DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist
15-12-2019 10:30
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 15.12.2019 um 10.30 UTC
Erst SWz/Sz: Sehr mild, relativ ruhig, nur in den Alpen zeitweise Fönnsturm.
Später Übergang zu Wz: Windig und nass, immer noch mild.
Und Weihnachten? Wahrscheinlich meist grün!
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Synoptische Entwicklung bis zum Sonntag, den 22.12.2019
Der Dezember feiert heute Bergfest. Als erster Monat des meteorologischen
Winters brachte er bekanntlich aber noch nicht viel Winterliches zustande. Und -
ohne den Spannungsbogen vollends zerstören zu wollen - daran wird sich während
der langsam nur Neige gehenden Vorweihnachtszeit wohl nicht viel ändern. Im
Gegenteil: Mithilfe einer Südwest- bis Süd-, später Westlage, wird weiter am
Wärmeüberschuss gearbeitet werden. Bevor aber bei denjenigen, die gerne den per
se unwahrscheinlichen Fall einer weißen Weihnacht' eintreten sehen wollen,
Schnappatmung einsetzt, soll an dieser Stelle schon mal darauf hingewiesen
werden: Was die Wetterentwicklung über die Feiertage hinweg angeht, sind noch
nicht alle Würfel gefallen!
Zu Beginn der Mittelfrist am kommenden Mittwoch wird die Nordwesthälfte
Deutschlands zunächst von einem von der Nordsee über Südskandinavien zum
Baltikum schwenkenden Kurzwellentrog gestreift. Dieser stellt ein Residuum des
über Westeuropa in Richtung dem zentralen Mittelmeerraum abtropfenden Troges
dar. Das Residuum stützt ein nach Karelien ziehendes Wellentief, dessen
Kaltfront die Nordwesthälfte mit leichten Regenfällen südostwärts überquert. Am
Rande einer Antizyklone über Südosteuropa bzw. auf der Vorderseite eines dem
Trogresiduum von Westen folgenden Rückens konturiert sich die Höhenströmung aber
rasch wieder antizyklonal, sodass der Luftdruck über Mitteleuropa steigt. Die
Kaltfront verliert somit rasch an Wetterwirksamkeit und wird quer über der Mitte
stationär. Während rückseitig ein Schwall etwas kühlerer maritimer Polarluft
einfließt (T850 +1 bis -2 Grad) bleibt nach Südosten zu sehr milde Luft
wetterbestimmend (T850 +2 bis +9 Grad, Tmax oft zweistellig). An der See und auf
Mittelgebirgsgipfeln frischt der Wind in Böen vorübergehend stark bis stürmisch
auf, an den Alpen herrscht durch die südwestliche Überströmung eine leichte
Föhnneigung mit einzelnen Sturmböen auf den Gipfeln.
Am Donnerstag schwenkt der Rücken mit seiner Achse rasch ostwärts über
Deutschland hinweg. Nachfolgend stellt sich auf der Vorderseite eines
hochreichenden, steuernden Zentraltiefs noch westlich der Britischen Inseln in
der Höhe zunächst eine indifferente südwestliche, am Boden eine südliche bis
südöstliche Strömung ein, mit der die sehr milde Luft wieder weiter nach Norden
verfrachtet wird. Zum Abend und in der Nacht zum Freitag läuft ein
Kurzwellentrog über den Westen Deutschlands, wodurch dort etwas Regen fallen
kann. Da die Höhenströmung zwischen dem hochreichenden Tief über Nordwesteuropa
und dem Richtung Italien schwenkenden Cut-Off etwas auffächert, lässt der Föhn
an den Alpen vorübergehend nach.
Am Freitag steilt die Höhenströmung über Mitteleuropa durch Amplifizierung und
langsame Annäherung des Westeuropatroges auf und nimmt wieder deutlich an Fahrt
auf. Während sie nach Osten zu indifferent bis leicht antizyklonal konturiert
ist, weist sie nach Westen zu bereits kurzwellige Störungen auf. Ein durch einen
markanten Kurzwellentrog induziertes, kräftiges Randtief zieht nach Lesart von
IFS00 von der Biskaya über die Bretagne und England zur Nordsee. Die Kaltfront
greift mit Regenfällen auf die Westhälfte über. Vorderseitig verstärkt sich die
Warmluftadvektion, T850 steigt vorübergehend auf bemerkenswerte 8 bis 13 Grad
an. Im Falle guter Durchmischung werden am Boden vor allem an den Nordrändern
der Mittelgebirge verbreitet 10 bis 14 Grad, an den Alpen durch mäßigen bis
starken Föhn (orkanartige Böen auf den Gipfeln, Sturmböen in anfälligen
Föhntälern) mitunter deutlich über 15, vielleicht sogar knapp 20 Grad erreicht -
sofern sich die IFS-Lösung mit der besonders starken Süd-/Südwestströmung
durchsetzt.
