Thema des Tages
15-11-2019 09:20
Tiefdruckkarussell
Vor allem der westliche und zentrale Mittelmeer- sowie der Alpenraum
ist in dieser Woche von teils heftigen Wettervorgängen betroffen.
Dabei reicht die Spanne von Starkregen über kräftige Schneefälle bis
hin zu hohen Windgeschwindigkeiten.
Irgendwo in Deutschland gibt es in diesen Tagen sicherlich einen Mann
namens Günther, der bei jedem seiner Blicke auf die aktuellen
Wetterkarten hoch erfreut sein wird. Die besagte Person hat sich
nämlich das Namensrecht für das zurzeit wetterbestimmende Tief
gesichert und bekommt für sein Geld doch einiges mehr geboten.
Immerhin steht sein Name nicht wie sonst üblich nur mit einem
einzigen Tief in Verbindung, sondern es tummeln sich sogar drei
solcher Druckgebilde mit seinem Namen (GÜNTHER I bis III) über
Europa.
Die Ursache für die rege und nun schon einige Zeit anhaltende
Tiefdrucktätigkeit über West- und Südeuropa ist zunächst in den
höheren Schichten der Atmosphäre zu suchen. In diesen Niveaus strömt
nämlich kühle bis kalte Luft aus den nördlichen europäischen Breiten
bis in den Süden Spaniens. Im Zusammenspiel mit dem noch relativ
warmen Oberflächenwasser des Mittelmeers ergeben sich nun beste
Voraussetzungen für die wiederholte Entstehung von Tiefdruckgebieten,
die unter anderem auch zu kräftigen Niederschlagsprozessen führen.
Ganz besonders kommen diese in jenen Regionen zur Geltung, in denen
ein sogenannter "Stau" wirken kann. Trifft eine feuchte Luftströmung
auf ein Hindernis, ist diese in den meisten Fällen zum vertikalen
Ausweichen gezwungen. Dabei kann die Luft mit zunehmender Abkühlung
aber weniger Wasserdampf halten, folgerichtig kommt es besonders in
solchen "Staulagen" zu kräftigen Niederschlägen.
Bei der aktuell vorherrschenden südlichen Strömung sind diese
Staulagen natürlich in den Süd- und teilweise noch im Bereich der
Zentralalpen zu finden. Doch es blieb in vielen Regionen des
Alpenraums in den letzten Tagen nicht nur beim Regen, denn die
Temperaturverhältnisse ließen auch die feste Niederschlagsphase zu.
So kam es in vielen Tälern zu einem ersten kräftigen Wintereinbruch
mit für die Jahreszeit deutlich überdurchschnittlichen
Neuschneehöhen.
Diese Wetterlage von Wochenbeginn wiederholt sich nun nochmals.
Bereits in der Nacht auf den heutigen Freitag sorgte ein Tief über
den Golf von Genua von den französischen Alpen über die Schweizer
Südalpen bis nach Südtirol für kräftigen Regen, der in mittleren und
höheren Lagen als Schnee niederging. Entsprechende
Verkehrsbehinderungen waren die Folge, teilweise war auch die
Energieversorgung eingeschränkt. Heute tagsüber ist vor allem die
Region von Südtirol bis nach Oberkärnten und Slowenien von kräftigen
Niederschlägen betroffen. Eine Herausforderung ist dabei besonders
die Bestimmung der Schneefallgrenze, da diese in orographisch
gegliedertem Gelände von mehreren Randbedingungen abhängig ist. Es
kann durchaus passieren, dass diese für jedes Tal je nach
Niederschlagsstärke, Temperaturschichtung, Talquerschnitt und
-orientierung separat prognostiziert werden muss.
"Wir" im Norden des Alpenhauptkammes bekommen von diesen spannenden
Wettervorgängen aber verhältnismäßig wenig ab. Die Barriere der Alpen
sorgt nämlich dafür, dass der Niederschlag zunächst nicht nach
Deutschland ausgreifen kann. Ganz im Gegenteil: an den Alpen herrscht
bei einer solchen Wetterlage starker Föhn, der auf den Berggipfeln
für Orkanböen sorgt und in den Tälern zumindest mit starken bis
stürmischen Böen deutlich spürbar ist.
Zu einer Wetterumstellung kommt es aber bereits im Laufe des heutigen
Tages. Die eher wieder nordwestwärts gerichtete Zugbahn von GÜNTHER I
über Frankreich und die Bewegung von GÜNTHER III vom Alpenrand in
Richtung Norden sowie eine veränderte Konstellation in der höheren
Atmosphäre sorgen nämlich dafür, dass dem Föhn in den nächsten
Stunden zumindest vorübergehend die Kraft ausgeht. Damit einhergehend
greifen im Laufe des Nachmittags erste Niederschläge über den
Alpenhauptkamm nach Norden aus. Allerdings sind die Regenmengen bei
weitem nicht mit jenen südlich der Alpen vergleichbar, denn vom
Alpenrand bis zum Main werden lediglich 3 bis 5, stellenweise um 10
Liter pro Quadratmeter erwartet. Allerdings mischen sich oberhalb
etwa 1000 m auch ein paar Schneeflocken hinzu. In der Nacht weitet
sich der leichte bis mäßige Regen schließlich auch in den Norden und
Nordosten Deutschlands aus.
Tiefdruckgebiete sind auch an den Folgetagen das entscheidende
Wetterelement. Je nach genauer Zugbahn, die bei der aktuellen
Wetterlage nicht immer exakt vorhergesagt werden kann, ist das Wetter
in Deutschland mehr oder weniger wechselhaft. Es kristallisiert sich
aber heraus, dass am Samstag vor allem im Norden etwas Regen fällt.
Am Sonntag (ausgelöst durch Tiefdruckgebiete südlich und nördlich der
Alpen) ist dann der Süden und Osten des Landes davon betroffen.
Besonders südlich der Alpen kann es dann neuerlich zu starken
Niederschlägen kommen. Das Tiefdruckkarussell bleibt also munter in
Betrieb.
Mag.rer.nat. Florian Bilgeri
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 15.11.2019
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