Thema des Tages
27-05-2019 08:50
Es ist noch nicht Sommer!
Im heutigen Thema des Tages wird versucht die zum Teil verzerrte
Wahrnehmung des aktuellen Wettergeschehens, auch im Vergleich zum
letzten Jahr, etwas zu Recht zu rücken.
Im vergangenen Jahr haben die "sommerlichen" Frühlingsmonate April
und Mai jeweils einen neuen Allzeitrekord bei der
Durchschnittstemperatur aufgestellt. Die Abweichungen zu den
vieljährigen Mittelwerten lagen bei fünf bzw. knapp vier Grad. Dass
neue Rekorde an zwei Monaten in Folge aufgestellt werden, gab es bis
dato seit Aufzeichnungsbeginn noch nicht. Nun waren nicht nur der
April und Mai überdurchschnittlich, ganze dreizehn Monate am Stück
verblieb das Monatsmittel über den vieljährigen Mittelwerten. Das ist
ebenfalls ein neuer Rekord.
Angesichts der beeindruckenden Bilanz des zurückliegenden Jahres kann
der diesjährige Mai schonmal schnell mit negativen Superlativen aller
Art bedacht werden. Studien haben zudem gezeigt wie schnell sich der
Mensch an eine Verschiebung der Durchschnittstemperatur gewöhnt und
diese als neues Maß für das aktuelle Wetter zu Grunde legt.
Natürlich lässt sich nicht von der Hand weisen, dass der Mai in
diesem Jahr kein Wonnemonat gewesen ist. Klar ist auch, dass die
Serie überdurchschnittlich warmer Monate nun reißen wird. Ohne die
Details vorweg zu nehmen, wird der Mai landesweit
unterdurchschnittlich ausfallen. Dennoch bleibt ganz nüchtern
festzustellen, dass dies nur ein einziger Monat gewesen ist. Es war
statistisch mehr als überfällig, dass nun auch einmal negative
Abweichungen registriert werden.
Darüber lässt sich aber weder eine klimatologische Aussage machen,
noch ein Rückschluss auf den bevorstehenden auf den Sommer 2019
ziehen. Für Klimabetrachtungen bräuchte es mindestens 360 Monate (30
Jahre) um eine einigermaßen fundierte Aussage treffen zu können.
Selbst wenn also auch der Rest des Jahres und der diesjährige Sommer
unterdurchschnittlich ausfallen sollten, hätte das noch keine
klimatologische Relevanz. Dazu kommt noch die Tatsache, dass bei den
Betrachtungen der Fokus nur auf Deutschland gesetzt ist. Ein Blick
über den Tellerrand hinaus zeigt, dass die Rekordwerte im
diesjährigen Mai, bedingt durch die Großwetterlage, stattdessen in
Westrussland zu finden sind. So wurden beispielsweise am 12. Mai nahe
dem Polarkreis (64.8° N, Koynas (RUS)) knapp 31 Grad gemessen. Auch
in Portugal und Israel gab es für Mai außergewöhnliche Hitzewellen.
Beispielsweise wurde am 13. Mai im südlichen Portugal die 38 Grad
Marke geknackt. In Tel Aviv stieg das Quecksilber am 23. Mai auf 44
Grad.
Zurück zu Deutschland, wo zu Beginn der Woche erneut eine kühlere
Phase mit Durchzug einer Kaltfront eingeleitet wird. Am bayerischen
Alpenrand setzt ab dem Abend Dauerregen ein, der in Staulagen bis
Mitte der Woche sogar unwetterartig ausfallen kann. Der Mai 2019
bleibt sich also treu.
Lassen wir das Alltagsgrau aber einfach mal hinter uns und schauen
nach vorne. Rasch wird man feststellen, dass wir uns ja eigentlich
noch im Frühjahr befinden. Kalendarisch dauert es noch bis zum 21.
Juni, meteorologisch definiert beginnt der Sommer aber am kommenden
Samstag, dem 1. Juni.
Und was macht das Wetter? Das bewegt sich auf Sommerkurs. Noch nicht
vollumfänglich und überall, aber mit jedem Tag ein bisschen mehr. Zum
Sonntag sind, abgesehen vom Norden (20 bis 24 Grad), überall
Höchstwerte im Sommerbereich zu erwarten (25 bis 29 Grad). Natürlich
nehmen die Unsicherheiten in weiterer Folge zu, die Zeichen stehen
aber nicht schlecht, dass dem Sommer damit ein meteorologischer
Punktstart gelingt und größere Kälterückfälle der Vergangenheit
angehören.
Bleibt festzuhalten: Ein Monat macht noch kein Klima und man sollte
den Sommer nicht abschreiben, bevor er wirklich angefangen hat.
Dipl.-Met. Marcus Beyer
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 27.05.2019
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