Am Samstag schwenkt der Trog von West- nach Mitteleuropa. Das o. e. Randtief
positioniert sich achsensenkrecht unter dem Drehzentrum des Höhentroges nahe der
Shetlandinseln und übernimmt die Funktion eines steuernden Zentraltiefs. Die
Kaltfront zieht mit Regen ostwärts durch, rückseitig entwickeln sich unter der
leicht labilen kühleren, maritimen Polarluft (T850 auf +3 bis -1 Grad sinkend)
ein paar Schauer. Der Föhn bricht mit einer möglicherweise markanten Druckwelle
(stürmische Böen auch im Alpenvorland) schnell in sich zusammen.
Am Sonntag und in der erweiterten Mittelfrist zonalisiert die Strömung über dem
Nordatlantik vorübergehend stark, was bei IFS00 u. a. durch einen markanten
Jetstreak von knapp 200 Knoten vor den Toren Westeuropas angezeigt wird. Zwar
ist nicht ganz klar, wie schnell und in welcher Form sich die Zonalisierung auch
über Mitteleuropa durchsetzt, nach kurzem Zwischenhocheinfluss dürfte aber
spätestens zu Beginn der kommenden Woche mit unbeständigem, nassem, windigem und
- Achtung! - ziemlich mildem Wetter zu rechnen sein. Nach IFS00 wird
ausgerechnet in Richtung Weihnachten zwar an einem Einsteuern von kälterer
Polarluft aus Nordwesten "gearbeitet", allzu viel Hoffnungen sollten sich die
Fans der weißen Weihnacht' aber zumindest in "Flachlandtirol" noch nicht machen.
Denn zum einen ist dieses Szenario sehr unsicher, zum anderen wäre die Luft eher
von maritimem Charakter und anfangs wohl auch noch gut durchmischt, was am Boden
sogar leicht überdurchschnittliche Temperaturen zur Folge hätte.
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs
Die Konsistenz der jüngsten IFS-Modellläufe kann zu Beginn der Mittelfrist bis
einschließlich Donnerstag als sehr gut bezeichnet werden. Alle betrachteten
Läufe simulieren eine überwiegend milde und ruhige, nur nach Norden und Westen
zu leicht unbeständige Südwestlage.
Ab Freitag gehen die Simulationen etwas weiter auseinander. So rechnet IFS00 von
heute Morgen zunächst eine deutlich strammere, dafür tendenziell antizyklonalere
Trogvorderseite als seine beiden Vorgänger mit kräftiger Warmluftadvektion im
Vorfeld eines Sturm-/Orkantiefs über Westeuropa. Später simuliert IFS00 nach
Durchschwenken des Troges am Wochenende schließlich einen schnelleren Übergang
zu einer zyklonalen Westlage mit viel Niederschlag, teils stürmischem Wind, aber
weiter recht milden Temperaturen. Nicht zuletzt, weil schon sein Vorgänger, der
IFS12 von gestern, eine ähnliche Tendenz aufwies, darf der neuste IFS-Lauf
durchaus als brauchbar bezeichnet werden, zumindest, wenn den Unschärfen im
zeitlichen Ablauf bei der Wetterprognose Rechnung getragen wird.
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Vergleich mit anderen globalen Modellen
Die üblicherweise an dieser Stelle betrachteten etablierten Globalmodelle ICON,
GFS und GEM simulieren die Entwicklung der Großwetterlage zunächst sehr ähnlich.
Vor allem bis Donnerstag sind die Unterschiede nur marginal bzw. von keiner
nennenswerten Prognoserelevanz.
Die Ausprägung des Troges bzw. der für Deutschland resultierenden
Trogvorderseite am Freitag sowie das Timing des nachfolgenden Trogvorstoßes am
Samstag wird dagegen noch leicht differierend berechnet. Während GEM und GFS
IFS00 sehr ähneln (kräftige Südströmung mit kräftiger WLA, starker Föhn), kippt
der Trog bei ICON auf eine zunehmend negative Achsenneigung, was zum einen eine
eher südöstliche, zum anderen auch schwächere Höhenströmung über Deutschland
nach sich zieht (WLA schwächer, Föhn schwächer).
