Thema des Tages

31-07-2019 09:50

Die Stratosphäre, das Gedächtnis der Atmosphäre.

Im Folgenden wird versucht, den Einfluss der Stratosphäre auf das
Wettergeschehen in der Atmosphäre zu beleuchten. Ebenso werden
gegenseitige Rückkopplungen zwischen Troposphäre und Stratosphäre
erwähnt.

Allgemein wird ja viel diskutiert und geforscht, inwieweit das
komplexe und in sich nicht abgeschlossene physikalische System aus
verschiedenen Bereichen oder Schichten innerhalb der Atmosphäre
zusammenhängt. Da ist zunächst einmal die uns vertraute Troposphäre,
in der sich das tägliche Wetter hauptsächlich abspielt. Sie ist in
den polaren Breiten 7 bis 9 km, in den Tropen bis rund 18 km mächtig.
In unseren gemäßigten Breiten (40 bis 60 Grad Nord) erstreckt sie
sich vertikal um die 10 bis 12 km. Aber hier fängt sie schon an die
Diskussion: wo hört die Troposphäre auf, wo fängt die Stratosphäre
an?

Wir Menschen neigen ja dazu, selbst die Natur zu schablonisieren. Das
lässt diese natürlich nur begrenzt zu. Aber mal ernsthaft: Diese
Grenzschicht, auch Tropopause genannt, wo Troposphäre auf
Stratosphäre trifft, wird normalerweise da angesetzt, wo die
Temperatur mit der Höhe nicht mehr abnimmt. Ein anderer Parameter ist
der minimale Druck, der erreicht ist, damit die Stratosphäre anfängt,
also z.B. in 200 hPa (Zum Vergleich: am Erdboden sind es rund 1000
hPa). Wann dieser Druck erreicht wird, hängt aber auch von der
Temperatur ab, genauer gesagt von der Temperaturabnahme mit der Höhe.
Entscheidend für die Festlegung von Grenzschichten ist die vertikale
Schichtung der Temperatur. Nun ja, da es an den Polen so oder so
schon kalt ist, wird diese Grenze eher erreicht als in den Tropen.

Nun zur Stratosphäre selbst: Im Mittel erstreckt diese sich zwischen
durchschnittlich 10 und 50 km Höhe. Der Name sagt eigentlich schon
alles: Stratos bedeutet so viel wie homogene Schichtung. In der
Stratosphäre ist die Temperatur mit der Höhe relativ konstant, nimmt
sogar mit der Höhe eher zu, vor allem ab ca. 25 bis 40 km Höhe. Dort
wird durch photochemische Reaktion vom UV-Licht der Sonne mit den
Sauerstoff-Molekülen das stratosphärische Ozon gebildet, das uns eben
vor diesen energiereichen Strahlen der Sonne bewahrt. Das geschieht
durch Absorption eines Teils der Strahlung durch das Ozon, wodurch
allerdings die Umgebung erwärmt wird.

So viel zur Einleitung. Interessant sind die Wechselwirkungen in der
Nähe der Grenzschicht Stratosphäre-Troposphäre. Wenn sich z.B. die
Troposphäre von unten her übermäßig erwärmt, also vor allem durch zu
hohe Meeresoberflächentemperaturen, dann werden so genannte
Temperaturwellen allmählich bis in die Stratosphäre übertragen. Das
heißt, dass dann die Temperatur in der gesamten Luftsäule zunimmt.
Das hat wiederum zur Folge, dass sich allmählich hoher Luftdruck in
diesem Bereich etabliert und zwar vom Boden bis in die untere
Stratosphäre.

Was passiert jetzt? Da in der Stratosphäre sämtliche
Austauschvorgänge von Luftmassen aufgrund geringerer horizontaler und
vertikaler Temperaturunterschiede viel langsamer als in der
Troposphäre vonstattengehen, wird diese zusätzliche Wärmeenergie
zunächst gespeichert.

Nun aber bewegen wir uns auf dünnem Eis, da die Forschungen hier
momentan noch keine eindeutigen Ergebnisse liefern. Aber es gibt
gewisse Hinweise darauf, dass uns diese Wärme irgendwann in die
Troposphäre zurückgeschickt wird und dann vor allem den polaren
Jet-Stream (Starkwindband in 8 bis 10 km Höhe) schwächt, da dort auch
die Temperaturerhöhungen der arktischen Meeresoberflächen am
stärksten ausfallen. Dieses Starkwindband lebt nun aber gerade vom
Temperaturunterschied zwischen dem Süden und dem Norden. Jeglicher
Wärmeeintrag, ob nun von unten oder von oben, führt in der Folge
außerdem zum stärkeren Mäandrieren des Jets.

Mit zunehmendem Verständnis der Zusammenhänge in der Stratosphäre
sind wir immer besser in der Lage, diese Erhaltungs- und
Konservierungseigenschaften der Stratosphäre auch für etwaige
Langfristvorhersagen zu nutzen. Denn die Stratosphäre merkt sich
alles, was weiter unten passiert. Damit werden Temperatur- und
Druckwellen mit großer zeitlicher Amplitude übertragen. Das hat auf
jeden Fall Einfluss auf die Strömungsverhältnisse in der Troposphäre.


Dr. rer. nat. Jens Bonewitz
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 31.07.2019

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