DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

23-06-2019 10:30

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 23.06.2019 um 10.30 UTC



Hitzewellen mit starker bis extremer Wärmebelastung bei nur geringer
Gewitterneigung. Ab Donnerstag vorübergehend leichte Abkühlung.
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Synoptische Entwicklung bis zum Sonntag, den 30.06.2019


Die für diese Woche angekündigte Hitzewelle findet ihren ersten Höhepunkt
wahrscheinlich am ersten Tag der Mittelfrist am kommenden Mittwoch. Als
Grundlage dient dem aktuellen EZMW-Lauf von 00 UTC zufolge ein breit
aufgewölbter Höhenrücken, der sich von Nordafrika über das westliche und
zentrale Mittelmeer bis nach Frankreich, Benelux und bis nach Polen erstreckt.
Bodennah wird dadurch ein Hoch gestützt, dessen Zentrum etwa über dem Baltikum
zu finden ist. Dabei strömt auf der Vorderseite eines hochreichenden
Tiefdruckkomplexes über dem nahen Ostatlantik mit südlicher bis südwestlicher
Strömung heiße Luft ein, sodass die T850 hPa am Mittwoch zwischen 15 und 24 Grad
liegen. Mit Ausnahme der direkten Küstengebiete stehen somit deutschlandweit
Temperaturen über 30 Grad ins Haus. Beachtenswert ist, dass MOSMIX im Südwesten
tatsächlich sogar lokal Höchsttemperaturen von 40 Grad vorhersagt, womit der
Juni-Rekord der höchsten Temperatur von 38,5 Grad (gemessen am 27.Juni 1947 in
Bühlertal, Baden-Württemberg) deutlich wackelt und selbst die höchste jemals in
Deutschland erreichte Temperatur von 40,3 Grad (registriert am 5. Juli und am 7.
August 2015 in Kitzingen, Bayern) in Gefahr gerät. Möglicher Saharastaub oder
verminderte Einstrahlung bei hoher Bewölkung könnten die Rekorde aber noch
verhindern.

In der zweiten Wochenhälfte ab Donnerstag stellt sich dann zunächst eine leichte
Abkühlung ein, die wir einem vom Nordmeer ausgehenden Trog zu verdanken haben.
Dieser weitet sich immer weiter nach Südosten hin aus und erreicht am Samstag
das Schwarze Meer. Der Höhenrücken weicht dadurch retrograd nach Westen zurück
und somit auch die heiße Luft, die sich dann über der Iberischen Halbinsel,
Frankreich und den Britischen Inseln befindet (T850 hPa 20 bis 30 Grad). Im Zuge
dessen bildet sich bodennah eine neue Hochparzelle über der Nordsee, sodass eine
nordwestliche Strömung aufkommt, die insbesondere den Nordosten erfasst. Die
T850 hPa sinken dadurch bis zum Freitag auf 7 Grad im Osten, während im Westen
meist noch 15 Grad und mehr vorherrschen. Freilich bedeuten solche Werte immer
noch schweißtreibende Temperaturen über 30 Grad im Westen, während es im Osten
bei 25 bis 30 Grad leicht kühler bleibt. Darüber hinaus lässt sich im
Theta-E-Feld eine stark barokline Luftmassengrenze ausmachen, die quer über
Deutschland liegen soll, aber kaum Wetteraktivität entfaltet. Ihr fehlt der
dynamische Input (unter dem Rücken gibt es keine Tröge oder Höhentiefs in der
Nähe) und das Absinken des Hochs wirkt ebenfalls hemmend. Die
Niederschlagssignale von den Modellen halten sich dementsprechend stark in
Grenzen, aber vielleicht kann ja die Orografie das eine oder andere - dann
sicherlich starke - Gewitter auslösen.

Am Wochenende bzw. in der erweiterten Mittelfrist ab Montag übernächster Woche
steht ein neuer Hitzehöhepunkt ins Haus. Der osteuropäische Trog zieht
allmählich nach Osten weiter und der Rücken kommt nun wieder progressiv voran.
Zusammen mit dem Höhentief über dem Nordostatlantik stellt sich vorübergehend
sogar eine Omega-Wetterlage ein. Jedenfalls macht sich die heiße Luft wieder auf
den Weg nach Osten und damit auch nach Deutschland. Am Sonntag und Montag werden
in 850 hPa Temperaturen von 16 bis 24 Grad erreicht, womit neuerlich verbreitet
30 bis 35 Grad und lokal mehr zu erwarten sind.

