Thema des Tages
30-10-2019 08:50
Eiskratzer schon im Einsatz?
Heute schon gekratzt? Der Blick auf die heutigen Tiefstwerte verrät,
dass die Wahrscheinlichkeit für morgendliche Zusatzaufgaben deutlich
ansteigt. Allerdings gilt dies nur vorübergehend, denn die Nacht zum
Freitag ist für einige Zeit auch schon wieder die letzte Frostnacht.
Traditionell werden in manchen Medien Ende Oktober sowie Anfang
November Umfragen veröffentlicht, die sich mit dem nahenden Winter
beschäftigen. Die häufigste Frage dreht sich meistens darum, welche
Auswirkung des Winters die Bevölkerung am meisten nerve (dabei wird
fälschlicherweise oft angenommen, dass es keine Winterliebhaber
gebe). Aufgrund der offenen Fragestellung sind die Antworten
natürlich sehr vielseitig, jedoch kristallisiert sich meistens das
"Eiskratzen" am Auto als eine der Top-Antworten heraus.
Besonders jene Autofahrer, deren Arbeitsbeginn sehr früh stattfindet,
müssen an frostigen Tagen zwangsläufig einige Minuten mehr in ihre
morgendliche Routine einplanen. Nun wäre es natürlich ungeschickt,
wenn man sich den Wecker einige Minuten früher stellt, aber
schlussendlich nicht gekratzt werden muss. Um dies zu verhindern,
werden von manchen am Vorabend nochmals die Prognosen in der
Wetter-App kontrolliert oder sofort nach dem Aufstehen die aktuellen
Messwerte gecheckt. Zeigen diese keinen Frost, gibt es noch ein paar
Minuten "Bonusschlaf". Doch sind diese Methoden wirklich immer
zutreffend?
Die Standardmesshöhe für jene Lufttemperaturen, die in den meisten
Wetter-Apps angeboten werden, ist mit 2 m festgelegt. Damit liegt
aber streng genommen nur eine Information darüber vor, wie die
Temperatursituation oberhalb des Autodachs ist. Im Normalfall kühlen
aber während der Nächte Oberflächen sowie der Boden stärker aus als
die Luft an sich. Dies hat zur Folge, dass die in einer Höhe von 2 m
gemessene Temperatur deutlich höher sein kann, als jene direkt am
Boden. Aus diesem Grund wird an manchen Stationen auch die sogenannte
"5-cm-Temperatur" ermittelt, die aber in vielen Anwendungen nicht
prognostiziert wird.
Wie erwähnt, geben Körper in den Nachtstunden normalerweise
Wärmeenergie ab. Diese (langwellige) Abstrahlung wird mit dem
"Stefan-Boltzmann-Gesetz" beschrieben. In dieses geht neben einer
Konstanten vor allem die Temperatur zur vierten Potenz (d.h. starke
Temperaturabhängigkeit) und das materialspezifische sogenannte
"Emissionsvermögen" ein (meist dargestellt mit dem griechischen
Buchstaben Epsilon). Außerdem wird der Wärmeverlust an der
Bodenoberfläche in geringem Maße durch den Bodenwärmestrom gedämpft
(stärker im Herbst als im Frühling). Beide Randbedingungen führen nun
dazu, dass die Oberfläche des PKWs (Glas und Metalle) sehr stark
auskühlen kann und damit dessen Oberflächentemperatur sowohl von der
2-m-Temperatur als auch von den 5-cm-Werten abweicht.
In weiterer Folge erreicht die den PKW umgebende Luft im
unmittelbaren Grenzbereich zur nun relativ kalten Oberfläche den
Kondensationspunkt (d.h. die Luft ist gesättigt). Folgerichtig setzt
sich auf dem PKW Tau ab. Wenn die Oberflächentemperatur weiter unter
den Nullpunkt sinkt, gefriert der Tau und der Eiskratzer kommt zu
seinem Einsatz.
Wie lässt sich nun dieses starke Abstrahlen des Autos verhindern? Am
besten ist es, den PKW beispielsweise unter einem Vordach oder in
einem Carport zur parken. Solange an den Bäumen noch einigermaßen
viele Blätter sind, reicht eventuell auch schon ein Abstellen unter
diesen. Die abgestrahlte Wärme verschwindet in diesen Fällen zum
einen nicht sofort ins Weltall und zum anderen geben die "Dächer"
selber Wärmestrahlung ab. Diesen Effekt gibt es natürlich auch, wenn
Wolken über den Nachthimmel hinwegziehen.
Wenn Sie also in der nächsten Zeit die Frühtemperaturen prüfen,
schauen Sie auch mal kurz aus dem Fenster. Funkeln die Sterne am
Himmel, können Sie von den übermittelten Werten durchaus ein paar
Grad abziehen. Allerdings zeigen die aktuellen Wetterkarten, dass die
Nacht zum Freitag vorerst die letzte Frostnacht ist. Anschließend
stellt sich eine wechselhafte und relativ milde Westwetterlage ein,
die für Tiefstwerte deutlich über dem Nullpunkt sorgen wird.
Mag.rer.nat. Florian Bilgeri
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 30.10.2019
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