immer noch Unsicherheiten
bezüglich der Details. Diese sind im Vergleich zur Lage von SABINE
zum selben Prognosezeitpunkt (etwa 72 Stunden vorher) deutlich
größer. Aufgrund dessen sind kleine Überraschungsmomente immer noch
denkbar: Die meisten Modelle berechnen aktuell noch eine glatte
Südwestströmung. Allerdings ist nicht ausgeschlossen, dass sich bis
Sonntag in dieser Strömung kleine Wellentiefs ausbilden, die regional
zu einer Verschärfung des Windes führen könnten. Die Prognosen werden
sich in den kommenden Tagen dahingehend konkretisieren. Verfolgen Sie
daher unsere Wettervorhersagen auf unserer Webseite oder in der
WarnWetter-App.
Dipl.-Met. Julia Fruntke
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 13.02.2020
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