Thema des Tages

10-02-2020 08:50

Stilvolle Wolkenkunst: Kármánsche Wirbelstraßen

Mit dem Blick aus dem All auf unsere Erde eröffnen sich immer wieder
faszinierende Wolkenformen, die fast den Anschein von Kunstwerken
erwecken. Ein Beispiel hierfür sind die sogenannten Kármánschen
Wirbelstraßen, die im heutigen Thema des Tages betrachtet werden.

Wettersatelliten blicken kontinuierlich von oben auf unsere Erde und
liefern uns beeindruckende Bilder von der Verteilung und Struktur von
Wolken sowie von großräumigen Strömungsmustern wie beispielsweise die
gigantischen Wolkenspiralen von Tiefdruckgebieten. Gerade die
sogenannten polarumlaufenden Satelliten ermöglichen uns besonders
hochaufgelöste Aufnahmen und nehmen bei ihren Überflügen mitunter
faszinierende Wolkenformationen auf. Sie umkreisen die Erde in nur
etwa 850 Kilometern Höhe auf sonnensynchronen polarumlaufenden
Bahnen.


Richtet man sein Augenmerk zum Beispiel auf die Kanarischen Inseln,
kann man nicht selten besonders stilvolle und symmetrisch angeordnete
Wolkenwirbel südwestlich der Inselgruppe entdecken (siehe
Abbildungen). Die Rede ist von sogenannten "Kármánschen
Wirbelstraßen". Diese werden nicht nur in der Meteorologie
beschrieben, sondern sind ein bekanntes Phänomen der
Strömungsmechanik. Die Strömungsmuster wurden nach dem ungarischen
Ingenieur und Mathematiker Théodore von Kármán (1881-1963) benannt,
der sie erstmals 1910 entdeckte und ein Jahr später veröffentlichte.
Grundsätzlich können Kármánsche Wirbelstraßen in allen flüssigen und
gasförmigen Stoffen (Fluiden) auftreten, also beispielsweise auch im
Wasser oder eben in der aus Luft und Wasserdampf bestehenden
Atmosphäre der Erde. Diese Wirbelschleppen formieren sich unter
bestimmen Voraussetzungen beim Umströmen eines Hindernisses auf der
stromabgewandten Seite.


Das Verhalten des Fluids beim Umströmen des Hindernisses hängt neben
den Fließeigenschaften (Viskosität) des Fluids von der Größe und Form
des Hindernisses sowie von der Strömungsgeschwindigkeit ab. Bei einer
geringen Geschwindigkeit kommt es zunächst noch zu keinerlei
Verwirbelungen (laminare Strömung). Ab einer bestimmten
Geschwindigkeit bilden sich hinter dem umströmten Hindernis zunächst
ortsfeste Wirbel. Diese kann man zum Beispiel häufig an
Brückenpfeilern in Flüssen beobachten. Mit etwas Geschick können Sie
diese auch selbst erzeugen, wenn Sie einen Finger oder ein Lineal mit
der passenden Geschwindigkeit durch eine gefüllte Badewanne auf einer
geraden Linie bewegen. Bei noch höherer Geschwindigkeit lösen sich
schließlich die Wirbel vom Hindernis ab und driften in
Strömungsrichtung. Immer wenn sich ein Wirbel abgelöst hat, bildet
sich ein neuer Wirbel mit entgegengesetztem Drehsinn. Die sich
ablösenden Wirbel reihen sich hintereinander und so entsteht
schlussendlich ein regelmäßiges Muster aus zwei versetzten Reihen mit
gegenläufigen Wirbeln.


In der Atmosphäre können Kármánsche Wirbelstraßen im Kleinen hinter
Flugzeugen oder im Großen hinter Inseln beobachtet werden, die hoch
aus dem Meer ragen. Damit wären wir wieder bei den Kanarischen
Inseln. Die zu Spanien gehörenden Kanaren sind eine Inselgruppe
vulkanischen Ursprungs westlich von Marokko zwischen dem 27. und 29.
nördlichen Breitegrad. Als Hindernisse dienen ihre hohen Vulkankegel
wie beispielsweise der 3718 m hohe Pico del Teide auf Teneriffa, der
der höchste Berg Spaniens ist. Aufgrund der südlichen Lage werden die
Kanaren vom Nordostpassat beeinflusst, der nicht selten genau die
richtige Strömungsgeschwindigkeit besitzt, um im Windschatten der
Vulkankegel südwestlich der Inseln beeindruckende und teils bis zu
1000 Kilometer lange Wirbelstraßen erzeugt. Sie werden aber erst
durch die charakteristischen Wolkenfelder sichtbar, die durch die
Turbulenzen der Wirbel ihre stilvolle Form erhalten. Im Luv der
Vulkankegel entsteht zudem häufig eine Art Bugwelle ähnlich die eines
fahrenden Schiffs. Sie hält die nähere Umgebung der Inseln von der
mit den Passatwinden mitgeführten dichten Stratokumulus-Bewölkung
(nordöstlich der Kanaren) fern und beschert somit den dortigen Inseln
sonniges Wetter.


Neben den Kanaren gibt es noch weitere Inseln und Inselketten, durch
die Kármánsche Wirbelstraßen entstehen können. Beispiele hierfür sind
Guadeloupe vor der Westküste Mexikos mit dem 1298 m hohen Monte
Augusta, die Insel Jeju südlich von Südkorea (siehe Abbildung) mit
dem 1950 m hohen Berg Hallasan oder die chilenischen
Juan-Fernández-Inseln im südöstlichen Pazifik.


Falls Sie Interesse an diesen Wolkenmustern gefunden haben, brauchen
Sie nur ein Archiv der Satellitenbilder von polumlaufenden Satelliten
durchsuchen, online frei verfügbar z.B. auf der Homepage
"https://worldview.earthdata.nasa.gov/". Ich verspreche Ihnen, Sie
werden bei oben genannten Inseln rasch fündig werden.


Dr. rer. nat. Markus Übel (Meteorologe)
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 10.02.2020

Copyright (c) Deutscher Wetterdienst