Danach favorisieren alle betrachteten Modelle erst mal eine vorübergehende
Zonalisierung. Was das Weihnachtswetter angeht, lassen uns die Modelle aber noch
im Dunklen. So rechnet GFS im Gegensatz zu IFS00 mit einer milden
Trogvorderseite, GEM mit einer Fortsetzung der milden Westlage.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen
Die Rauchfahnen des IFS-EPS bestätigen mit einem über weite Strecken des
mittelfristigen Prognosezeitraumes guten Bündelung das oben beschriebene
Szenario von IFS00. Mittwoch bis Freitag bewegen sich die Rauchfahnen, sowohl
von T850 als auch von GP500, auf verhältnismäßig hohem Niveau bei eher schwachen
(Nordwesthälfte) bis gar keinen (Südosthälfte) Niederschlagssignalen. Die
Anomalie von T850 steigt am Freitag vorübergehend auf +10 Grad und mehr. Danach
(Freitag bis Montag) geht die Mehrheit der Member bei T850 und GP500 in den
Sinkflug bei sprunghaft zunehmenden, recht starken Niederschlagssignalen. Obwohl
die positiven Anomalien von T850 verschwinden, macht sich bei den
2m-Temperaturen keine/kaum Abkühlung bemerkbar, sie bleiben quasi durchweg
überdurchschnittlich.
Ausgerechnet ab Dienstag (Heiligabend) nimmt der Spread deutlich zu. Die
Ensembleschar fokussiert sich dabei tendenziell auf eine weitere Abkühlung (im
Norden früher und stärker als im Süden), stützt damit IFS00. Einige Member sehen
aber auch eine neuerliche Erwärmung. Das GP500 nimmt wieder zu, die
Niederschlagssignale ab.
### SPEZIAL ###
Rein prognostische Wahrscheinlichkeit für eine Schneedecke (ab ca. 1 cm) am
25.12. (morgens) nach IFS/IFS-EPS vom 15.12.2019 (00 UTC):
Hamburg 2%
Berlin 0%
Düsseldorf 4%
Frankfurt 0%
München 13%
Höhere Mittelgebirgslagen (ab ca. 600 m) 33%
Alpen: sicher
Derweil verfolgen die GFS-ENS mehrheitlich die schon im deterministischen
GFS-Lauf propagierte, neuerliche Erwärmung zu Weihnachten.
FAZIT: Es bestehen kaum Zweifel, dass sich in der Mittelfrist zunächst eine sehr
(höhen-)milde Südwest- bis Südlage entwickelt, die nach Osten/Südosten zu eher
antizyklonal, nach Westen/Nordwesten zu eher zyklonal geprägt ist. Danach
erfolgt ein Übergang zu einer zyklonalen Westlage, die unbeständiges, nasses,
windiges und immer noch recht mildes Wetter bringt. Wie es an Weihnachten
weitergeht, ist allerdings offen. IFS(-EPS) und GFS(-ENS) sind zwar in sich
recht konsistent, verfolgen aber ein ziemlich konträres Ziel. Verbreitet weiße
Weihnachten bis in tiefere Lagen bleiben dennoch nicht nur statistisch, sondern
auch prognostisch ziemlich unwahrscheinlich.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen
STURM:
Am Mittwoch auf Mittelgebirgsgipfeln und an der See Sturmböen nicht
ausgeschlossen (Bft 8-9).
Am Mittwoch und Donnerstag in den Alpen zeitweise schwacher Südföhn mit
Sturmböen (Bft 8-9) auf den Gipfeln wahrscheinlich.
Am Freitag mäßiger bis starker Föhn. Auf den Gipfeln schwere Sturmböen (Bft 10)
wahrscheinlich, orkanartige Böen oder Orkanböen (Bft 11-12) gering
wahrscheinlich. In anfälligen Föhntälern Sturmböen (Bft 8-9) wahrscheinlich. Auf
Mittelgebirgsgipfeln Sturmböen (Bft 9) gering wahrscheinlich.
Am Samstag zusammenbrechender Föhn, dann vorübergehend mit einer Druckwelle
Sturmböen (Bft 8) auch im Alpenvorland nicht ausgeschlossen.
Ab Sonntag allgemein leicht ansteigende Gefahr vor Sturmböen (Bft 8), vor allem
im Bergland.
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Basis für Mittelfristvorhersage
IFS00, IFS-EPS, IFS-MIX
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Adrian Leyser