Thema des Tages
27-07-2019 10:50
Konvergenzlinie - Eine Linie mischt die Atmosphäre auf!
Vincent lässt es krachen! Hitzehoch sagt adieu. Mit Zufuhr sehr
feuchter, labil geschichteter Atlantikluft und den Hebungsprozessen
im Umfeld einer Tiefdruckrinne, inklusive Konvergenzlinie, entwickeln
sich teils schwere Gewitter.
Nun ist es endlich soweit, zumindest für einen Großteil der
Bevölkerung: Hoch "Yvonne" hat sich nach Skandinavien verabschiedet
und überlässt das Wettergeschehen über Mittel- und Westeuropa und
somit auch Deutschland nun zunehmend Tiefdruckgebieten. Von Benelux
und Frankreich her schiebt sich dabei Tief "Vincent" ins Land,
eingebettet in eine Tiefdruckrinne, die von der Nordsee bis zum
Balkan reicht und als seine "Spielwiese" dient.
Am heutigen Samstag beeinflusst "Vincent" zunächst das Wetter in der
Südwesthälfte des Landes. In seinem Hoheitsgebiet strömt die Luft an
einer sogenannten Konvergenzlinie zusammen und kommt dann kräftig in
Wallung (vgl. Graphik). Da in der Atmosphäre bei jeder Bewegung auch
Masse transportiert wird und die Atmosphäre nicht beliebig
komprimierbar ist, schafft die Atmosphäre dort, wo Konvergenz
(Zusammenströmen) und Divergenz (Auseinanderströmen) in der
Horizontalen auftritt, vertikale Ausgleichsströme. Der resultierende
Massenüberschuss am Boden wird dabei durch kompensierendes Aufsteigen
ausgeglichen. Starke vertikale Luftumwälzungen lassen die Wolken
schließlich in die Höhe schießen und lösen kräftige, teils
unwetterartige Gewitter aus. Da die Verlagerungsgeschwindigkeit der
Tiefdruckrinne um "Vincent" und somit auch die der Gewitter sehr
gering ist, geht die Hauptgefahr in den betroffenen Regionen von
heftigem Starkregen sowie Hagel aus.
Im Gegensatz zu den Luftmassengrenzen wie Warm- oder Kaltfront
handelt es sich bei Konvergenzlinien um Phänomene, die meist
innerhalb einer einheitlichen Luftmasse auftreten und somit
keine/kaum nennenswerte thermische Gegensätze abtrennen.
Typische Konvergenzlinien entstehen in Mitteleuropa z.B. bei starker
Warmluftzufuhr aus Südwesten in einem gewissen Abstand vor der
nachfolgenden Kaltfront. Dabei markiert die Konvergenzlinie nicht
selten die Achse der wärmsten Luft am Boden, die in der Höhe häufig
von vorauseilender Kaltluft überlaufen wird. Nachfolgend stellen sich
große vertikale Temperaturunterschiede ein, die schließlich vertikale
Umwälzungen hervorrufen. Die Folge sind meistens starke Gewitter.
Neben der beschriebenen, dynamischen Entstehung einer Konvergenzlinie
können auch thermische Bedingungen zusammenströmende Luftmassen
auslösen. Kann sich der Erdboden und somit auch die bodennahen
Luftschichten in einer schmalen Zone durch die Sonneneinstrahlung
sehr stark aufheizen, kommt es ebenfalls zum Aufsteigen der warmen
und daher leichteren Luft. Der Massenverlust am Boden muss
schließlich durch zusammenströmende Luft ausgeglichen werden.
Bei den derzeitigen Wetterbedingungen lassen sich die teils schweren
Gewitter aber nicht nur an der Konvergenzlinie von "Vincent"
festmachen. Auf der West- bzw. Südwestseite der Tiefdruckrinne um
"Vincent" fließt gleichzeitig sehr feuchte, labil geschichtete Luft
ein, sodass auch abseits der Konvergenzlinie im süddeutschen Raum mit
kräftigen Gewittern gerechnet werden muss. Zudem kommt im Nordosten
mit einem überwiegend in höheren Luftschichten ausgeprägten Tief ein
zusätzlicher Player auf das "Gewitterspielbrett" Deutschland.
Auch am morgigen Sonntag bleiben "Vincent" mit seiner
Konvergenzlinie, die weiter in der Tiefdruckrinne eingebettet ist,
sowie das Höhentief im Nordosten aktiv und spielen "Ping Pong"
miteinander. Die "Gewitterspielwiese" verschiebt sich dabei aber
langsam in die Osthälfte des Landes.
Dipl.-Met. Lars Kirchhübel
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 27.07.2019
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