Thema des Tages
23-01-2019 10:20
"Mutter Courage" zu Gast bei Väterchen Frost
Kalt ist es gewesen, auch in der vergangenen Nacht. Bei Minima von -3
bis -9 Grad, gebietsweise auch darunter, kann man getrost von
winterlichen Verhältnisse sprechen. Für viele bedeutet dies, dass ein
lauschiges Plätzchen vor einem knisternden Kamin deutlich attraktiver
erscheint als ein Aufenthalt im Freien.
Allerdings gab und gibt es immer auch Menschen, auf die Eis und
Schnee eine besondere Faszination ausüben. Die "natürlichen Freunde"
dieses Menschenschlages sind die Gletscher der Hochgebirge und die
Polargebiete. Auch hier im Thema des Tages gab es immer mal wieder
eisige Reportagen, beispielsweise am 30.07.2018 ("Eismitte"),
kürzlich zum Piteraq (17.01.2019) oder sogar eine "Trilogie" zu einem
Aufenthalt auf der Neumayer-Station (04., 24. und 25.04.2018).
Und demnächst könnte es wieder Neuigkeiten aus dem Eis geben.
Immerhin plant eine internationale Forschergruppe unter Führung des
Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung in
Bremerhaven wieder eine groß angelegte Expedition in die Arktis.
Das Vorbild für die geplante Mission der "eiskalten" Frauen und
Männer lieferte schon vor mehr als 100 Jahren der norwegische
Polarforscher Fridtjof Nansen. Dieser vermutete, dass das winterliche
Packeis in den polaren Regionen der Nordhalbkugel eine Drift
aufweist, von der man sich - einen gut gewählten Startpunkt
vorausgesetzt - bis zum Nordpol und über diesen hinaus "treiben" bzw.
"ziehen" lassen könnte. Mit der Idee von der Packeisdrift konnte man
u.a. erklären, warum Trümmerteile des 1881 vor der Nordküste
Sibiriens im Packeis untergegangenen US-Kriegsschiffs USS Jeannette
drei Jahre später vor der Südostküste Grönlands wieder auftauchten.
Nansen beschloss daher, sich nördlich von Sibirien mit seinem Schiff,
der extra für diesen Anlass konstruierten FRAM, vom Packeis
einschließen zu lassen, um mit dem Eis zum Nordpol zu driften. Die
Drift führte ihn allerdings am Pol vorbei, und auch der Versuch, mit
Hundeschlitten den Pol zu erreichen, misslang. Letztendlich erreichte
Nansen eine maximale nördliche Breite von 86° 13,6'. Die geplante wie
auch die tatsächliche Route sind in der beigefügten Grafik
dargestellt. Zudem sind in der Karte die aus der vergangenen Nacht
stammenden Tiefstwerte flächig hinterlegt. Sie geben einen -
zumindest meteorologischen - Eindruck von den extremen Bedingungen
der Polarnacht.
Und heute? Wie schon angedeutet, bereiten sich auch aktuell wieder
couragierte Forscherinnen und Forscher auf Ihren Besuch bei Väterchen
Frost vor. Das Forschungsschiff des Alfred-Wegener-Instituts mit dem
treffenden Namen POLARSTERN soll mit dem Packeis zum Nordpol driften.
Neben Eis- und Meeresforschung wird es dabei maßgeblich um
meteorologische Fragestellungen gehen. Insbesondere Untersuchungen
zum Klimawandel sind geplant, sind doch die Polarregionen diejenigen
auf unserem Planeten, die sich am schnellsten erwärmen.
Die technischen Rahmenbedingungen sind dabei deutlich ausgereifter
als zu Nansens Zeiten. Dabei wird das Forschungsschiff zumindest
anfangs u.a. von Eisbrechern begleitet, außerdem soll neben dem
Schiff eine Landebahn für Versorgungsflugzeuge angelegt werden.
Andere Gefahren bleiben, wie sie auch zu Nansens Zeiten waren. Dazu
gehören z.B. Eisbären - und natürlich die arktischen Temperaturen.
Ob die Forscherinnen und Forscher ab und zu an einen knisternden
Kamin denken?
Dipl.-Met. **
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 23.01.2019
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