Thema des Tages

26-11-2019 09:20

Mysteriöse Ringe auf dem Radarbild

Letzte Woche kam es zu ringförmigen Strukturen auf
Wetterradarbildern. Was war da los?

Vor einigen Tagen erreichten uns Nachfragen von verwunderten Bürgern,
die auf Radarbildern der WarnWetter-App mysteriöse Ringe entdeckt
hatten. Haben etwa Aliens die Macht über unser Wetter übernommen oder
ist einfach die App bzw. das Radar kaputt? Tatsächlich trifft keine
dieser Vermutungen zu. Zu sehen war der sogenannte
"Brightband-Effekt", um den es im heutigen Tagesthema geht.


Um diesen erklären zu können, muss man verstehen, wie ein
Niederschlagsradar funktioniert. Kurz und vereinfacht
zusammengefasst, besitzt ein Radar einen Sender und einen Empfänger.
Der Sender schickt einen gebündelten Strahl aus elektromagnetischen
Wellen in die Atmosphäre. Treffen diese auf ein
Niederschlagsteilchen, wird ein geringer Anteil des Strahls
reflektiert und gelangt zurück zum Empfänger. Es handelt sich also um
keine direkte Messmethode von Niederschlag (z.B. Regentopf, der den
Regen auffängt), sondern um eine indirekte Methode. Deshalb wird auf
dem Radarbild auch nicht die Niederschlagsintensität (z.B. mm/h),
sondern die Reflektivität (dBZ), ein Maß für die Stärke des
zurückgestreuten Radarsignals, angegeben. Um auf die Intensität des
Niederschlags zu schließen, nimmt man an, dass diese mit steigender
Reflektivität zunimmt. Und je länger es dauert, bis die ausgesendete
Welle zum Empfänger zurückkommt, desto weiter ist der Niederschlag
vom Radar entfernt. Aus diesen beiden Informationen erhält man ein
zweidimensionales Bild, das die Intensität und Verteilung von
Niederschlag zeigt, wie Sie es beispielsweise auf der WarnWetter-App
betrachten können.


Damit der Radarstrahl nicht von Hochhäusern oder Bergketten
reflektiert wird, wird dieser nicht exakt horizontal, sondern mit
einem kleinen Neigungswinkel nach oben ausgesendet (beim DWD je nach
Lage 0,1 bis 1,9°). Aufgrund dieser Tatsache misst das Radar also
nicht den am Boden ankommenden Niederschlag. Je weiter man sich
nämlich vom Radar entfernt, desto höher befindet sich der Radarstrahl
über dem Erdboden. Das Radar detektiert demnach je nach Entfernung
zum Radar den Niederschlag in einigen Hundert Metern bis wenigen
Kilometern über dem Erdboden.


Zu den bisherigen Erklärungen kommt nun noch ein kniffliges Detail
dazu und damit kommen wir zurück zum Brightband-Effekt. Die
Reflektivität hängt nämlich nicht nur von der
Niederschlagsintensität, sondern auch von deren Phase ab.
Regentropfen liefern ein stärkeres Rückstreusignal als filigrane
Schneekristalle oder Schneeflocken. Die mit Abstand stärkste
Reflektivität besitzt schmelzender Schnee (siehe Skizze).


Das dargestellte Radarbild stammt vom Niederschlagsradar im südlichen
Essen. Weit vom Radar entfernt (z.B. bei Köln) befindet sich der
Radarstrahl bereits so hoch über dem Erdboden, dass er fallenden
Schnee sieht. In der Nähe des Radars wird der Strahl hingegen von
Regentropfen reflektiert. Im ringförmigen orangefarbenen Bereich mit
den stärksten Reflektivitäten befindet sich der Radarstrahl genau in
der Höhe, in der der Schnee zu Regen schmilzt. Diese Schmelzschicht
wird als Brightband bezeichnet. Die hohen Reflektivitäten sind also
nicht - wie man zunächst vermuten könnte - auf besonders starken
Niederschlag zurückzuführen, sondern auf die starke Reflexion von
schmelzendem Schnee.


Da selbst im Sommer die meisten Regenwolken im oberen Bereich aus
Schneeflocken bestehen, tritt der Brightband-Effekt prinzipiell
ganzjährig auf. Die Schmelzschicht befindet sich zu dieser Jahreszeit
allerdings meist in so größeren Höhen, dass das Brightband nur am
äußeren Rand der einzelnen Radarbilder erscheint. Die 17 Radare des
DWD-Radarverbunds mit ihrer horizontalen Reichweite von 150 km
überlappen sich allerdings so stark, dass die Ränder der
kreisförmigen Radarbilder inklusive Brightband abgeschnitten werden
und damit das Brightband im finalen flächigen Radarkomposit nicht
mehr zu sehen ist. Liegt die Schneefallgrenze nur wenige 100 m über
dem Erdboden, reicht die Überlappung jedoch nicht mehr aus, weshalb
die Ringe vor allem im Winter zu Tage treten.


Übrigens: Die auf den ersten Blick störende oder irreführende
ringförmige Struktur können Sie als positiven Nebeneffekt auch zur
Abschätzung der Schneefallgrenze nutzen. Wird der Ring mit der Zeit
kleiner, deutet dies auf eine absinkende Schneefallgrenze hin. Ist
das Brightband nur noch als Fleck um das Radar zu sehen, ist davon
auszugehen, dass auch bei Ihnen der Regen bald in Schneeregen oder
Schnee übergeht, sofern Sie sich auf gleichem Höhenniveau wie das
Radar befinden.


In den nächsten Wochen und Monaten wird man noch häufiger Ringe auf
Radarbildern sehen, immer dann, wenn es in den Niederungen regnet und
in mittleren oder höheren Mittelgebirgslagen schneit. Seien Sie sich
sicher, auch dann ist alles natürlich und erklärlich - Außerirdische
haben damit nichts zu tun ;-)


Dr. rer. nat. Markus Übel (Meteorologe)
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 26.11.2019

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