Thema des Tages

22-10-2019 07:20

Die zwei Gesichter des Herbstes

Oftmals wird der Herbst als farbenfrohe Jahreszeit mit ganz
besonderer Atmosphäre dargestellt. Dass nun wieder häufiger ein
besonders gefährliches Wetterphänomen auftritt, ist vielen jedoch
nicht bewusst.

Schaut man zurzeit aus dem Fenster oder beobachtet bei einem
ausgiebigen Spaziergang die Natur, sieht man den Herbst in seiner
vollen Pracht. Die Blätter der Bäume verfärben sich allmählich von
Grün und Goldgelb über Rot zu Braun, Hobbygärtner bringen so langsam
ihre Pflanzen vor nächtlichem Frost in Sicherheit und die Vögel
scharen sich am Himmel und bereiten sich auf ihre lange Reise in
Richtung Süden vor.


Allerdings zeigt sich der Herbst in diesen Tagen besonders in Senken
und Flussniederungen auch von seiner weniger glanzvollen Seite: Die
Tage werden nun kürzer, die Nächte länger und somit dauert auch die
nächtliche Auskühlung länger an. Gerade bei schwachen
Windverhältnissen während herbstlicher Hochdrucklagen und einem meist
nur gering bewölkten oder klaren Himmel kann sich die Luft im Laufe
der Nacht bis zur sogenannten Taupunkttemperatur abkühlen. Bei dieser
Temperatur handelt es sich jedoch keineswegs um die Temperatur, ab
der Eis taut, sondern vielmehr um jene Temperatur, ab der sich Tau
beispielsweise auf Wiesen niederschlägt (siehe www.dwd.de/lexikon).
Dann beginnt der in der Luft enthaltene Wasserdampf zu kondensieren
und es bilden sich Nebeltröpfchen. Dies konnte man in den frühen
Morgenstunden über eine Webcam vom Hohenpeißenberg aus verfolgen, als
sich in den Tallagen dichter Nebel bildete (Webcam-Loop unter
https://www.dwd.de/DE/wetter/thema_des_tages/2019/10/21.html mit
freundlicher Genehmigung von foto-webcam.eu).


Wird dabei die horizontale Sichtweite auf Augenhöhe nur geringfügig
beeinträchtigt, spricht man von Dunst. Beträgt die Sicht jedoch
weniger als einen Kilometer, liegt definitionsgemäß Nebel vor.
Unterschreitet die Sichtweite überregional die Schwelle von 150
Metern, wird laut den Warnkriterien des DWD eine Nebelwarnung fällig.
Dabei variiert auch die Andauer der Warnung im Herbst. Während sich
der Nebel im September im Laufe des Tages aufgrund des höheren
Sonnenstandes meist noch vollständig auflöst, kann er jetzt im
Oktober in windgeschützten Niederungen bereits den ganzen Tag
anhalten und die Sonne lediglich als blasse, trübe Scheibe am Himmel
erscheinen lassen. Besonders nebelanfällig ist beispielsweise das
Donautal. Dort sorgt der Fluss für zusätzliche Feuchtigkeit in der
Umgebungsluft.


Zugegeben, der Gedanke an Nebel ist nicht gerade furchteinflößend. In
der Literatur wird ihm häufig sogar etwas Besinnliches oder
Verträumtes angehängt, wie beispielsweise in diesem Gedicht von
Eduard Mörike aus dem Jahre 1838:


"Im Nebel ruhet noch die Welt, noch träumen Wald und Wiesen:
Bald siehst du, wenn der Schleier fällt, den blauen Himmel
unverstellt,
herbstkräftig die gedämpfte Welt in warmem Golde fließen."


Was soll so gefährlich sein an diesem mehr oder weniger dichten
Schleier, der sich über Wald und Wiesen legt und geräuschlos vor sich
hin wabert?


Dass beispielsweise kräftige Sommergewitter gefährlich für uns
Menschen sein können, ist vielen von uns sicher bewusst. Statistisch
gesehen sterben etwa drei bis acht Menschen jährlich an Blitzschlag.
Wer allerdings davon ausgeht, dass die nun angebrochene Jahreszeit
wettertechnisch ungefährlicher abläuft, täuscht sich. Die Statistik
spricht hier eine eindeutige Sprache: In den Jahren 2011 bis 2018
registrierte die Polizei laut dem Statistischen Bundesamt insgesamt
4579 Verkehrsunfälle, bei denen Nebel eine Rolle spielte. Dabei
nahmen 4926 Personen Schaden, 155 Menschen verloren ihr Leben. Im
Durchschnitt sind das knapp 20 Tote pro Jahr, die der Nebel im
Straßenverkehr fordert. Zwischen 2009 und 2013 ereigneten sich rund
60 Prozent aller Unfälle, bei denen der Nebel mit ursächlich war, in
den Monaten Oktober bis Dezember!


Nebel stellt somit eine deutlich unterschätzte Gefahr dar. Neben dem
Flug- und Schiffsverkehr wird hauptsächlich der Straßenverkehr durch
Nebel stark beeinträchtigt und erheblich gefährdet. Innerhalb
kürzester Zeit kann die Sichtweite für Autofahrer in plötzlich
auftauchenden, dichten Nebelbänken nahezu auf null sinken. Wer dann
mit Geschwindigkeiten von über 100 km/h unterwegs ist, kommt einem
Piloten im Blindflug nahe. Der wesentliche Unterschied besteht nur
darin, dass die meisten Flugzeuge technisch für solche Gegebenheiten
ausgerüstet sind, PKWs hingegen kaum. Der Anhalteweg, der neben dem
eigentlichen Bremsweg auch die Reaktionszeit des Autofahrers
beinhaltet, beträgt bei einer Geschwindigkeit von 100 km/h bereits um
100 Meter!


Schalten Sie also selbst bei leichtem Nebel schon das Abblendlicht
ein und passen Sie die Geschwindigkeit Ihres Fahrzeugs den
Sichtverhältnissen an! Die Nebelschlussleuchten dürfen nach
Straßenverkehrsordnung allerdings erst bei einer Sichtweite unter 50
Metern benutzt werden, da das rote Schlusslicht bis zu 30 Mal heller
erstrahlt als gewöhnliche Rückleuchten und somit nachfolgende Fahrer
blenden könnte. Als Orientierungshilfe können Sie die Leitpfosten am
Straßenrand zu Hilfe nehmen, die in der Regel in einem Abstand von 50
Metern angeordnet sind. Allerdings darf bei eingeschalteten
Nebelschlussleuchten nicht schneller als 50 km/h gefahren werden -
auch nicht auf der Autobahn! Auf Fernlicht sollte allerdings besser
verzichtet werden, da Sie sich damit durch das von den
Wassertröpfchen im Nebel reflektierte Licht eher selbst blenden.


In den kommenden Tagen muss besonders in den Nächten und frühen
Morgenstunden wieder häufiger mit Nebel gerechnet werden,
stellenweise treten dabei auch Sichtweiten unter 150 Meter auf. In
ungünstigen Senken und Flussniederungen, wie beispielsweise dem
Donautal, können sich die zähen Schwaden auch ganztägig halten,
wenngleich sich zumindest die Sichtweite im jeweiligen Tagesverlauf
etwas bessern sollte. Nehmen Sie also im Nebel besser den Fuß vom Gas
und fahren Sie mit angepasster Geschwindigkeit!


MSc.-Met. Sebastian Schappert
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 22.10.2019

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