Thema des Tages

18-07-2016 14:40

Die Hitze kommt, der Körper leidet!

Mit den Wechselwirkungen zwischen den atmosphärischen Prozessen und
den lebenden Organismen (Pflanzen, Tiere und Menschen) befasst sich
die Biometeorologie als interdisziplinäre Wissenschaft. Die zentrale
Frage dieses Wissensbereiches ist: Wie beeinflussen Wetter und Klima
lebende Organismen?

Dabei werden mit dem "aktinischen Wirkungskomplex", dem "thermischen
Wirkungskomplex" und dem "lufthygienischen Wirkungskomplex" allgemein
drei verschiedene Wirkungsbereiche unterschieden.

Der aktinische Wirkungskomplex behandelt die Komponenten der
biologisch wirksamen Sonnenstrahlung; sie reichen vom infraroten über
den sichtbaren bis zum UV-Bereich. Sowohl gesundheitsfördernde als
auch -schädigende Einflüsse sind bekannt: Beim Menschen fördert
beispielsweise Infrarotstrahlung die Durchblutung. Sichtbares Licht
beeinflusst Hormonhaushalt und Psyche. Das größte Wirkungsspektrum
besitzt jedoch die UV-Strahlung: Hautbräunung, Vitamin-D3-Synthese,
aber auch Schädigung von Hautzellen und Sonnenbrand sind nur einige,
vielleicht die bekanntesten positiven wie negativen Auswirkungen der
UV-Strahlung.

Im lufthygienischen Wirkungskomplex werden die natürlichen und die
durch den Menschen verursachten Luftbeimengungen zusammengefasst. Zu
diesen zählen Grob- und Feinstaub, Pollen sowie auch gasförmige und
flüssige Stoffe.

Von besonderem Interesse ist - wie z.B. bei der bevorstehenden
Hitzewelle - der thermische Wirkungskomplex. Zu diesem
Wirkungsbereich gehören alle Größen, die für den Austausch von Wärme
zwischen dem lebenden Organismus und der ihn umgebenden Atmosphäre
von Bedeutung sind. Die wichtigsten meteorologischen Größen sind
dabei Lufttemperatur, Luftfeuchte, Windgeschwindigkeit und Strahlung.
Für eine zahlenmäßige Erfassung und Einordnung des Wohlbefindens, der
Gesundheit und der Leistungsfähigkeit des Menschen ist es notwendig,
die thermischen Umweltbedingungen des Menschen in einer physiologisch
korrekten sowie wirkungsvollen und praktischen Weise aufzubereiten,
darzustellen und weiterzugeben.

Damit die inneren Organe und das Gehirn eines Menschen optimal
funktionieren können, muss die Körpertemperatur auf einem konstanten
Niveau (~37°C) gehalten werden. Dafür sollten die Wärmeproduktion im
Organismus und die Wärmeabgabe an die Umgebung über einen längeren
Zeitraum im Gleichgewicht stehen. Vom Wärmegleichgewicht abweichende
Bedingungen werden dem Menschen - über das Gehirn gesteuert - durch
Frieren oder Schwitzen bewusst und führen so zu einer Anpassung des
Verhaltens, z.B. durch Ablegen von Kleidung, Verminderung der
Aktivität oder Aufsuchen von geschützten bzw. klimatisierten Räumen.


Die Temperatur der Haut und der Extremitäten können dabei jedoch
abhängig von den Umgebungsbedingungen stark schwanken. Überschüssige
Wärme gibt der Körper über die Haut an die Umgebung ab. Mögliche
Prozesse sind beispielsweise die Konvektion (sensibler Wärmefluss),
Strahlung (langwellige Strahlung) sowie die Verdunstung z.B. von
Schweiß und Diffusion von Wasserdampf (latenter Wärmefluss).
Gleichermaßen kann der Wärmehaushalt in einem bestimmten Maße auch
über die Atmung (latenter und sensibler Wärmefluss) reguliert werden.

Aufgrund des unterschiedlichen Stoffwechsels bei Menschen kann das
thermische Empfinden in Abhängigkeit beispielsweise von Alter und
Geschlecht variieren und ist somit lediglich eine subjektive
Bewertung der Auswirkung der Umgebungsbedingungen auf den Zustand des
Körpers.

Um das thermische Empfinden auf Basis der vorgefundenen
Umgebungsbedingungen zu analysieren und vorherzusagen, wird auf
verschiedene Konzepte zurückgegriffen. Ein weitverbreitetes Konzept
basiert dabei auf der Betrachtung einer "äquivalenten Temperatur".
Sie beschreibt in diesem Fall die Lufttemperatur, die in einer
Referenzumgebung herrschen müsste, um das gleiche thermische Befinden
wie in der aktuellen Umgebung (optimalen Zustand des Wärmehaushaltes
des Körpers) hervorzurufen. Der Vergleich der äquivalenten Temperatur
zur Lufttemperatur erschließt sich häufig selbständig, besonders in
Hinsicht auf extreme Bedingungen (Hitze, Kälte).

