DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist
29-12-2019 10:01
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 29.12.2019 um 10.30 UTC
Zunächst ruhiges Hochdruckwetter, ab Freitag mit Durchzug einer Kaltfront
vorübergehend etwas kälter und im Bergland ein wenig Schnee.
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Synoptische Entwicklung bis zum Sonntag, den 05.01.2020
Im Mittelfristzeitraum dominiert überwiegend ruhiges, antizyklonal geprägtes
Wetter. Lediglich am Freitag und Samstag sorgt der Durchgang eines Höhentroges
für etwas Abwechslung. Doch der Reihe nach:
Das neue Jahr beginnt fast so, wie das alte aufgehört hat. Mitteleuropa befindet
sich am Neujahrstag im Einflussbereich eines breit angelegten Höhenrückens, der
sich vom Südwesten Europas bis nach Nordskandinavien erstreckt, wobei WLA
vorderseitig eines Höhentroges über dem mittleren Nordatlantik auch über dem
Nordmeer und der Norwegischen See für Potenzialgewinn sorgt. Bis Donnerstag, 00
UTC kann sich dabei eine eigenständige Höhenantizyklone über dem westlichen
Mitteleuropa etablieren.
Diese antizyklonale Dominanz spiegelt sich selbstredend auch im Bodenfeld wider,
wobei das kräftige Hochdruckgebiet seinen Schwerpunkt vom Süden bzw. der Mitte
des Vorhersagegebietes allmählich nach Südosteuropa verlagert. Während der
Norden und Nordosten Deutschlands von den dichten Wolkenfeldern einer Warmfront
gestreift werden, hält sich im Rest des Landes vielerorts dichter (in den
Ballungszentren aufgrund der Böllerei wohl auch extrem dichter) Nebel, der sich
gebietsweise gar nicht auflöst. Außerhalb der Nebel-/Hochnebelfelder scheint
aber oft die Sonne.
Am Donnerstag verlagert sich der Höhentrog vom mittleren Nordatlantik ins
Nordmeer und weitet sich etwas nach Süden, Richtung Britische Inseln, aus. Der
Höhenrücken wird nach Ost- bzw. Nordosteuropa abgedrängt und verliert an
Wellenlänge. Somit stellt sich zumindest über dem Nordwesten des
Vorhersagegebietes eine schwache, noch antizyklonal konturierte südwestliche
Höhenströmung ein.
Im Bodenfeld verlagert sich ein mit dem Trog korrespondierendes Sturmtief
(Kerndruck unter 950 hPa) Richtung Jan Mayen. Die Kaltfront greift in der Nacht
zum Freitag auf die Nordsee über. In weiten Teilen des Vorhersagegebietes
dominiert somit noch der Einfluss der über Süddeutschland hinweglaufenden
Hochdruckbrücke. Mancherorts bleibt es ganztägig trüb, ansonsten scheint aber
vielerorts die Sonne, lediglich im Norden bleibt es eher bewölkt. Von Südwesten
her gelangt sehr milde Luft nach Mitteleuropa, die Temperatur in 850 hPa
erreicht Werte zwischen 6 und 10 Grad. Mit Annäherung der Kaltfront frischt im
Nordwesten und Norden vor allem nachts der Wind aus Südwest auf.
Am Freitag greift der Höhentrog auf Skandinavien über, die Trogachse überquert
die Nordsee südostwärts und erreicht Samstagfrüh Nordwestdeutschland. Rückseitig
wölbt sich über dem mittleren Nordatlantik ein umfangreicher Höhenrücken auf, so
dass die Höhenströmung über West- bzw. Nordwesteuropa auf Nordwest dreht. Das
korrespondierende Sturmtief zieht zur Barentssee, die Kaltfront überquert bis
Samstagfrüh Deutschland südostwärts. Ihr folgt von Nordwesten her hochreichend
kalte maritime Polarluft, die Temperatur in 850 hPa sinkt in der Nacht zum
Samstag auf unter -5 Grad, in 500 hPa auf unter -35 Grad. Dabei kann es bis in
tiefe Lagen einzelne Schnee- und Graupelschauer, eventuell auch mal ein kurzes
Gewitter geben, nennenswerte Neuschneemengen kommen aber lediglich an den
Nordrändern der Mittelgebirge und später auch am Alpennordrand zusammen. An den
Küsten und auf den Bergen frischt der Nordwestwind in Böen mit Sturmstärke auf.
