Thema des Tages

23-06-2019 08:20

Die Hitze kommt, der Körper leidet!

Die Hitze kommt um zu bleiben! Eine in höheren Luftschichten
einsetzende Südströmung führt heiße Luft aus Nordwestafrika bis nach
Mittel- und Westeuropa. Mit Sonnenunterstützung steigen die
Temperaturen bis zum Mittwoch auf Werte bis 40 Grad an. Gebietsweise
tropische Nächte mit Werten über 20 Grad bringen dem Körper keine
Entlastung.


Nachdem der Tiefdruckeinfluss auch im Süden zunehmend schwindet und
die schwülwarme Luft nach Osten abgedrängt wird, kann das Hoch "Ulla"
im Zusammenspiel mit Ihrem kongenialen Partner in der Höhe
(Höhenhoch, Rücken) das Wetterregiment übernehmen. In Bodenniveau
erstreckt sich Ulla am heutigen Sonntag schon von Island bis nach
Polen sowie dem Baltikum und beeinflusst somit auch das Wetter in
Deutschland nun nachhaltig.

Während sich das Höhenhoch zur Wochenmitte vom westlichen
Mittelmeerraum bis zur Nord- und Ostsee ausbreiten kann, spaltet sich
Hoch Ulla in einen westlichen Teil über dem Nordatlantik bei Island
und einen östlichen Teil über der Ostsee und dem östlichen
Mitteleuropa auf.

Weite Teile des Landes liegen demnach unter hochreichend hohem
Luftdruck, der die Bildung von Quellwolken kaum zulässt. Lediglich im
Nordwesten kann bodennah zum Mittwoch eine Tiefdruckrinne entstehen,
deren Wetteraktivität von der Höhe jedoch jäh unterdrückt wird.
Völlig ausgeschlossen sind Quellungen, die mit Gewittern einhergehen,
ab Mittwoch jedoch nicht. Durch die sehr heißen Temperaturen kann mit
Unterstützung der Berge vor allem im Süden die Entstehung dieser
ausgelöst werden.

Die heiße Luft mit Temperaturen zwischen 30 und 40 Grad wird dabei
auf einer Luft-Autobahn zwischen hochreichendem tiefem Luftdruck über
dem Ostatlantik und dem besagten Höhenhoch von der westlichen Sahara
über die Iberische Halbinsel und das westliche Mittelmeer hinweg bis
nach Mittel- und Westeuropa gesteuert. Passen alle Rahmenbedingungen
zusammen, sind an Ober- und Hochrhein, dem Rhein-Neckar-Raum sowie
dem Rhein-Main-Gebiet sogar rekordverdächtige Werte um 40 Grad nicht
völlig ausgeschlossen. Eine erhöhte Staub- und Sandkonzentration in
der Luft sowie ein falsches Timing in der Zufuhr der maximalen
Temperaturen von Süden können jedoch die Werte noch unter der
40-Grad-Marke belassen. Wie auch immer, für den Körper ist die
angekündigte Hitze auf jeden Fall eine Tortur.

Dabei stellt die Schnittstelle zwischen Wetter bzw. Klima und der
Medizin ein spannenden Forschungs- und Arbeitsbereich mit vielen
Herausforderungen dar. Mit den Wechselwirkungen zwischen den
atmosphärischen Prozessen und den lebenden Organismen (Pflanzen,
Tiere und Menschen) befasst sich die Biometeorologie als
interdisziplinäre Wissenschaft. Die zentrale Frage dieses
Wissensbereiches ist also: Wie beeinflussen Wetter und Klima lebende
Organismen?

Von besonderem Interesse ist ? wie bei der bevorstehenden Hitzewelle
- der thermische Wirkungskomplex. Zu diesem Wirkungsbereich gehören
alle Größen, die für den Austausch von Wärme zwischen dem lebenden
Organismus und der ihn umgebenden Atmosphäre von Bedeutung sind. Die
wichtigsten meteorologischen Größen sind dabei Lufttemperatur,
Luftfeuchte, Windgeschwindigkeit und Strahlung. Für eine zahlenmäßige
Erfassung und Einordnung des Wohlbefindens, der Gesundheit und der
Leistungsfähigkeit des Menschen ist es notwendig, die thermischen
Umweltbedingungen des Menschen in einer physiologisch korrekten sowie
wirkungsvollen und praktischen Weise aufzubereiten, darzustellen und
weiterzugeben.

