Thema des Tages
01-03-2019 10:20
2019 ist ein El Nino-Jahr
Unter dem Phänomen "El Nino" versteht man unregelmäßig,
durchschnittlich aber etwa alle vier Jahre auftretende Veränderungen
von Strömungen im Wasser des äquatornahen pazifischen Ozeans sowie in
der Luft der darüber liegenden Atmosphäre. Normalerweise treiben die
Passatwinde das warme Oberflächenwasser des Pazifiks von Osten nach
Westen, Richtung Australien, Indonesien und anderen
Südostasiengebieten. Dadurch quillt das kältere Tiefenwasser in den
Küstenregionen Süd- und Latein-Amerikas auf und versorgt mit seinem
mitgeführten Fischreichtum den Fischereibetrieb und somit die dort
lebenden Menschen. Unter normalen Umständen ist das Klima dort
trocken, auf der anderen Pazifikseite hingegen regnerisch und feucht,
zumindest in den Küstenregionen.
Das El Nino-Phänomen stellt jedoch alles auf den Kopf! Dann lassen
die tropischen Ostpassatwinde nach oder ändern sogar komplett ihre
Richtung. Die Wolken, die die Niederschläge eigentlich an die
asiatischen und australischen Ostküsten bringen sollten, werden nun
in die entgegengesetzte Richtung getrieben und regnen über den sonst
trockenen Westküsten des amerikanischen Kontinents ab. Deshalb kommt
es dort zu gewaltigen Überschwemmungen, da der Boden die Wassermassen
nicht aufnehmen kann. Erdrutsche und Überflutungen der Städte und
Landschaften sind die Folgen, vor allem in den Ländern westlich der
Anden über Latein- (Mittel-) Amerika bis hin nach Kalifornien. Die
anderen, hauptsächlich im Gebiet der Tropen befindlichen
Pazifikländer hingegen haben nun mit Trockenheit zu kämpfen. Selbst
in Großstädten müssen die knappen Wassermengen rationiert werden.
Während mit "El Nino" eher die ozeanischen Prozesse beschrieben
werden, werden unter dem Begriff der sog. "Southern Oscillation" die
Vorgänge in der Atmosphäre zusammengefasst. Die "El Nino-Southern
Oscillation (ENSO)" stellt schließlich die Kombination beider
Phänomene, also das gekoppelte Zirkulationssystem von Atmosphäre und
Meeresströmungen im äquatorialen Pazifik dar.
Um abzuschätzen, ob sich die ENSO in Richtung eines El-Nino-Zustandes
bewegt oder ein El Nino vielleicht sogar schon vorliegt, werden
Temperaturanomalien des Oberflächenwassers betrachtet. Als Maß werden
die dreimonatig gemittelten Abweichungen der
Oberflächenwassertemperaturen im Korridor von 170 bis 120 Grad
westlicher Länge und 5 Grad nördlicher bis 5 Grad südlicher Breite
herangezogen. Als Referenzperiode gilt der Zeitraum 1981 bis 2010.
Übersteigt die Abweichung den Wert von 0,5 Grad, spricht man von
einem "El Nino".
In der jüngsten Pressemitteilung des amerikanischen Wetterdienstes
(NOAA) vom 25. Februar wird eine Abweichung von +0,7 Grad für die
letzten Wochen angegeben. Nahe der Datumsgrenze maximieren sich die
Abweichungen sogar auf Werte um +1 Grad. Über weite Strecken des
vergangenen Jahres bis Ende Januar diesen Jahres wurden noch eher
durchschnittliche Werte beobachtet. Es herrschen demnach seit Februar
schwache El Nino-Bedingungen, die nach Prognosen der Wetterforscher
auf Basis von Berechnungen verschiedener Computermodelle mit einer
Wahrscheinlichkeit von 55 % bis zum Ende des nordhemisphärischen
Frühlings anhalten. Dies deckt sich mit den Vorhersagen des Deutschen
Wetterdienstes (siehe Link auf
https://www.dwd.de/DE/wetter/thema_des_tages/2019/3/1.html). Auch
sonst weist der pazifische Ozean verbreitet überdurchschnittliche
Oberflächentemperaturen auf und auch die großräumige Luftzirkulation
sowie das daraus resultierende Wetter in der Pazifikregion nimmt für
eine El Nino-Situation typische Züge an. Erst ab einer Periode mit El
Nino-Bedingungen von 9 bis 15 Monaten (je nach Definition) spricht
man übrigens von einem vollumfänglichen "El Nino-Ereignis".
Nicht nur die Wetter- und Klimaforscher, die sich um die Bedingungen
rund um den Pazifik kümmern, beobachten die Prognosen im Hinblick auf
die ENSO, auch anderswo wirft man ein wachsames Auge darauf. Denn es
ist erwiesenermaßen so, dass El Nino (und das Pendant La Nina: siehe
www.dwd.de/lexikon) eine gewisse Fernwirkung, sog. Telekonnektionen,
entfalten. El Nino-Events werden so beispielsweise mit einer erhöhten
Wahrscheinlichkeit für sehr warme Witterung in Ostkanada, Japan und
Ostchina sowie mit Trockenheit im Süden Afrikas, auf Madagaskar und
im Nordosten Brasiliens in Verbindung gebracht. In den Südstaaten der
USA, im Süden Brasiliens und in Ostafrika soll El Nino dagegen
ungewöhnlich feuchte Witterung begünstigen. Betrachtet man das Klima
im globalen Maßstab, fällt auf, dass das globale Temperaturmittel in
Jahren mit starken El Nino-Ereignissen besonders weit nach oben
"ausreißt", es also ganz besonders warm ist. Für Europa speziell
lassen sich Fernwirkungen von El Nino dagegen nicht statistisch
haltbar nachweisen.
Dipl.-Met. Adrian Leyser
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 01.03.2019
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