Thema des Tages

12-12-2019 11:50

Schwerewellen in der Atmosphäre und ihre Auswirkungen

Physikalisch gesehen gibt es verschiedene Arten und
Entstehungsmechanismen von Schwerewellen. Inwieweit dieses früher oft
als atmosphärischer Lärm bezeichnetes Phänomen die Unsicherheiten
gerade für längerfristige Wettervorhersagen bestimmt, soll kurz
erläutert werden.

Schwerewellen entstehen physikalisch betrachtet durch Schwingungen
oder Auslenkungen der Luftsäule um einen Gleichgewichtszustand herum
und können daher vom Prinzip her mit einem Federschwinger verglichen
werden, also einem Gewicht, das an einer Feder unter dem Einfluss der
Schwerkraft und eines atmosphärischen Auftriebs (großräumige Hebung
der Luftpartikel) hoch- und runterschwingt. Diese Oszillationen
generieren dann Wellenbewegungen, die sich horizontal und vertikal in
der Atmosphäre ausdehnen.

Die Ursache dafür, dass die Luft in Schwingung versetzt wird, können
verschiedener Natur sein. Häufig sind in der freien Atmosphäre
horizontale und vertikale Dichte- und damit Temperaturunterschiede
zwischen benachbarten Luftschichten die Ursache für
Vertikalbewegungen der Luftsäule.

Brechende Schwerewellen entstehen hingegen, wenn sich die Wellen
einerseits in verschiedenen optischen Medien (ähnlich wie brechende
Wasserwellen im Flachwasser), also in Schichten verschiedener
Luftdichte bewegen, z.B. Schichtung instabil (größere
Temperaturabnahme mit der Höhe) über einer stabilen Schicht
(Temperaturabnahme mit der Höhe geringer). Andererseits kann die
vertikale Windscherung, also in der Regel die Windzunahme mit der
Höhe im Zusammenspiel mit der turbulenten Reibung zwischen den
Luftteilchen dann auch Rotationsbewegungen auslösen, d.h. Auf- und
Abwinde, die ebenso Schwerewellen generieren (siehe auch beigefügtes
Bild). Dann entstehen so genannte Kelvin-Helmholtz-Wellen, die oft
begleitet sind von mit der Höhe zunehmend turbulenter Strömung
(Windzunahme mit der Höhe). Auch die so genannte Clear Air Turbulenz
gerade im Bereich des Jet Streams aufgrund starker vertikaler
Windscherung entsteht auf diese Art und Weise.

Nicht zu vergessen sind auch die durch starke Vertikalbewegungen bei
Konvektion, gerade in den Tropen hervorgerufenen Schwerewellen, die
sich teils bis in die Mesosphäre (in etwa 50 bis 80 km Höhe)
übertragen und dort sogar die Strahlungsbilanz und damit die
Temperaturen modifizieren können. Zu guter Letzt seien auch noch die
so genannten Lee- oder Gebirgswellen erwähnt, wobei dort die
Auslenkung der Luftsäule hinter dem Hindernis durch die entsprechend
vorhandene Orografie vorgegeben ist. Dann erscheinen im Lee der
Gebirge wellenförmige Wolkenmuster einer stehenden Welle in zumeist
stabiler Schichtung.

Es gibt noch andere Unterarten von Schwerewellen, auf die nicht im
Einzelnen eingegangen werden soll. Vielmehr wird hier auf
einschlägige Fachliteratur für interessierte Leser verwiesen (https://ms-gwaves.iau.uni-frankfurt.de/index.php/de/schwerewellen-in
-der-atmosphaere).

Inwieweit werden Schwerewellen in den numerischen Wettermodellen
berücksichtigt und welche Auswirkungen können diese auf die
Wettervorhersage ausüben?

Generell gibt es derzeit in den Globalmodellen wie IFS oder GFS
gewisse Einschränkungen bei den Modellgleichungen, die
Vertikalbewegungen und damit Schwerewellen nur bedingt
berücksichtigen. Anders sieht das bei hochauflösenden Modellen wie
z.B. dem COSMO D2 (künftig ICON D2) aus, wo unter anderem auch solche
Phänomene bei einer horizontalen Auflösung von 2,2 km und vertikal
gerechneten 65 Schichten mit den prognostischen Gleichungen relativ
genau simuliert werden können.

Nun zu den Auswirkungen der Schwerewellen. Früher wurden diese gern
als atmosphärische Nebengeräusche abgetan. Heutzutage weiß man, dass
diese Störungen in verschiedenen Bereichen der Troposphäre (unterste
Schicht, bis ca. 9 (Pole) bis 17 km (Äquator) reichend) und auch
Stratosphäre (rund 13 bis 50 km Höhe), ja selbst in der Mesosphäre
(siehe oben) allgemein gesagt die Unsicherheiten der Vorhersage
diverser meteorologischer Parameter mit der Zeit vergrößern, insofern
diese nicht ausreichend berücksichtigt werden. Hier einige Beispiele
dafür:

Einfluss von kleinräumigen Schwerewellen orographischen Ursprungs auf
die prognostizierte synoptische Strömung, was durch entsprechende
Formulierungen parametrisiert wird;

durch brechende Schwerewellen angeregte Clear-Air Turbulenz (siehe
oben, Stichwort vertikale Windscherung) oder

der Einfluss von Schwerewellen auf hohe Zirren und polare
stratosphärische Wolken;

Schwerewelleneffekte in der mittleren Atmosphäre. Die Mesosphäre ist
gekennzeichnet durch eine starke Abweichung des Temperaturfeldes vom
Strahlungsgleichgewicht. Dieses Ungleichgewicht überträgt sich auch
auf die zonalen Winde (also Westwinde) und bildet den wahrscheinlich
am meisten herausragenden Effekt des Brechens von Schwerewellen und
des damit verbundenen Eintrags von Impuls und Energie in die
Atmosphäre.

Die Schwerewellendynamik in der Stratosphäre ist jedoch von nicht
minderer Bedeutung. Es konnte gezeigt werden, dass Variationen der
orographischen Schwerewellen einen direkten Einfluss sowohl auf das
Klima der Troposphäre als auch auf die Temperaturvariabilität in der
Stratosphäre haben, was wichtige Auswirkungen für die
stratosphärische Ozonchemie mit sich bringt.

Als Schlussfolgerung lässt sich festhalten, dass Schwerewellen
aufgrund ihrer vielfältigen Dynamik und vor allem ihres
Energieeintrags in nahezu die gesamte Atmosphäre künftig noch besser
gerade in den Globalmodellen zu berücksichtigen sind. Dadurch steigen
auch die Chancen für bessere Langfristvorhersagen.

Dr. rer. nat. Jens Bonewitz
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 12.12.2019

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