Am Samstag überquert die Trogachse Deutschland südostwärts, der Höhenrücken
erstreckt sich in der Nacht zum Sonntag über die Britischen Inseln nordostwärts
bis nach Spitzbergen. Die Höhenströmung dreht trogrückseitig über dem
Vorhersagegebiet auf Nord bis Nordost und von Westen her weitet sich der Keil
eines kräftigen Bodenhochs über den Britischen Inseln bis nach
Südwestdeutschland aus. Somit gelangt von Nordwesten her nach wie vor maritime
Polarluft (T850 hPa zwischen -6 und -9 Grad) ins Vorhersagegebiet, wobei es vor
allem an den Nordrändern der Mittelgebirge noch leichte, am Alpenrand auch
mäßige Schneefälle gibt. Ansonsten entwickeln sich nur vereinzelte Schneeregen-,
Schnee- und Graupelschauer, eventuell auch ein kurzes Gewitter, im Südwesten
setzt sich auch häufiger die Sonne durch. Der Wind schwächt sich zögernd ab, an
den Küsten kann es aber noch stürmische, auf den Berggipfeln Sturmböen aus
Nordwest geben.
Am Sonntag tropft der Höhentrog über dem westlichen Mittelmeer aus, der
Höhenkeil nimmt eine zunehmend zonale Ausrichtung an und erstreckt sich in der
Nacht zum Montag vom Seegebiet südwestlich der Britischen Inseln über die
Nordsee hinweg bis zur mittleren Ostsee bzw. nach Südfinnland. Somit dreht die
Höhenströmung über dem Vorhersagegebiet auf Ostnordost und ist wieder zunehmend
antizyklonal konturiert. Das korrespondierende Bodenhoch verlagert seinen
Schwerpunkt mehr und mehr nach Mitteleuropa und kann sich noch verstärken. Somit
klingen im Laufe des Sonntags wohl auch an den Alpen die letzten Schneefälle ab
und es stellt sich ruhiges, aber recht kaltes Hochdruckwetter ein. Abgesehen vom
äußersten Norden und Nordwesten, wo sich in der Nacht zum Montag eventuell
wieder die dichteren Wolkenfelder eine Warmfront bemerkbar machen, gibt es
vielerorts mäßigen, in einigen Mittelgebirgs- und Alpentälern über Schnee auch
strengen Frost.
Auch die erweiterte Mittelfrist bleibt nach Lesart des aktuellen IFS-Laufes
antizyklonal geprägt, wobei sich der Schwerpunkt des Hochs nach Osteuropa
verlagert und die Höhenströmung mehr und mehr auf Südost bis Süd dreht. Damit
wird es höhenmilder, während sich bodennah oft recht kalte Festlandsluft hält.
Die Neigung zu beständigem Nebel/Hochnebel in einigen Niederungen dürfte also
zunehmen. Weiterhin also schlechte Aussichten für Winterfreunde.
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs
Der aktuelle IFS-Lauf erweist sich als konsistent zu seinen beiden Vorgängern.
Die Kaltfrontpassage am Freitag wurde vom gestrigen 00 UTC-Lauf quasi identisch
simuliert, gleiches gilt mit geringen Abstrichen für die Trogpassage am Samstag.
Etwas größere Differenzen ergeben sich zum gestrigen 12 UTC-Lauf, der den Trog
weniger weit nach Westen ausgreifen lässt. Dadurch wird die Kaltfront etwas
progressiver simuliert, während sich der Schwerpunkt des Hochs am Samstagmittag
nicht über den Britischen Inseln befindet, sondern weiter südlich. Mit der
dadurch zonaler ausgerichteten niedertroposphärischen Strömung gelangt nicht
ganz so kalte Meeresluft ins Vorhersagegebiet (lediglich -4 bis -7 Grad in 850
hPa), außerdem werden mangels Staukomponente weniger Niederschläge an den
Nordrändern der Mittelgebirge und der Alpen simuliert.
Diese Tendenz zur Zonalität setzt sich auch am Sonntag fort. Während sich im
aktuellen Lauf das Hoch dann genau über Mitteleuropa befindet und trotz
Ostverlagerung auch in der erweiterten Mittelfrist blockierend wirkt, verlagert
sich das Hoch im gestrigen 12 UTC-Lauf nach Frankreich und es stellt sich über
dem Vorhersagegebiet eine eher antizyklonal konturierte West- bis Nordwestlage
ein, wobei Frontensysteme abgeschwächt zumindest den Norden und Osten
Deutschlands überqueren würden. Der gestrige 00 UTC-Lauf tendiert ebenfalls eher
Richtung antizyklonal West.
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Vergleich mit anderen globalen Modellen
Wirklich signifikante Modellunterschiede sind im Mittelfristzeitraum keine
auszumachen. Die Kaltfrontpassage am Freitag bzw. in der Nacht zum Samstag wird
vom IFS etwas progressiver simuliert als von den anderen vorliegenden
Globalmodellen, vor allem nach Lesart des GFS ist sie mit einem schärferen
Gradienten ausgestattet als nach IFS. Im Gegensatz zu den gestrigen Läufen haben
aktuell aber alle deterministischen Läufe die postfrontale Advektion maritimer
Polarluft auf relativ direktem Wege vom Nordpolarmeer nach Mitteleuropa auf der
Karte mit Temperaturen zwischen -6 und -9 Grad (GEM sogar bis -10 Grad) in 850
hPa am Samstag.