Der Deutsche Wetterdienst betreibt darauf aufbauend als thermisches
Bewertungsverfahren das sogenannte "Klima-Michel-Modell". Dabei
greift er auf die "gefühlte Temperatur" als eine Variante der
äquivalenten Temperatur zurück, die die Anpassung der Bekleidung an
die aktuellen thermischen Bedingungen berücksichtigt. Allerdings
gelten die Bewertungen jeweils nur für einen aufrecht stehenden
Menschen. Der Klima-Michel beschreibt bei der Bewertung einen
Norm-Menschen. Dieser erbringt eine Arbeitsleistung von 172,5 Watt
bzw. 135 Watt pro Quadratmeter Hautoberfläche. Dies entspricht dem
Zustand "Gehen" mit etwa 4 km/h in der Ebene. Gleichermaßen ist die
Bewertung an den Außenbedingungen ausgerichtet, sodass der "Michel",
um sein thermisches Gleichgewicht herzustellen, seine Kleidung
zwischen einer sommerlichen und winterlichen Variante variieren kann.
Die sommerliche Kleidung entspricht beispielsweise einer leichten
langen Hose, einem kurzärmeligen Hemd und Sandalen.

Aufgrund der derzeitigen Luftdruckverteilung über Europa steht, wie
im gestrigen "Thema des Tages" beschrieben, zumindest vorübergehend
eine Hitzewelle vor der Tür. Zunächst gelangt das Land in den
Einflussbereich von Hoch "Burkhard". Dieser lässt bei absinkenden
Luftbewegungen und somit zunehmender Wolkenauflösung nahezu
landesweit länger die Sonne scheinen. Da die Luft anfangs jedoch
meist noch aus nördlichen Regionen nach Deutschland strömt, sind am
Montag lediglich im Südwesten mit Sonnenunterstützung schon
Höchsttemperaturen von über 30 Grad möglich. Im Nordosten erreichen
die Temperaturen dagegen bei teils auch noch stärkerer Bewölkung nur
deutliche kühlere 18 bis 24 Grad.

Mit der Verlagerung von Hoch "Burkhard" nach Osten dreht die Strömung
jedoch zunehmend auf eine südliche Komponente. Damit verbunden wird
heiße subtropische Luft aus Südwesteuropa angezapft und nach
Deutschland geführt. Als Folge ist am Dienstag nahezu in der gesamten
Südwesthälfte mit Höchstwerten zwischen 29 und 34 Grad zu rechnen.
Aber auch in der Nordosthälfte steigen die Temperaturen meist auf
sommerliche Werte über 25 Grad an. Ausnahmen bilden
Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und der nordöstliche Teil
Brandenburgs, wo bei zunächst weiterhin stärkerer Bewölkung lediglich
um 23 Grad erwartet werden.

Der Mittwoch wird dann wohl der heißeste Tag der Woche.
Deutschlandweit sollen die Temperaturen auf hochsommerliches Niveau
zwischen 26 und 34 Grad ansteigen. In der Spitze könnten im
Rhein-Main- bzw. Rhein-Neckar-Gebiet sowie am Oberrhein lokal sogar
Werte bis 37 Grad gemessen werden.

Bei meist schwachem Wind steigt auch wieder die gefühlte Temperatur
deutlich an. Am heutigen Montag wird vor allem vom Mittelrhein über
das Rhein-Main-Gebiet und den Rhein-Neckar-Raum hinweg bis zum Ober-
und Hochrhein bei gefühlten Temperaturen zwischen 31 und 36 Grad und
somit einem heißen thermischen Empfinden am Nachmittag mit einer
erhöhten Wärmebelastung gerechnet. Auch in Teilen von Rheinland-Pfalz
und dem Saarland sowie Unterfrankens können lokal die gefühlten Werte
die 32-Grad-Marke überschreiten. Am Dienstag liegen die gefühlten
Temperaturen dann wohl in der gesamten Südwesthälfte über 28 Grad. In
der Spitze sind an Ober- und Hochrhein gefühlt sogar bis 38 Grad
möglich. Am Mittwoch wird die Luft zunehmend feuchter. Nachfolgend
ist bei gefühlten Werten zwischen 28 und 38 Grad und somit einem
warmen bis heißen thermischen Empfinden nahezu deutschlandweit mit
einer teils hohen Wärmebelastung zu rechnen. Entlang von Rhein,
Mosel, Neckar und Main sind gefühlte Temperaturen bis 40 Grad
möglich, sodass dort lokal ein sehr heißes thermisches Empfinden
vorliegt.

Weiterführende Informationen zu der Hitze und der Wärmebelastung
finden sie auch unter www.wettergefahren.de oder
http://bit.ly/29O1KqS sowie in der WarnWetterApp des DWD.

Dipl.-Met. Lars Kirchhübel
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 18.07.2016

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