Thema des Tages

11-07-2019 08:20

Heftige Unwetter im zentralen Mittelmeerraum

Während Hochdruckeinfluss gestern in Deutschland für weitgehend
ruhiges Wettergeschehen sorgte, brachte ein Tief über Italien und der
Adria atemraubende und zerstörerische Gewitter hervor.

Am gestrigen Mittwoch (10.07.19) verschaffte uns Hoch "Winnie" in der
eingeflossenen kühlen Meeresluft weitgehend ruhiges Wetter. Lediglich
am Nachmittag und am Abend bildeten sich im Nordosten im Bereich der
Oder einzelne Schauer, aus denen auch wenige Blitze hervorgingen.
Dunkle Wolken, die sich von der Nordsee her näherten, brachten nur
etwas wohlersehnten Regen mit sich.

Ganz anders sah es hingegen in Süd- und Südosteuropa aus. Besonders
im Bereich von Zentral- und Süditalien über Montenegro, Albanien,
Serbien und Nordmazedonien hinweg bis in den Norden Griechenlands
bestimmte eine extrem feuchte und energiegeladene Luftmasse das
Wettergeschehen. Bei einer Lufttemperatur von bis zu 36 Grad und
einem Taupunkt (siehe www.dwd.de/lexikon) in Küstennähe von bis zu 30
Grad herrschten nahezu tropische Verhältnisse vor. Auch die
berechnete gefühlte Temperatur von teils deutlich über 40 Grad - an
einigen Küstenorten sogar bis zu 48 Grad - spiegelt die extreme
Belastung für den menschlichen Organismus wider.

Dazu sorgten Antriebe in höheren Luftschichten für eine starke
Anhebung der Luftmasse. In der Folge bildeten sich bereits in der
Nacht zum gestrigen Mittwoch im Norden Italiens sowie im Bereich der
nördlichen Adria kräftige Gewitter aus. Im Tagesverlauf verlagerten
sich diese unter Verstärkung und Neubildung weiter nach Süden, wo sie
dann im Laufe des Nachmittags auch den Norden Griechenlands
erreichten.

Unter anderem gingen die kräftigen Gewitter mit sintflutartigem
Starkregen und kräftigen Fallböen einher. Die starken Regenfälle
verwandelten beispielsweise die Straßen von Pescara, einer
italienischen Stadt an der Adria, und Komotini am Südrand der
Rhodopen in Griechenland in reißende Flüsse. Unzählige Bilder zeigen
nicht nur umherfliegende Sonnenliegen, auch wie Streichhölzer
umgeknickte Bäume und umgeworfene Autos zählen darunter, die von
zerstörerischen Fallböen verursacht wurden. In Griechenland wurden
sogar 23 Hektar Birnenbäume niedergewalzt.

Das war jedoch noch längst nicht alles. Darüber hinaus herrschten
nahezu ideale Scherungsbedingungen vor: Nicht nur nahm die
Windgeschwindigkeit mit der Höhe zu, auch die Windrichtung drehte von
südöstlicher Richtung am Boden auf westliche Richtungen in der Höhe.
Zusammen mit der hohen Energie in der Luft sind das beste
Voraussetzungen für großen Hagel. Dabei kann man den Bildern in
diversen Social-Media-Kanälen kaum glauben. Hier ein Hagelkorn so
groß wie eine Orange mit einem Gewicht von 300 Gramm, da ein
gigantisches Hagelkorn mit einem Durchmesser von etwa 10 Zentimetern,
teilweise ist die Rede von 15 Zentimetern Durchmesser. Auch die
Videos sind sowohl faszinierend als auch angsteinflößend, kommen die
Hagelkörner doch wie Geschoße vom Himmel und schlagen explosionsartig
auf dem Boden ein und zerstören alles, was ihnen nicht gewachsen ist.


Auch einige Tornados konnten gestern gesichtet werden. Während eine
Wasserhose in Rimini (Italien) aus sicherer Entfernung vom Land aus
nur über dem Wasser bestaunt werden konnte, hatte der etwas weiter
nördlich gelegene und ebenfalls beliebte Badeort Milano Marittima in
Cervia in der Emilia-Romagna weniger Glück. Dort zerstörte ein
Tornado alles, was sich ihm in den Weg stellte, auch über 200 Jahre
alte Pinienbäume wurden einfach umgeworfen. Darüber hinaus gibt es
auch Berichte aus der beliebten Ferienregion Chalkidiki
(Nordgriechenland), wo ebenfalls ein Tornado sein Unwesen getrieben
haben soll. Dort kostete das Unwetter wohl neben unzähligen
Verletzten auch sechs Touristen das Leben.

Aktuell ziehen die Gewitter unter Abschwächung weiter über die Türkei
hinweg. Dort können diese ebenfalls besonders im Bergland noch lokal
unwetterartig ausfallen, wenngleich sich die atmosphärischen
Bedingungen im Vergleich zu gestern deutlich weniger günstig für
Unwetter darstellen.

Auch im Westen und Nordwesten Deutschlands sind heute besonders ab
den Nachmittagsstunden einzelne Gewitter möglich. Allerdings
unterscheidet sich die hier vorherrschende Luftmasse deutlich von der
in Süd- und Südosteuropa. Die Luft ist viel kühler und trockener,
weniger energiereich und auch die Scherungsbedingungen sind weniger
ideal. Entsprechend reicht es meist nur für einzelne markante
Gewitter, die lokal eng begrenzt mit Starkregen bis 25 l/qm in kurzer
Zeit einhergehen, Hagel und Sturm stehen dabei weniger im Fokus.


MSc.-Met. Sebastian Schappert
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 11.07.2019

Copyright (c) Deutscher Wetterdienst