Thema des Tages

16-01-2020 09:20

Scharfes Essen gegen Kälte?

Jeder kennt es, man isst etwas Scharfes und sogleich folgt ein Hitze-
und Schweißausbruch. Aber kann scharfes Essen im Winter wirklich der
Kälte entgegenwirken?

Seit jeher würzen die Menschen ihre Speisen, um mehr oder besseren
Geschmack zu erzeugen. Archäologische Funde belegen die Verwendung
von Gewürzen in Nahrung seit über 6000 Jahren. Mit Beginn der
Welterkundung durch Christoph Columbus verteilten sich die
Gewürzpflanzen über den ganzen Globus und so kam auch die Chilischote
nach Deutschland.

Das in der Chilischote enthaltene Capsaicin ist ein Alkaloid. Es ist
geschmacklos und löst sich in Fetten und Alkohol, aber nicht in
Wasser. Den Schärfegrad einer Chilischote gibt man in
Scoville-Einheiten an. Diese gehen auf den amerikanischen
Wissenschaftler Wilbur Scoville zurück, der Anfang des 20.
Jahrhunderts versucht hat, den eher subjektiven Grad von Schärfe in
eine objektive Skala zu bringen. Die Scoville-Skala reicht von 0 bis
16 Millionen und gibt an, wie viele Tropfen Wasser zur
Neutralisierung eines Tropfens einer scharfen Substanz benötigt
werden.

Da Capsaicin nicht wasserlöslich ist, sollte man zum "Entschärfen"
auf fettige oder hochprozentige Gegenmittel zurückgreifen. Der in
Milch enthaltene Wirkstoff Casein bindet das Capsaicin und schafft so
Linderung. Wasser hingegen sorgt nur für eine weitere oder erneute
Verteilung des Schärfewirkstoffs und bewirkt somit das Gegenteil.

Capsaicin hat, wie bereits oben erwähnt, keinen Geschmack, es sorgt
lediglich für eine Reizung der Nervenenden, die normalerweise auf
Schmerzreize durch die Einwirkung von Hitze reagieren. Wenn wir also
etwas scharfes Essen oder Trinken, spürt unser Körper Schmerz. Die
Reizung der Nervenenden führt zu einer erhöhten Durchblutung des
Gewebes und zu einer Ausschüttung von Glückshormonen. Daher findet
Capsaicin auch Verwendung in der Medizin, beispielsweise in
Wärmepflastern, aber auch zur Desensibilisierung von
Schmerzpatienten.

Die erhöhte Durchblutung bei der Aufnahme von Capsaicin sorgt für
einen Anstieg der Körpertemperatur. Wer jetzt aber denkt, scharfes
Essen im Winter wirke dem Kältegefühl entgegen, der irrt, denn der
Anstieg der Temperatur wird vom Körper mit Schweißbildung bekämpft.
Die Verdunstung des Schweißes auf der Haut, also dem Übergang vom
flüssigen in den gasförmigen Zustand, benötigt Energie. Diese wird
sowohl dem Schweiß als auch der Haut und der Luft in Form von Wärme
entzogen und im Ergebnis empfinden wir Kälte. Der Einsatz von
scharfem Essen gegen Kälteempfinden bringt also nur kurz die
gewünschte Erwärmung, bevor die Kälte doppelt "zurückschlägt". In den
tropischen und heißen Regionen der Erde wird die abkühlende Wirkung
von scharfem Essen sehr geschätzt. Dort fehlt in fast keinem Essen
die Zugabe von Capsaicin enthaltenden "Scharfmachern".

Wer sich mit Nahrung von innen wärmen möchte, der sollte auf Suppen
oder Eintöpfe setzen. Nach der traditionellen chinesischen Medizin
wärmen vor allem Rote Bete und Kürbis, aber auch Kohl, Lauch und
Süßkartoffeln, Zwetschgen, Rosinen und Kirschen. Bei Tees empfehlen
sich besonders Fenchel und Anis. Pfefferminztee hingegen wirkt eher
kühlend.

Dipl.-Met. Jacqueline Kernn
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 16.01.2020

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