Damit die inneren Organe und das Gehirn eines Menschen optimal
funktionieren können, muss die Körpertemperatur auf einem konstanten
Niveau (~37°C) gehalten werden. Dafür sollten die Wärmeproduktion im
Organismus und die Wärmeabgabe an die Umgebung über einen längeren
Zeitraum im Gleichgewicht stehen. Vom Wärmegleichgewicht abweichende
Bedingungen werden dem Menschen - über das Gehirn gesteuert - durch
Frieren oder Schwitzen bewusst und führen so zu einer Anpassung des
Verhaltens, z.B. durch Ablegen von Kleidung, Verminderung der
Aktivität oder Aufsuchen von geschützten bzw. klimatisierten Räumen.


Die Temperatur der Haut und der Extremitäten können dabei jedoch
abhängig von den Umgebungsbedingungen stark schwanken. Überschüssige
Wärme gibt der Körper über die Haut an die Umgebung ab. Mögliche
Prozesse sind beispielsweise die Konvektion (sensibler Wärmefluss),
Strahlung (langwellige Strahlung) sowie die Verdunstung z.B. von
Schweiß und Diffusion von Wasserdampf (latenter Wärmefluss).
Gleichermaßen kann der Wärmehaushalt in einem bestimmten Maße auch
über die Atmung (latenter und sensibler Wärmefluss) reguliert werden.
Aufgrund des unterschiedlichen Stoffwechsels bei Menschen kann das
thermische Empfinden in Abhängigkeit beispielsweise von Alter und
Geschlecht variieren und ist somit lediglich eine subjektive
Bewertung der Auswirkung der Umgebungsbedingungen auf den Zustand des
Körpers.

Um das thermische Empfinden auf Basis der vorgefundenen
Umgebungsbedingungen zu analysieren und vorherzusagen, wird auf
verschiedene Konzepte zurückgegriffen. Ein weitverbreitetes Konzept
basiert dabei auf der Betrachtung einer ?äquivalenten Temperatur?.
Sie beschreibt in diesem Fall die Lufttemperatur, die in einer
Referenzumgebung herrschen müsste, um das gleiche thermische Befinden
wie in der aktuellen Umgebung (optimalen Zustand des Wärmehaushaltes
des Körpers) hervorzurufen. Der Vergleich der äquivalenten Temperatur
zur Lufttemperatur erschließt sich häufig selbständig, besonders in
Hinsicht auf extreme Bedingungen (Hitze, Kälte).

Der Deutsche Wetterdienst betreibt darauf aufbauend als thermisches
Bewertungsverfahren das sogenannte ?Klima-Michel-Modell?. Dabei
greift er auf die ?gefühlte Temperatur? als eine Variante der
äquivalenten Temperatur zurück, die die Anpassung der Bekleidung an
die aktuellen thermischen Bedingungen berücksichtigt. Allerdings
gelten die Bewertungen jeweils nur für einen aufrecht stehenden
Menschen. Der Klima-Michel beschreibt bei der Bewertung einen
Norm-Menschen. Dieser erbringt eine Arbeitsleistung von 172,5 Watt
bzw. 135 Watt pro Quadratmeter Hautoberfläche. Dies entspricht dem
Zustand ?Gehen? mit etwa 4 km/h in der Ebene. Gleichermaßen ist die
Bewertung an den Außenbedingungen ausgerichtet, sodass der ?Michel?,
um sein thermisches Gleichgewicht herzustellen, seine Kleidung
zwischen einer sommerlichen und winterlichen Variante variieren kann.
Die sommerliche Kleidung entspricht beispielsweise einer leichten
langen Hose, einem kurzärmeligen Hemd und Sandalen.

Nach derzeitigem Stand bleiben vor allem in der Mitte und im Süden
die heißen Temperaturen zwischen 30 und 38 Grad mit allen Einflüssen
auf den Körper bis über das Wochenende hinweg erhalten. Angenehmer
soll es von Donnerstag bis Sonntag bei Zufuhr etwas kühlerer
Nordseeluft nur im Norden werden.


Dipl.-Met. Lars Kirchhübel
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 23.06.2019

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