Thema des Tages
26-10-2019 10:20
Einfluss der variablen Sonnenaktivität auf die Erdatmosphäre
In der Fachwelt ein sehr umstrittenes Thema: Wie kann eine
geringfügige Schwankung der Sonnenaktivität, ausgedrückt durch den
ca. 11-jährigen Sonnenfleckenzyklus unser Wetter oder gar Klima
beeinflussen? An diesem Wochenende versuchen wir, in zwei Teilen
etwas (Sonnen-)Licht in diese dunkle Materie zu bringen.
Um schon mal vorab den Adrenalinspiegel zu senken - streng
physikalisch genommen gibt es einen wenn auch sehr geringen Einfluss
der schwankenden Sonnenaktivität auf die Energiebilanz unserer
Atmosphäre. Die Schwankung der Solarstrahlung in den letzten drei
Zyklen von 1975 bis 2009 liegt in einem Bereich zwischen 1365 und
1367 W/m2 am Oberrand der Atmosphäre (siehe auch Grafik
https://www.dwd.de/DE/wetter/thema_des_tages/2019/10/26.html ).
Allerdings beträgt der Zeitraum des Sonnenzyklus ungefähr 11 Jahre,
wobei eine klimarelevante Schwankung aber mindestens 30 Jahre
betragen sollte. Damit liegt dieser Zyklus mit seinem periodisch
verstärkenden oder abschwächenden Einfluss irgendwo zwischen
Jahreszeitenprognose und Klima.
Was bewirkt die Schwankung der Solarstrahlung? Die Schwankungen
betreffen hauptsächlich den ultravioletten Anteil des am Oberrand der
Atmosphäre eintreffenden Sonnenlichts. Dieser ist erhöht bei
stärkerer Sonnenaktivität, welche charakterisiert wird durch eine
erhöhte Anzahl an Sonnenflecken. Dadurch emittiert die Sonne grob
gesagt energiereichere elektromagnetische Strahlung (die dann auch
das Erdmagnetfeld stärker strapaziert). Durch die unterschiedliche
Strahlungsbilanz am Äquator und den Polen ergeben sich zusätzliche
regionale Unterschiede des Effektes.
Bei einer Erhöhung der UV-Strahlung wird in der mittleren und oberen
Stratosphäre (in ca. 25 bis 40 km Höhe) bevorzugt in den Tropen mehr
Ozon generiert, welches sich nachweislich durch diverse
stratosphärische Zirkulationen vermehrt auch in der unteren
tropischen Stratosphäre anreichert. Auf diese Art und Weise wird
nahezu die gesamte tropische Stratosphäre mittels kurz- und
langwelliger Strahlungsabsorption stärker erwärmt als über den Polen,
was zu verstärkten meridionalen Temperaturgradienten führt. Damit
entstehen vom Äquator polwärts gerichtete Zirkulationen (warm zu
kalt) und durch die Erddrehung verursacht vorherrschende Westwinde im
äquatorialen Umfeld (Stichwort Quasi Biennale Oszillation (QBO),
siehe Thema des Tages vom 31.08./01.09.2019).
Im umgekehrten Fall, also bei einem solaren Minimum und wenigen oder
gar keinen Sonnenflecken wird genau diese polwärts gerichtete
Zirkulation geschwächt, da sich die tropische Stratosphäre dann
relativ gesehen stärker abkühlt. Das kann dann auch zu einer Umkehr
der Windrichtung in Äquatornähe führen, die in diesem Fall
überwiegend Ostwinde darstellen.
Die schwankende Sonnenstrahlung kann auch geringen Einfluss auf die
Meeresoberflächentemperaturen haben und damit auch bestimmte
Zirkulationen zumindest zeitweise verändern. So sollen dadurch (auch
in der Vergangenheit) z.B. die Niederschlagsmengen in den Tropen und
teils auch Subtropen variieren, in dem sich der Monsun verstärkt und
Niederschläge am Äquator bei maximaler Solarstrahlung geringer
ausfallen.
Leider sind die genannten Effekte aufgrund marginaler Schwankungen
der Sonnenaktivität oft nicht erfassbar. Zudem gibt es im
multikomplexen System der Atmosphäre zu viele andere Faktoren, die
kleine Randeffekte nahezu ausblenden. Hinzu kommt seit rund 40 Jahren
der verstärkte menschgemachte CO2 - Ausstoß, der bisher zu einer
mittleren Erderwärmung (einschl. Meeresoberflächen) von knapp 1 K
geführt hat. Auch dadurch wird dieser Effekt in Zukunft eher abnehmen
bzw. schwerer auszumachen sein.
Nichtsdestotrotz kann diese geringe Schwankung bei Pattsituation
zwischen anderen maßgeblichen Faktoren auch mal das Zünglein an der
Waage spielen.
Im zweiten Teil am morgigen Sonntag werden genau diese möglichen
Auswirkungen der schwankenden Sonnenaktivität (z.B. bei
Jahreszeitenprognosen) noch näher beleuchtet, einschließlich eines
kurzen Rückblicks auf die Geschichte des Erdklimas.
Dr. rer. nat. Jens Bonewitz
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 26.10.2019
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