Thema des Tages

15-12-2019 09:20

Weihnachten im Schnee wieder ade (Teil 2)?

Heute erfolgt eine Aktualisierung des Ausblicks, ob man sich
tendenziell schon mit größerer Gewissheit zum Weihnachtswetter äußern
kann.

Im Thema des Tages vom 07.12.2019
(https://www.dwd.de/DE/wetter/thema_des_tages/2019/12/7.html) wurde
bereits über diese Thematik berichtet, wenn auch recht vage. Jetzt
bleibt nicht mehr viel Zeit und wir Meteorologen müssen langsam Farbe
bekennen zum Thema Nummer 1 in der Vorweihnachtszeit.

Kommen wir eingangs nochmal zur ersten Trendprognose des
Weihnachtswetters von letzter Woche zurück. Da wurden diverse
Indikatoren in der Troposphäre und Stratosphäre sowie deren möglichen
Auswirkungen auf die Zirkulationsmuster in der erweiterten
Mittelfrist für die Nordhemisphäre analysiert und diskutiert. Im
Zentrum des Geschehens stand dabei wieder mal der Polarwirbel, d.h.
besser gesagt die Frage, ob dieser sich nun abschwächt, damit wir
eine Chance auf weiße Weihnachten bekommen.

Gut, viel Zeit verbleibt nicht mehr (genau 9 Tage bis Heiligabend)
und wir Meteorologen müssen statt eines Prosa-Trends, der noch recht
locker aus der Feder fließt, wohl langsam an eine konkretere Prognose
denken. Wenn man allerdings zunächst wieder einen Blick auf die
Ensembleprognosen der Globalmodelle für den Zeitraum vom
24.-26.12.2019 wirft (Stand 14.12.2019, 12 UTC), dann könnte man das
Thema ?Weiße Weihnacht? wohl zum wiederholten Male auf das nächste
Jahr verschieben. Die große Mehrzahl der gerechneten Modellläufe
liegt eindeutig über den langjährigen Mittelwerten der Temperatur.
Diese Aussage gilt selbst für die Mittelwerte, sowohl bei GFS als
auch bei IFS. Das würde bedeuten, dass grob gesagt atlantische
Tiefdruckgebiete mehr oder weniger den Ton angeben und der
Polarwirbel damit alles andere als schwach auf der Brust zu sein
scheint. Das hieße in der Praxis relativ mildes, wechselhaftes und
zeitweise windiges Wetter.

Wie Sie aufgrund der häufigen Verwendung des Konjunktivs sicherlich
bereits bemerkt haben, gibt es trotz allem ein kleines ?aber?. Die
Indikatoren für mögliche Blockierungen und deren Auswirkungen auf das
Wetter bei uns bleiben bestehen und wurden bereits letzte Woche
analysiert. Grund für zunehmende Blockierungen können diverse
troposphärische und stratosphärische Wärme- und Impulsflüsse sein,
die verschiedener Herkunft sind und den Polarwirbel allmählich
schwächen sollten.

Als aktueller stratosphärischer Kandidat spielt dort die Phase der
quasi-biennalen Oszillation eine wichtige Rolle. Hierbei handelt es
sich um äquatoriale stratosphärische Winde, die regelmäßig (also alle
14 bis 15 Monate) ihr Vorzeichen ändern, d.h. aus Westwinden werden
Ostwinde und umgekehrt. Derzeit vollzieht sich ein Wechsel der
Windrichtung auf östliche Winde, beginnend in der oberen Stratosphäre
(siehe Grafik anbei). Auch wenn der Äquator weit weg scheint, so
führt genau diese Änderung der Windrichtung zur Modifikation der
Antriebe für die globale Zirkulation, die auch unseren Polarwirbel
betrifft und der vorherrschenden Westwindzirkulation in den mittleren
Breiten entgegenwirkt. Bis dieser Prozess allerdings für unser Wetter
Bedeutung erlangt, kann noch einige Zeit ins Land streichen, da
Prozesse in der Stratosphäre generell langsamer ablaufen, allerdings
dann auch ein ?längeres Gedächtnis? aufweisen.

Ein weiterer Faktor sind z.B. Wärmeflüsse (und zwar meridional und
vertikal) troposphärischen Ursprungs. Gemeint sind die persistent
(und teils deutlich) zu hohen Meeresoberflächentemperaturen z.B. in
großen Bereichen des Atlantiks oder auch des Pazifiks. Auch da gilt,
sie wirken langsam, aber sicher. Das kann dann nach gewisser Zeit
ebenfalls zu mehr Blockierungen, also zu hohem Luftdruck z.B. im
Ostatlantik oder Skandinavien führen (siehe Teil 1 des Beitrags).

Das Problem dabei ist, dass diese wichtigen Prozesse (wie auch andere
Faktoren) von den numerischen Wettermodellen noch nicht ausreichend
berücksichtigt werden (können), da uns einerseits noch zu wenig
Beobachtungsdaten über den Ozeanen und innerhalb der Stratosphäre zur
Verfügung stehen, andererseits auch die vielfältigen und komplexen
Wechselwirkungen diverser Faktoren in der Troposphäre und der
Stratosphäre, ja selbst bis in die Mesosphäre hinauf noch Gegenstand
intensiver Forschungsbemühungen sind.

Gut, zusammengefasst lässt sich konstatieren, dass die Zeit für weiße
Weihnacht im Flachland wohl langsam knapp wird. Aber aufgrund der
beschriebenen Unsicherheiten bei mittelfristigen Wettervorhersagen
und unter Berücksichtigung der genannten Faktoren kann man davon
ausgehen, dass die Prognose für das Weihnachtswetter einerseits
derzeit noch relativ unsicher ist, andererseits die Prognosen selbst
noch ein paar Mal mit den Modellen und Modelläufen hin- und
herspringen werden. Und dann gibt es vielleicht doch noch die eine
oder andere Überraschung, momentan ausgedrückt durch eine kleine
Minderheit einzelner Modelläufe, die über Weihnachten bei der
Temperatur unter den langjährigen Mittelwerten liegt. Aber selbst das
bedeutet noch lange keine weiße Weihnacht, sondern kann auch kaltes,
aber trockenes Hochdruckwetter bedeuten.

Selbst wenn es also mit der weißen Weihnacht wieder mal nichts wird,
der Winter ist noch lang. Interessant wird es auf jeden Fall ab Ende
Dezember bzw. Anfang Januar, wenn der Polarwirbel saisonbedingt mehr
zu schwächeln beginnt und vielleicht aufgrund der beschriebenen
Faktoren doch mal in die Knie geht oder zumindest mehr blockierende
Wetterlagen zulässt.


Dr. rer. nat. Jens Bonewitz

Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 15.12.2019

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