DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

09-12-2019 10:30

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Montag, den 09.12.2019 um 10.30 UTC



Vor allem Freitag und Samstag teils stürmisch und nass, im Bergland Schneefälle.
Zur kommenden Woche milder.
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Synoptische Entwicklung bis zum Montag, den 16.12.2019


Mal von einem kurzen und räumlich eher begrenzten "Wintergruß" zu Beginn der
Mittelfrist abgesehen, präsentiert sich die Großwetterlage nachfolgend wieder
zunehmend "winterfeindlich". Zwar mäandriert die Frontalzone zeitweise etwas
stärker als zuletzt, vieles deutet aber darauf hin, dass wir uns mit der "warmen
Seite der Macht" vorliebnehmen müssen und auch die durchweg im positiven Bereich
vorhergesagten NAO-Indexwerte lassen wenig "Hoffnung" aufkommen, dass die
Westdrift nachhaltig einschlafen könnte.

Zu Beginn der Mittelfrist am Donnerstag zeigt sich über Westrussland mal ein
etwas stärkerer "Block" in Form einer hochreichenden Antizyklone, der "Druck"
des Atlantiks bleibt dennoch unwiderstehlich. Im Tagesverlauf überquert uns
zunächst mal ein Trog mit etwas Höhenkaltluft (T500 bei -30 bis -35 Grad), der
für Schauer sorgt. Da in der westlichen Strömung ein Schwall maritimer Polarluft
zu uns geführt wird (T850 um -5 Grad), fallen die Schauer in den Mittelgebirgen
und im Alpenvorland als Schnee. Der dem Trog folgende, flache Rücken sorgt
alsbald aber für Stabilisierung.

Die Wetterberuhigung ist jedoch nur von kurzer Dauer, denn von Westeuropa nähert
sich der nächste Trog, der spätestens in der Nacht zum Freitag Deutschland von
Westen erreicht und am Freitag tagsüber das gesamte Land erfasst. Damit
verbunden ist eine recht starke Zyklogenese. Aus einer Warmfrontwelle entwickelt
sich ein veritables Sturmtief, das Freitagfrüh mit einer Kernisobare von 965 hPa
über der mittleren Nordsee liegt und bis Freitagabend unter dann langsamer
Abschwächung Richtung Deutscher Bucht zieht. Das ostwärts Durchschwenkende
okkludierte Frontensystem bringt mäßige Niederschläge. Da das Blocking über
Westrussland eine negative Achsenneigung des Troges forciert und bodennah lange
eine östliche Windkomponente vorherrscht, können die Niederschläge trotz WLA
anfangs bis in tiefere Lagen (insbesondere nach Nordosten zu und im Süden) als
Schnee fallen. Eine nennenswerte Neuschneemenge ist aber meist nicht zu
erwarten, lediglich in den höheren Lagen der Mittelgebirge, wo durchweg Schnee
fällt, sind markante Neuschneemengen (>10cm/12h) wahrscheinlich. Es ist nicht
ausgeschlossen, dass regional (insbesondere in Staulagen) Dauerregenwarnungen
fällig werden, zumindest dann, wenn man die Niederschlagsmengen der
postfontalen, regen Schauertätigkeit miteinkalkuliert. Definitiv warnwürdig
bleibt der Wind, der schon präfrontal im Bergland und prädestinierten Leelagen
Sturmböen, auf Gipfeln orkanartige Böen hervorbringt. Später könnten mit etwas
geringerer Wahrscheinlichkeit bevorzugt in der Südhälfte auch im Tiefland
Sturmböen auftreten.

Am Samstag verhindert der osteuropäische Blocking ein rasches Durchschwenken des
Troges, vielmehr amplifiziert er sich stark und stößt bis weit in den
zentralen/östlichen Mittelmeerraum vor. Die Achse schwenkt im Tagesverlauf zwar
über Deutschland hinweg, das unbeständige Schauerwetter bleibt aber, nicht
zuletzt aufgrund weiterer kurzwelliger Troganteile und etwas Höhenkaltluft (T500
um -30 Grad). In der gut durchmischten maritimen Polarluft (T850 um -4 Grad)
dürfte nur in höheren Mittelgebirgslagen und in den Alpen mit
Neuschneeakkumulation zu rechnen sein. Das achsensenkrecht unter dem Drehzentrum
des Höhentroges befindliche Tief füllt sich weiter auf, liegt nach IFS00 mit
einer Kernisobare von 985 hPa über dem Kattegat. Dennoch bleibt es verbreitet
windig, Sturmböen gibt es bevorzugt im Bergland und an exponierten
Küstenabschnitten.

