Thema des Tages
14-03-2019 08:50
Wenn der Wind Wellen formt
Nazare in Portugal, North Shore (Ohau) sowie Maui auf Hawaii sind in
der Surfszene bekannte Orte, denn sie erweisen sich bei
entsprechender Jahreszeit und Wetterlage als Garant für große Wellen.
Dabei spielen an diesen Orten neben der meteorologischen Komponente
sicherlich auch lokale geologische Effekte unter Wasser eine große
Rolle, die das Wellenwachstum unterstützen.
Allerdings treten auch abseits der Küsten bevorzugt während der
Sturmsaison auf den Ozeanen meterhohe Wellen auf, deren Größe von
Schiffen und Bojen (Punktmessung) oder aber von Satelliten
(Flächenmessung) an die Wetterdienste übermittelt werden. Diese
Wellen sind zumeist nur auf meteorologische Begebenheiten
zurückzuführen. Die Seegebiete vor den Äußeren Hebriden westlich von
Schottland oder die Campbell Insel im Südatlantik südlich von
Neuseeland gelangten die vergangenen Jahre über sogar in die
internationale Presse, da in diesen Regionen anhand von
Bojenmessungen neue Rekordwellenhöhen für die jeweiligen Ozeangebiete
vermeldet wurden.
Blickt man beim Thema "Wellenwachstum" auf die meteorologische
Komponente und schließt Themen wie Gezeitenkräfte, Tsunamis oder
Druckwellen aus, so fällt einem sicherlich sofort der Wind ein. Bläst
dieser über eine Wasseroberfläche, beginnt sich durch die Interaktion
des Windes mit dem Oberflächenwasser eine Welle zu bilden. Diese
Wellen werden in der Wissenschaft als sogenannte "Kapillarwellen"
bezeichnet und gehören zu den Gravitationswellen, da eben die
Gravitationskraft maßgeblich bestrebt ist die neu entstandenen Wellen
wieder zu glätten. Dies kann bei kurzen Windstößen über eine
Wasseroberfläche beobachtet werden, wenn sich die kleinen Wellen nach
Abschwächen des Windes wieder rasch auflösen.
Doch was passiert, wenn der Wind nicht sofort nachlässt, sondern
beständig weiter weht? Man kann sich die Welle wie ein Hindernis
vorstellen, das vom Wind überstrichen wird. Ähnliches ist z.B. bei
Gebirgen zu beobachten, wo sich auf der windabgewandten Seite der
Berge unter bestimmten atmosphärischen Bedingungen Luftwirbel
(sogenannte "Rotoren") bilden können. Entsprechendes passiert auch im
Lee der Wellen. Diese Wirbel werden durch geringe Druckunterschiede
hervorgerufen, die für ein weiteres Wachstum der Welle sorgen. Erst
wenn die Windgeschwindigkeit der Wellengeschwindigkeit gleicht, kann
der Wirbel nicht mehr bestehen, da kein Überströmen mehr stattfindet
und folglich stoppt auch das Wellenwachstum.
Diese stark vereinfachte Erklärung beinhaltet bereits zwei wichtige
Komponenten, die das Wachstum von Wellen maßgeblich ausmacht. Eine
der Komponenten ist die Windgeschwindigkeit, denn je kräftiger diese
ausfällt, umso höher können die Wellen anwachsen. Andererseits ist
aber auch die Dauer des Windes von großer Bedeutung, denn je höher
die Windgeschwindigkeit ist, umso länger dauert es, bis die maximale
Wellenhöhe erreicht wird. Daher muss der Wind auch lange Zeit
beständig mit hoher Windgeschwindigkeit wehen, damit sich die Welle
mit voller Größe aufbauen kann. Diese beiden Komponenten führen
letztendlich zum sogenannten "fetch". Das ist die Wirklänge im
Bereich, wo der Wind mit konstanter Geschwindigkeit und aus
konstanter Richtung weht und sich die Welle somit voll aufbauen kann.
Dabei wachsen die Wellen jedoch nicht ewig, sondern streben einem
Maximum entgegen und beginnen zu brechen.
Wir betrachten nun als Beispiel den 4. Februar 2013, als die
vorläufige und von der WMO bestätigte Rekordwellenhöhe vor den
Äußeren Hebriden durch die vom britischen Wetterdienst MetOffice
betriebene Boje "K5" gemessen wurde. Dem Thema des Tages sind sowohl
die Lage der Boje als auch die entsprechende Wetterlage beigefügt. Am
Südrand eines kräftigen Islandtiefs etablierte sich eine stramme
Westströmung. Diese reichte von Südgrönland bis nach Schottland.
Genau dort lag die erwähnte Boje. Alle Komponenten für ein kräftiges
Wellenwachstum waren erfüllt: Die Windgeschwindigkeit war hoch, was
an der engen Drängung der Isobaren (Linien gleichen Luftdrucks) zu
erkennen ist und der Wind dauerte auch über längere Zeit im selben
Bereich an, da das Sturmfeld sehr umfangreich war. Die Boje maß über
mehr als 12 Stunden vor dem Eintreffen der maximalen Welle
Windgeschwindigkeiten von 65 km/h (Bft 8) und mehr. Die Dauer und
Stärke des Windfeldes erzeugten einen sehr effektiven und
ausgedehnten "fetch", im Bild hervorgehoben durch einen blauen Pfeil.
Dabei bauten sich die Wellen immer weiter auf, bis am 4. Februar um 6
UTC eine signifikante Wellenhöhe von 19 Meter gemeldet wurde. Nähere
Informationen zu dieser gemittelten Wellenhöhe finden Sie im DWD
Wetterlexikon unter "signifikante Wellenhöhe". Einzelne Wellen
erreichten zu der Zeit gar Höhen von mehr als 25 m.
Die bei solch einem "fetch" gebildeten Wellen treffen auch irgendwann
auf die jeweiligen Küsten, wo sie von den anfangs erwähnten Surfern
bereits erwartet und von den dort ansässigen Küstenbewohnern
gefürchtet werden, denn sie sorgen nicht selten für Schäden und
ausgeprägte Küstenerosionen.
Dipl.-Met. Helge Tuschy
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 14.03.2019
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