Thema des Tages

14-07-2016 14:40

Forensische Meteorologie Teil 4 - Die negativen Seiten des Wetters

Aus vielen Krimis kennt man sie bereits. Gibt es einen Tatort, dann
werden die Damen und Herren in den weißen Anzügen herbeigerufen. Die
Rede ist von den Tatortgruppen der Bundesländer oder des
Bundeskriminalamts, anders ausgedrückt: die Spurensicherung (oder
abgekürzt auch "SpuSi" genannt). Deren Hauptaufgabe besteht darin,
kriminalistisch relevante Spuren an einem Tatort zu dokumentieren und
sicherzustellen. Auch das Absperren und Sichern eines Tatorts gehört
zum Verantwortungsbereich, da es dringend zu vermeiden gilt, neue
Spuren zum Ort des Geschehens hinzuzufügen. Bei ihrer Arbeitsweise
kommt es vor allem auf Sorgfalt und Genauigkeit an, allerdings macht
die Witterung dies jedoch nicht immer einfach.

Liegt beispielsweise der Verdacht vor, dass die Tatwaffe eines
Überfalls oder Schmuck von vermissten Personen in einem See vom Täter
"entsorgt" worden sind, gehen die Spurensicherer vor allem zu
kälteren Jahreszeiten schon auch mal an ihre Grenzen. Dann muss
nämlich teilweise in Zusammenarbeit mit spezialisierten Tauchern in
eiskalten Gewässern durch Schlamm und Dreck gewühlt werden.

Auch Niederschlag der festen Phase, also Schnee, erschwert die
Spurensicherung im tiefsten Winter. Gibt es im Rahmen der
Ermittlungen besondere Hinweise auf den Ort einer vergrabenen Leiche,
so muss das entsprechende Gelände sichergestellt und nach Anzeichen
einer Grabstätte abgesucht werden. Liegt das Gelände allerdings unter
einer Schneedecke begraben, gestaltet sich das ganze Unterfangen
nicht mehr so einfach. Dann spielt auch die Psychologie des Täters
eine gewisse Rolle. Wo würde der Täter eine Leiche vergraben oder
verstecken? Gezielt wurde in einem entsprechenden Beispiel unter
einem aufgesetzten Holzstapel gesucht. Ein weiteres Hindernis bei den
folgenden Ausgrabungen stellte der gefrorene Boden dar.

Aber auch eine der schwersten Katastrophen der deutschen
Luftfahrtgeschichte rief die "SpuSi" auf den Plan. Die Rede ist vom
Zusammenstoß einer DHL-Maschine mit einem Flugzeug der russischen
Airline Bashkirian in der Nacht vom ersten auf den zweiten Juli 2002
zwischen Owingen und Überlingen am Bodensee. Bei dem tragischen
Vorfall verunglückten insgesamt 71 Menschen, unter den Opfern
befanden sich 49 Kinder. Das Unglück ereignete sich am 1. Juli gegen
23:35 Uhr. Entsprechend mussten zunächst brennende Wrackteile sowie
ein aufgrund von Trockenheit begünstigter Waldbrand unter Kontrolle
gebracht werden. Gegen 6:20 Uhr des darauffolgenden Morgens (2. Juli)
wurde die Einsatzleitung der Polizei übergeben und die
Spurensicherung konnte mit der Arbeit beginnen. Dabei war allerdings
Eile geboten, denn der Absturz geschah im Hochsommer und in den auf
den Absturz folgenden Tagen Höchstwerte bis 26 Grad im südlichen
Baden-Württemberg erreicht. Bei großer Hitze musste mit einer
schnelleren Verwesung der Leichen gerechnet werden, anders als das
beispielsweise im Winter der Fall wäre. Entsprechend bestand die
Gefahr, dass wichtige Spuren mit fortschreitendem Verwesungsstadium
verschwinden, sodass bei der Arbeit der Spurensicherung nicht nur
Sorgfalt, sondern auch Schnelligkeit gefragt war. In diesem Fall
zeigte sich erneut, dass das Wetter auch seine negativen Seiten mit
sich bringt, wenn es darum geht, Tatorte zu dokumentieren und Spuren
sicherzustellen.

MSc.-Met. Sebastian Schappert
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 14.07.2016