Thema des Tages

23-05-2019 07:50

Ein regional historisches Dauerregenereignis

Die Dauer- und Starkniederschläge, die von Montag bis Mittwoch Teile
Deutschlands heimgesucht haben, sind abgeklungen. Hoch OPHELIA
schiebt sich von Westen ins Land und sorgt für eine Wetterberuhigung.
Das ist der perfekte Zeitpunkt, um ein Resümee zu ziehen.

Am Ende einer Unwetterlage stellen wir uns vom Deutschen Wetterdienst
immer die Frage, wie das Geschehene historisch und im Hinblick auf
andere vergleichbare Ereignisse einzuordnen ist. Dies ist
gleichbedeutend mit der Fragestellung, wie "ungewöhnlich" eine
bestimmte Wettersituation war. "Nackte Zahlen" in Form von reinen
Niederschlagssummen eignen sich kaum dafür, zumal man in den
verschiedenen Regionen Deutschlands ganz unterschiedliche
Niederschlagsmengen "gewöhnt" sein kann.

Um Starkregenereignisse statistisch einordnen zu können, wurden daher
umfangreiche, zwischen Hydrometeorologen und Wasserwirtschaftlern
koordinierte Starkniederschlagsregionalisierungen vorgenommen. Die
Ergebnisse werden in der Datenbank "KOSTRA-DWD" zusammengeführt und
beruhen in der neusten Version auf Messdaten des Zeitraumes zwischen
1951 und 2010. Mit Hilfe dieser Datenbank können Aussagen zu den
Niederschlagshöhen in Abhängigkeit von der Niederschlagsdauer (der
sog. Dauerstufe, 5 Minuten bis 72 Stunden) und der Wiederkehrzeit
(der sog. Jährlichkeit, 1 Jahr bis 100 Jahre) getroffen werden. Neben
der rein meteorologischen Einordnung eines Starkregenereignisses
stellt die Dimensionierung wasserwirtschaftlicher Bauwerke wie
Kanalnetze, Kläranlagen, Pumpwerke und Rückhaltebecken einen weiteren
wesentlichen Anwendungsbereich der KOSTRA-DWD-Datenbank dar.

Forscher der Klima- und Umweltabteilung des DWD nutzten die Datenbank
nun, um das Stark- bzw. Dauerregenereignis der vergangenen Tage zu
analysieren, zu bewerten und schließlich historisch einzuordnen. Die
beobachteten Niederschlagsmengen des Zeitraumes von Montag (21.05.,
05:50 UTC) bis Mittwoch (22.05., 05:50 UTC) wurden mit den in der
KOSTRA-Datenbank befindlichen mittleren 48-stündigen
Starkniederschlagshöhen für die verschiedenen Wiederkehrzeiten (1
Jahr bis 100 Jahre) abgeglichen (siehe Grafik auf
https://www.dwd.de/DE/wetter/thema_des_tages/2019/5/23.html).

Demnach ergibt sich insbesondere für Teile des südlichen
Alpenvorlandes, Ost- und Mittelhessen sowie Ostwestfalen eine
Jährlichkeit des Ereignisses von 20 bis 50 Jahren, punktuell -
insbesondere im Allgäu - auch von 100 Jahren und mehr. Auch sonst
liegt die Wiederkehrzeit in einem Streifen vom nördlichen bis zum
zentralen Mittelgebirgsraum sowie gebietsweise im Süden Deutschlands
bei 5 bis 20 Jahren.

Man kann also sagen, dass das Starkregenereignis der letzten Tage für
die genannten Regionen ein außergewöhnliches - und damit potenziell
auch schadensträchtiges Ereignis darstellte. Denn die
wasserwirtschaftlichen Bauwerke und Entwässerungssysteme sind nicht
auf statistisch betrachtet derart seltene Ereignisse ausgelegt und
auch die natürlichen, örtlichen Entwässerungssysteme (Bäche, kleine
Flüsse etc.) waren mit den Wassermassen überfordert. So kam es
regional zu Überflutungen und Hochwasser. Die Flusspegel erreichten
vor allem im Süden zum Teil Hochwassermarken mit 2- bis 5-jähriger,
vereinzelt auch 10- bis 20-jähriger Wiederkehrzeit.

Wenigstens besteht Hoffnung, dass sich so etwas nicht so schnell
wiederholt. Denn eine Wiederkehrzeit von 100 Jahren bedeutet
schließlich nichts anderes, als dass ein solches Starkregenereignis
in der betrachteten Region nur alle 100 Jahre vorkommt - zumindest
rein statistisch. Leider hält sich das Wetter nicht unbedingt an
Statistik, sodass nicht ausgeschlossen werden kann, dass ein solches
100-jähriges Ereignis also durchaus auch öfter als einmal in einem
Jahrhundert auftreten kann (man erinnere sich an die beiden
"Jahrhundertfluten" in Deutschland 2002 und 2013). Achja, und dann
wäre da noch der Klimawandel als "Unbekannte", der die Karten für die
Zukunft neu mischen könnte - aber das soll an dieser Stelle nicht
weiter thematisiert werden.

Dipl.-Met. Adrian Leyser
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 23.05.2019

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