Am Sonntag und vor allem dann im erweiterten Mittelfristzeitraum zeigen sowohl
GEM (angedeutet auch das ICON) als auch das GFS - im Gegensatz zum IFS - den
Übergang zu einer antizyklonal konturierten West- (GFS) bzw. Südwestlage (GEM).
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Bewertung der Ensemblevorhersagen
Während sich die Ensembleläufe, Haupt- und Kontrolllauf im Zeitraum T...72+96 h
auf drei Cluster verteilen, die sich bzgl. der Wetterentwicklung in Mitteleuropa
nicht signifikant unterscheiden, tauchen im nächstfolgenden Zeitraum (T+120...168
h) vier Cluster (jeweils 24, 13, 8 und 6 Member, Haupt- und Kontrolllauf in
Cluster 1) auf. Alle Cluster haben die Trogpassage am Samstag auf der Agenda, am
markantesten allerdings Cluster 1, während Cluster 4 nur einen Streifschuss
zeigt.
Für die erweiterte Mittelfrist (T+192...240 h) ergeben sich 6 Cluster (jeweils 13,
9, 9, 8, 7 und 5 Member, Haupt- und Kontrolllauf in Cluster 4). Cluster 1
tendiert Richtung Hoch Mitteleuropa bzw. West antizyklonal, Cluster 2, 3 und 4
Richtung Blockadehoch über Mittel-, später Südosteuropa. Cluster 5 markiert den
Übergang zu einer zyklonalen Westlage und Cluster 6 zeigt das blockierende Hoch
eher über Westeuropa mit einem bis nach Mitteleuropa reichenden Keil.
Dass einige Läufe lediglich einen Trog-Streifschuss am Samstag auf der Agenda
haben, spiegelt sich ganz gut auch in den Rauchfahnen für einzelne Orte im
Vorhersagegebiet wider: Während im Nordosten nahezu alle Member der 850
hPa-Temperatur auf Werte zwischen -5 und -9 Grad zurückgehen, ist der Spread im
Südwesten mit 0 bis -9 Grad deutlich breiter gefächert, 2 bis 3 Einzelläufe
sinken im Gitterpunkt Freiburg nicht einmal unter 0 Grad.
Zu Beginn der erweiterten Mittelfrist steigt die 850 hPa-Temperatur im Mittel,
aber insgesamt innerhalb eines breiter werdenden Spreads wieder an.
Quasi alle Member haben am Freitag und Samstag Niederschlagssignale auf der
Agenda, ab Sonntag sind diese dann allerdings vor allem im Süden und Südwesten
sehr rar gesät.
FAZIT:
Kaltfront- und Trogpassage am Freitag bzw. am Samstag haben sich jetzt
manifestiert, nahezu alle Member und auch die deterministischen Läufe ziehen
mit, wobei noch unsicher ist, wie weit sich die kalte Luft auch im Südwesten des
Landes durchsetzen kann.
Ein Wintereinbruch steht damit aber nicht ins Haus, eher im Gegenteil: Nach
kurzem Intermezzo tendiert die Wetterentwicklung zu Beginn der erweiterten
Mittelfrist wohl Richtung "höhenwarmem" Blockadehoch Mittel- bzw. Südosteuropa
oder West antizyklonal.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen
Mit Kaltfront- und Trogpassage am Freitag bzw. Samstag frischt der Wind deutlich
aus Nordwest auf. An den Küsten gibt es verbreitet stürmische Böen, mit
Wahrscheinlichkeiten bis an die 30% (ECMWF-EPS) am ehesten in der Nacht zum und
am Samstagvormittag an exponierten Abschnitten auch Sturmböen. Insgesamt hat GFS
eine etwas markantere Windentwicklung als die anderen Modelle auf der Agenda. In
den Kamm- und Gipfellagen der Mittelgebirge und der Alpen gibt es ebenfalls
Sturmböen, auf exponierten Gipfeln eventuell auch schwere Sturmböen. In der
Nacht zum Sonntag schwächt sich der Wind rasch ab.
Vor allem im Stau der Alpen kann es in der Nacht zum und am Samstag auch längere
Zeit schneien, für markante Mengen reicht es aber wohl lediglich in exponierten
Staulagen. In der Nacht zum Sonntag kann es bei klarem Himmel vor allem in
schneebedeckten Mittelgebirgs- und Alpentälern strengen Frost geben.
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Basis für Mittelfristvorhersage
IFS, MOSMIX, wobei die Temperaturen in der Nacht zum Sonntag wohl deutlich zu
hoch simuliert werden.
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Jens Winninghoff