Thema des Tages

10-09-2019 08:20

Numerische Wettervorhersage - Vorhersagequalität früher und heute?

Bis heute ist es nicht möglich, das Wetter bis weit in die Zukunft
und gleichzeitig ortsgenau vorherzusagen. Dennoch wurden in den
letzten Jahrzehnten die Wetterprognosen deutlich präziser und auch
weiterhin arbeiten Wissenschaftler daran, die Vorhersagen stets zu
verbessern.

Heutzutage basiert die Vorhersage des zukünftigen Wetters auf den
Berechnungen der sogenannten numerischen Wettervorhersagemodelle
(NWV-Modelle). Dabei handelt es sich um komplexe Computerprogramme,
welche die physikalischen Prozesse, die in der Atmosphäre
stattfinden, (vereinfacht) beschreiben. Weshalb noch heute und auch
in Zukunft eine perfekte Vorhersage nie realisierbar sein wird, kann
der interessierte Leser gerne in den bisherigen Artikeln dieser Reihe
in unserem "Thema des Tages"-Archiv nachlesen (siehe unten angefügte
Links).


Zum Abschluss dieser Reihe wird heute gezeigt, dass sich in den
letzten Jahrzehnten - manch einer mag es kaum glauben - die
Vorhersagequalität gegenüber früher erheblich verbessert hat. Den
Fortschritt bei den vom DWD operationell verwendeten NWV-Modellen
zeigt unten angefügte Abbildung. Dargestellt ist die
Vorhersagequalität (Tendenzkorrelation) des Luftdrucks (vertikale
Achse), berechnet mit den in den letzten fünf Jahrzehnten vom DWD
betriebenen Modellen (horizontale Achse), im Gebiet Nordatlantik und
Mitteleuropa im Vergleich zu Messungen. Die verschiedenfarbigen
Kurven stellen unterschiedliche Vorhersagezeiträume, 24 h (1 Tag) bis
168 h (7 Tage), dar. Eine perfekte Vorhersage (gemessener Luftdruck
identisch mit vorhergesagtem Luftdruck) würde eine Tendenzkorrelation
von 1 liefern, eine reine Zufallsprognose hätte den Wert 0.


In der Abbildung sind zwei Effekte zu erkennen. Zum einen zeigen alle
Kurven wie zu erwarten nach oben, was nichts anderes heißt, als dass
sich die Qualität der Vorhersage im Laufe der Jahrzehnte verbessert
hat. Zum anderen erkennt man, dass die Qualität der Prognose
natürlich von Tag zu Tag abnimmt (Kurve für 24 h-Vorhersage zeigt
immer höhere Werte als 48 h-Vorhersage usw.). Eine verlässliche
Prognose wird übrigens bei einem Wert von etwa 0,83 (graue
horizontale Linie) angenommen.


Die Abbildung zeigt eindrucksvoll, dass die numerische
Wettervorhersage in den 70er-Jahren noch nicht sehr verlässlich war.
Selbst eine Ein- oder Zweitagesvorhersage erreichte damals nicht die
heutigen Qualitätsstandards für eine "gute" Vorhersage (Kurven liegen
unterhalb der grauen Linie). Aus diesem Grund wurde mit dem
BaroKLinen Modell (BKL-Modell) auch lediglich 48 Stunden in die
Zukunft gerechnet. Durch stetige Weiterentwicklung der Modelle stieg
jedoch in den 70er- und 80er-Jahren die Vorhersagegüte kontinuierlich
an, sodass man nun eine 4-Tage-Prognose wagen konnte.


Einen deutlichen Sprung in der Vorhersagequalität gab es 1991. Damals
begann man mit Vorhersagen für den gesamten Globus, berechnet mit
einem GlobalModell (GM). Dieses Modell ermöglichte erstmals eine
recht zuverlässige Prognose für die kommenden 4 Vorhersagetage (96
h). Sie war mit dem GM-Modell im Jahre 1991 somit ähnlich präzise wie
eine 24 h-Vorhersage mit dem BKF-Modell im Jahre 1980 (vergleiche
Wert der Tendenzkorrelation der dunkelgrünen Kurve mit der pinken
Kurve in den genannten Jahren). Damit wurde von den Modellentwicklern
innerhalb von etwa 10 Jahren eine beachtliche Leistung erbracht! In
den nachfolgenden Jahren ist eine gewisse Stagnation erkennbar. Erst
im Jahre 2004 verbesserte sich die Vorhersage erneut sprunghaft, als
im damals operationellen GME-Modell die Gittermaschenweite von 60 km
auf 40 km verringert wurde. Durch weitere Modellentwicklungen und
Verringerungen der Gitterabstände bis auf 20 km konnte die Vorhersage
auch in den nachfolgenden Jahren noch leicht verbessert werden.


Einen weiteren Meilenstein markierte die Einführung des bis heute
verwendeten ICON-Modells im Jahre 2015. Besonders im
Mittelfrist-Zeitraum (4. bis 7. Vorhersagetag) konnte mit dem
ICON-Modell eine deutliche Verbesserung der Vorhersagequalität
erreicht werden. In der Kurzfristvorhersage schlagen die
Verbesserungen weniger zu Buche, da die Vorhersage für diesen
Zeitraum bereits bei den Vorgängermodellen sehr gut war
(Tendenzkorrelation größer 0,9). Damit wird man dem heutigen Anspruch
einer Wettervorhersage sicherlich gerecht - ein Anspruch, der vor
wenigen Jahrzehnten noch völlig utopisch erschien. Die Kurven zeigen
eindrucksvoll, dass heutzutage eine 7-Tagesvorhersage (168h, braune
Kurve) mit dem ICON-Modell im Durchschnitt präziser ist als eine 24
h-Vorhersage im Jahre 1970 - hätten Sie das gedacht? Damals war die
Rechenleistung der Computer noch um ein Vielfaches kleiner als die
des heutigen Hochleistungsrechners des DWD. Daher betrug im damaligen
BKL-Modell der Abstand der Modellgitterpunkte noch 381 km. Das
heutige ICON-Modell hat mit einer Maschenweite von 13 km also eine
fast 30-fach höhere Auflösung. Neben zahlreichen physikalischen
Modell-Verbesserungen ist dies einer der wichtigsten Gründe für diese
Qualitätssteigerung.


Auch heute arbeiten sowohl beim DWD als auch an
Forschungseinrichtungen und Wetterdiensten auf der ganzen Welt
zahlreiche qualifizierte Wissenschaftler daran, die Prognosen noch
genauer zu machen, perfekt werden sie aber nie werden können (siehe
vorherige Themen dieser Reihe).


Dr. rer. nat. Markus Übel (Meteorologe)
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 10.09.2019

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