Am Sonntag trogt es über dem Nordostatlantik etwas stärker aus. Der sich
vorgelagert aufwölbende Rücken greift auf Deutschland über und sorgt tagsüber
für Zwischenhocheinfluss. Im Verlauf, spätestens in der Nacht zum Montag
erreicht uns von Westen das Frontensystem eines Tiefs mit Kern nordwestlich der
Britischen Inseln mit Niederschlägen, die besonders die Nordwesthälfte erfassen.
Im Warmsektor wird in der sowohl in der Höhe als auch am Boden auf Südwesten
rückdrehenden Strömung subtropische Luft herangeführt (T850 auf 0 bis +5 Grad
ansteigend), sodass überwiegend Regen fällt. Der Wind legt nach vorübergehender
Abschwächung vor allem im Norden mit Durchschwenken des Bodentroges wieder
deutlich zu und erreicht in Böen Sturmstärke. Auf den Bergen bleibt es quasi
durchweg stürmisch.

Am Montag und Dienstag greift der Trog unter weiterer Amplifizierung zunächst
auf Westeuropa über, was zu einer weiteren Aufsteilung der Strömung über
Mitteleuropa führt. Die Frontalzone schleift und erfasst zeitweise die
Nordwesthälfte mit Regen, nach Südosten ist die Höhenströmung stärker
antizyklonal konturiert, womit sich schwacher Hochdruckeinfluss durchsetzen
kann. An den Alpen stellt sich eine mäßige bis starke Föhnsituation ein. Die
Advektion subtropischer Luftmassen verstärkt sich (T850 0 bis +8, an föhnbedingt
über 10 Grad) und kann sich bei lebhaftem Wind zumindest nahe der Frontalzone
sowie im Lee der Mittelgebirge und an den Alpen bis zum Boden durchsetzen (Tmax
> 10 Grad).
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Die Ergebnisse des jüngsten IFS-Modelllaufs von 00UTC sind durchaus brauchbar,
da er sich mehr oder weniger nahtlos in die Berechnungen der vergangenen Läufe
einfügt. Donnerstag/Freitag erfolgt demnach ein markanter Trogvorstoß nach
Mitteleuropa. Die damit in Verbindung stehende Sturmtiefentwicklung über der
Nordsee bringt uns niederschlagsreiches und windiges bis stürmisches Wetter. In
den höheren Lagen der Mittelgebirge stellt sich vorübergehend winterliches
Wetter ein.

Am Wochenende gehen die Simulationen etwas auseinander. Sowohl der 00UTC-Lauf
als auch der vorangegangene 12UTC-Lauf lassen den Trog langsamer nach Osten
abziehen als noch der gestrige 00UTC-Lauf. So hält die Trograndlage in den
beiden letzten Läufen bis Sonntag (ca. 12-24 h länger als in den Vorläufen), was
bedeutet, dass auch der Zustrom kälterer Polarluft in der nordwestlichen
Strömung hartnäckiger ist und in der Folge vor allem an den Alpen etwas mehr
Schnee fallen könnte.

Nachfolgend nähern sich die (ohnehin nicht sonderlich stark differierenden)
Rechnungen sogar wieder an. Das Ende der Mittelfrist bzw. die erweiterte
Mittelfrist ist somit höchstwahrscheinlich von einer Fortsetzung des
unbeständigen, dann aber wieder zunehmend milden Wetters geprägt.
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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Auch ICON, GFS, GEM und UKMO rechnen mit einem markanten Trogvorstoß
Freitag/Samstag. Allerdings wird das korrespondierende Sturmtief unterschiedlich
simuliert. Während UKMO in etwa die beschreibende IFS-Lösung verfolgt, ist der
sich über Deutschland aufbauende Gradient bei ICON, GFS und GEM sichtbar
schärfer ausgeprägt. Bei ICON und GEM resultiert dies aus einem tieferen
Kerndruck (ICON < 960 hPa!), bei GFS durch einen sehr markanten Bodentrog. Die
Folge wäre eine markantere Sturmlage mit verbreiten Sturmböen, an der See auch
schweren Sturmböen, auf den Bergen Orkanböen.
Nachfolgend lassen ICON und GFS den Trog (wie IFS00 von gestern!) den Trog
rascher nach Osten durchschwenken, sodass sich die Südwestströmung mit der
deutlichen Milderung schon am Sonntag voll entfalten kann, während das bei IFS00
von heute erst am Montag wirklich der Fall wäre.
In der erweiterten Mittelfrist rechnet ICON wird die Lage der in der
südwestlichen Strömung schleifenden Frontalzone unterschiedlich simuliert (GFS
ähnlich wie IFS, ICON deutlich weiter südöstlich).
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Die Bewertung des IFS-EPS lässt bis einschließlich Sonntag keine von der
deterministischen Sichtweise abweichenden Schlussfolgerungen zu (gute Bündelung
der "Rauchfahnen"). So stürzt das Geopotenzial (500 hPa) von Donnerstag auf
Freitag deutlich ab. Im Mittel ergibt sich eine bemerkenswerte Abweichung von
-30 bis -40 gpdam! Danach erholt sich das Geopotenzial sukzessive, wobei sich
innerhalb der Ensembles gewisse Unterschiede in der Geschwindigkeit der Erholung
zeigen. Bei T850hPa schwanken die Ensembles zwischen Donnerstag und Samstag
durchweg zwischen 0 und -6 Grad. Danach nimmt der Spread stark zu. Im Nordwesten
erholt sich das Mittel kaum (im Gegensatz zu IFS00), im Südosten dagegen
deutlich (auf teils >5 Grad). Räumlich dazwischen ist die Verteilung im Verlauf
fast bifokal (IFS00 im "warmen Brennpunkt"). Bis Sonntag sind die
Niederschlagssignale stark ausprägt, nehmen sie vor allem nach Südosten deutlich
ab.