Nach derzeitigem Stand könnte die Hitzewelle am kommenden Dienstag mit einem
kräftigem "Wumms" zuende gehen, denn es droht ein Luftmassenwechsel. Ursache ist
ein Trog, der in die Nordsee zieht und ein Tief nach Skandinavien führt. Die
Kaltfront dieses Tiefs greift im Tagesverlauf von Westen her auf Deutschland
über, angesichts der vorherrschenden heißen Luftmasse ist die Gefahr schwerer
Gewitter hoch.
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Die Konsistenz des aktuellen 00 UTC-Laufs des EZMW zu seinen beiden gestrigen
Vorläufen ist bis zum Samstag sehr hoch, sodass am Vorhersagekonzept kaum etwas
zu ändern ist. Ab Sonntag nehmen die Unterschiede leicht zu, die sich vor allem
in einem kräftigeren Rücken über Mitteleuropa äußern als gestern noch angedacht.
Das Temperaturniveau ist damit ab Sonntag um ca. 4 Kelvin höher als gestern,
womit neuerliche Hitze zu erwarten ist. Die nachfolgende Abkühlung mit dem
Durchzug einer Kaltfront eines Tiefs über Skandinavien von Westen her hatten die
gestrigen Vorläufe dann auch rascher im Programm (12 bis 24 Stunden früher).
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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Genau wie bei den Konsistenzbetrachtungen zeigen sich bei ICON und GFS zunächst
nur geringe Unterschiede, die ab Samstag etwas zunehmen. Beim ICON wölbt sich
der Rücken dann stärker auf und liegt weiter östlich als beim EZMW. Die
GFS-Variante ist irgendwo zwischen diesen beiden Lösungen anzusiedeln. Damit
würde die heiße Luft rascher wieder zurückkehren. Ebenso würde der nachfolgende
Trog mit dem neuen Tief über Skandinavien und der Kaltfront schneller folgen und
die Hitze früher beenden. Ein ähnliches Szenario hatten die beiden gestrigen
EZMW-Läufe in petto. GEM schließt sich der Lösung von ICON an. NAVGEM bringt
keine große Abkühlung ab Donnerstag, weil der Trog weiter östlich gerechnet
wird. Ab dem Wochenende folgt das Modell der ICON-Lösung (recht früher Durchzug
der Kaltfront). __________________________________________________________

Bewertung der Ensemblevorhersagen


Die T850 hPa-Rauchfahnen diverser deutscher Städte sind bis zum Mittwoch eng
gebündelt, ab Donnerstag öffnen sie sich. Haupt- und Kontrolllauf liegen dann am
unteren Ende der Schar, womit ein Hinweis gegeben wird, dass die Abkühlung ab
Donnerstag möglicherweise nicht so deutlich ausfällt. Den neuerlichen
Hitzehöhepunkt am Sonntag/Montag spiegelt sich ebenso wider, wobei der Hauptlauf
aber nach oben ausreißt, während der Kontrolllauf dagegen recht gut im Median
liegt. Die Geopot 500 hPa-Rauchfahnen sind ebenfalls bis Mittwoch eng gebündelt
und weiten sich dann etwas. Haupt- und Kontrolllauf sind stets gut im Median
eingebettet.

Die Clusteranalyse liefert für Mittwoch bis Freitag 5 Cluster. Der Trog, der
sich vom Nordmeer bis zum Schwarzen Meer erstreckt, wird zum Teil etwas weiter
östlich gerechnet als vom Hauptlauf (in C1). Somit stellt sich erneut die Frage
nach der Nachhaltigkeit der Abkühlung ab Donnerstag. Für Samstag bis Montag
existieren 3 Cluster. Sie offenbaren Unterschiede beim neuen für uns relevanten
Trog vom Nordostatlantik. Er wird zeitlich und räumlich mit einigen Differenzen
vorhergesagt, sodass unklar bleibt, wann die Abkühlung nach dem neuen
Hitzehöhepunkt kommt.

Fazit: Das heiße bis sehr heiße Wetter bis zum Mittwoch ist kein heißes Eisen
mehr, weil es als sicher anzusehen ist. Hauptthema wird die Jagd nach 40 Grad
und nach möglichen Rekorden sein, Gewitter bleiben größtenteils aus. Ab
Donnerstag steht eine Abkühlung ins Haus, deren Nachhaltigkeit aber noch Fragen
aufwirft. Am kommenden Wochenende folgt wahrscheinlich eine neue Hitzewelle bei
nur geringer konvektiver Aktivität. Dass es danach zu einer Abkühlung kommt,
scheint recht wahrscheinlich, die Frage des Zeitpunkts kann aber aus heutiger
Sicht noch nicht zufriedenstellend beantwortet werden.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


EFI gibt an allen Tagen deutliche Hinweise bis 1.0 für überdurchschnittlich hohe
Temperaturen. Selbst die SOT zeigen Werte bis 1.0 an, was für Rekordtemperaturen
spricht. Die Wärmebelastung ist folglich stark, teilweise auch extrem. Tropische
Nächte tragen ihr Scherflein dazu bei. Etwas kühler bleibt es an den Küsten und
vorübergehend im Norden und Nordosten ab Donnerstag.

Darüber hinaus werden am Mittwoch landesweit und an den anderen Tagen vor allem
im Süden und Südwesten von EFI hohe Werte beim CAPE und beim CAPE-Shear
vorhergesagt. Zwar ist die Gewitterneigung gering und hauptsächlich dürften
diese sich nur mithilfe der Orografie bilden. Mögliche Gewitter könnten jedoch
(auch unter Berücksichtigung der beteiligten Luftmassen) sehr kräftig ausfallen
und mit den üblichen Begleiterscheinungen Sturm, Hagel und Starkregen
einhergehen. Lokal sind dann rasch unwetterartige Entwicklungen möglich.
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Basis für Mittelfristvorhersage
MOSMIX, EZMW, EZMW-EPS
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Simon Trippler