Das EPS-Clustering liefert für den Zeitraum T+72-96h 3 Cluster, die alle der
Klasse "Positive NAO" sind und den markanten Trogvorstoß nach Mitteleuropa nur
unwesentlich unterschiedlich simulieren.
Für den Zeitraum T+120-168h weitet sich das Clustering auf 4 Cluster auf.
Cluster 1 und 3 (21+8 Member) wechseln zur Klasse "Negative NAO", Cluster 2 und
4 bleiben bei "Positive NAO". In allen Clustern schwenkt der Trog mehr oder
weniger schnell über Deutschland hinweg. Die sich nachflogend in ebenfalls allen
Clustern einstellende Südwestströmung wird in ihrer Ausprägung aber
unterschiedlich simuliert. Nur in Cluster 3 scheint die Südwestströmung
überwiegend antizyklonal konturiert, in den anderen Clustern greift der
zyklonale Einfluss von Nordwesten weiter südostwärts aus.
Im Zeitraum T+192-240h wird lediglich 1 Cluster angeboten, das eine
Transformation von "Positive NAO" zu "Blocking" vollzieht. Der westeuropäische
Trog hat Probleme, auf Mitteleuropa überzugreifen und neigt abzutropfen. In der
erweiterten Mittelfrist wird er sogar regeneriert, als Folge dessen das
Geopotenzial vorderseitig weiter ansteigen kann. Zwischen dem resultierenden
blockierenden Rücken und dem Trog befände sich Deutschland in einer südlichen
Grundströmung.

FAZIT: Die Entwicklung der Großwetterlage von einer zyklonalen oder
winkelförmigen Westlage (je nach dem, wie stark der Osteuropa-Block gewichtet
wird) zu einer Südwestlage scheint relativ sicher. Nennenswerte Differenzen sind
- neben der o.e. Sturmentwicklung Freitag/Samstag - die Ausprägung der
Südwestströmung nächste Woche. Unklar ist, wo die Frontalzone liegt, also ob der
zyklonale oder antizyklonale Einfluss dominiert.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


STURM:
Über dem gesamten mittelfristigen Prognosezeitraum zeitweise Sturmböen (Bft 9)
im höheren Bergland wahrscheinlich, auf exponierten Gipfeln schwere Sturmböen
(Bft 10) und orkanartige Böen (Bft 11).
Am Freitag und Samstag auch in tieferen Lagen sowie an der See gebietsweise
stürmische Böen oder Sturmböen (Bft 8-9) wahrscheinlich. Vor allem an der
Nordsee am Samstag schwerer Sturm nicht (Bft 10) ausgeschlossen.
Sonntag und Montag an der See zeitweise Sturmböen (Bft 8-9) gering
wahrscheinlich.

DAUERREGEN:
Im Zeitraum von Donnerstag bis Samstag bevorzugt in Staulagen der Mittelgebirge
Dauerregenmengen (>30 l/qm in 24 h bzw. >40 l/qm in 48 h) gering wahrscheinlich.


SCHNEE/-VERWEHUNG:
In höheren Lagen der Mittelgebirge von West nach Ost im Zeitraum von
Donnerstagabend bis Freitagabend, an den Alpen im Zeitraum von Freitagfrüh bis
Samstagabend erhöhte Wahrscheinlichkeit für markante Neuschneemengen (>10 cm in
12 h bzw. >15 cm in 24 h). In Kammlagen Schneeverwehungen nicht ausgeschlossen.

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Basis für Mittelfristvorhersage
IFS00, IFS-EPS, IFS-MIX
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Adrian Leyser